KdiH

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80.7.1. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 642

Bearbeitet von Franziska Stephan

KdiH-Band 8

Datierung:

1442–1444 (Wasserzeichenbefund).

Lokalisierung:

Ostfranken / Nordbayern (Palmer [1994] S. 251).

Besitzgeschichte:

Vorbesitzer Jorg Ledarer? (Wegener [1928] S. 41). Aus dem Nachlass Karl Hartwig Gregor von Meusebachs 1838 in die Königliche Bibliothek gekommen.

Siehe auch Nr. 11.4.8., hierzu im Folgenden einige Konkretisierungen (nach Palmer [1994]).

Inhalt: Fragmentarische Sammelhandschrift, bestehend aus einem illustrierten astrologisch-mantischen und einem lateinischen Quadrivium-Teil, darin:
1. 1r–31v Losbuch mit 22 Fragen (Version B), fragmentarisch
1r–v zwei Losräder (Zeiger verloren) mit systematischen Informationen; 2r 22 Fragen und Namen von alttestamentlichen Propheten, nebeneinander aufgelistet und nummeriert (nicht zeilenweise zu lesen, welcher Name einer Frage zugeordnet wird, unterliegt dem Zufall); 2va–3ra 22 gereimte Verweisstrophen unter den Namen der 22 Propheten von 2r, die letzten sieben Verweise sind aufgrund von ausgerissenen Blatteilen nur fragmentarisch erhalten (so auch bei den nachfolgenden Teilen); 3v sieben Planeten, ihnen zugeordnet 22 Himmelsrichtungen mit Verweisen; 4r–v 22 Tiere und Tierkreiszeichen mit Verweisen; 5r–31v 22 Losrichter in Gestalt von Königen mit je 22 Lossprüchen
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament und Papier, 117 Blätter (foliiert, z. T. fast völlig ausgerissene Blätter, zwischen Bl. 7 und 8 sowie 9 und 10 sind je zwei weitere Blätter zu zählen, zwischen Bl. 12 und 13 ein weiteres Blatt; bruchstückhaft sind Bl. 3–5, 18, 31; im unteren Teil halb ausgerissen sind Bl. 6, 7, 13, 16, 17, 19–22, 26–28, 30; Bl. 39 und 40 sowie 56 und 57 sind fragmentarisch), 315 × 225 mm, Losbuch: wenig sorgfältige Bastarda, ein Schreiber, einspaltig (2r, 3r–v, 5r–31v) und zweispaltig (2v, 4r–v), ca. 22–34 Zeilen, keine Initialen, Caputzeichen.

Schreibsprache:

bairisch.

II. Bildausstattung:

Zahlreiche, z. T. stark beschädigte aquarellierte Federzeichnungen, neun (und neun Fragmente) von ursprünglich 22 zu Text 1 erhalten ([5r], [6v], 9r, 10r, 11v, 13v, 15r, 16v, [18r], [19r], [20v], [21v], 23r, 24v, 26r, [27r], [28v], [30v]), zudem zwei fragmentarische Losräder (1r und 1v), ein Zeichner.

Format und Anordnung, Bildaufbau und -ausführung:

1r und 1v Losräder: Zwei nahezu seitenbreite Kreisdiagramme mit systematischen Informationen für die Losziehung. Diese sind in einen entlang des äußeren Randes der Kreisdiagramme verlaufenden Ring eingebracht, der in je 22 Segmente geteilt ist. 1r: außen Zahlen von eins bis 22, innen Zahlenkombinationen aus zwei Zahlen zwischen eins und 22, diese sind würfelartig in kleinen Quadern dargestellt. 1v: außen 22 Tiere (vgl. 4r–v), innen Zahlen von eins bis 22 in arbiträrer Abfolge. Im Zentrum der Kreisdiagramme befinden sich kleine, vierblättrige Blüten aus Metall, an denen vermutlich die Drehzeiger befestigt waren. Auf deren Funktion als Losmechanismus weist der Text unter dem zweiten Rad Ich zeig die zal v́berall On allen val, ein vierzeiliger Text unterhalb des ersten Rades (1r) ist stark berieben und nicht mehr lesbar. Jeweils im Scheitel der beiden Räder befindet sich eine bis an den oberen Seitenrand gezogene rote Linie, deren Ende in einen einfach gezeichneten, kahlen Januskopf ausläuft. Die Kombination aus Rad und Januskopf lässt an die Ikonografie der ›Fortuna bifrons‹ denken, die basierend auf der Beschreibung der blinden Fortuna mit zweifachem Antlitz in Boethius’ ›De consolatione philosophiae‹ im Mittelalter verschiedene Darstellungsformen entwickelt und auf das doppelte Wirken Fortunas als Verursacherin von Glück und Unglück verweist (Appuhn-Radtke [1996] S. 129–148).

5r–31v Losrichter: 18 (von 22) ca. dreiviertelseitige rahmenlose Darstellungen im Text, die die in abgesetzten Strophen gegebenen Lossprüche der Losrichter mit einer Art Empfangsszene einleiten. Die Szene ist nach einem einheitlichen Schema aufgebaut: Verteilt auf einem Rasenstück befinden sich eine thronende Königsfigur mit Zepter und Krone, ein Tier sowie ein stehender Prophet mit leerem Spruchband. Die thronenden Königsfiguren tragen eine Krone und Vollbärte sowie bodenlange Tuniken oder enge Strumpfhosen mit langem Wams und Mantel, in einer Hand halten sie ein Zepter, die andere liegt entspannt im Schoß oder ist mit ausgestrecktem Zeigefinger oder flacher Hand erhoben. Die Prophetenfiguren sind mit turbanartigen Hüten ähnlich typisiert. Das unbeschriebene Spruchband in ihren Händen wallt kunstvoll über ihrem Kopf auf oder fällt schriftrollenartig zu Boden. Bei den Tieren handelt es sich um die zwölf Tierkreiszeichen, Wald- und Feldtiere, exotische Tiere und Fabelwesen. Könige und Propheten sehen sich in den Darstellungen an, das jeweilige Tier blickt auf die Königsfigur. Dieses Darstellungsschema kann in seinen Details variieren. Auf 13v ist die Empfangsszene um eine darüber gestellte Darstellung des Sündenfalls mit Adam, Eva, der Schlange und dem Baum der Erkenntnis erweitert.

Einfache, kaum schraffierte Zeichnungen, in kräftigen, oft bunten Wasser- und Deckfarben flächig koloriert. Die Figuren sind unproportioniert und ohne Körperdurchformung, in bodenlangen, weich auslaufenden Gewändern, mit flächigen Gesichtern ohne explizite Mimik, kaum Variation in den Körperhaltungen und wenig ausdrucksstarke Gestik. Darstellungen auf einfachen grünen Bodenstücken, z. T. mit Gräsern, Blattpflanzen sowie einem Baum, jedoch ohne Himmel oder Hintergrundgestaltung.

Bildthemen:

Die Figuren sind namentlich rechts und links der Darstellung bezeichnet, ihre jeweilige Kombination ergibt sich aus der Systematik des Losbuches. Die jeweilige Figurenkombination der zum großen Teil nur bruchstückhaft oder gar nicht erhaltenen Bilder ist durch die Systematik und den Vergleich mit anderen Textzeugen (siehe Nr. 80.7.2. und Nr. 80.7.3.) zu rekonstruieren.

Unter den erhaltenen 18 Darstellungen befinden sich die folgenden Gruppierungen: 5r Fragment: König ohne Beischrift [König von Frankreich, David, Waage?]; 6v Fragment: Daniel [König von England, Widder?]; 9r König von Marroch, Habakuk, Löwe; 10r der römische König, Maleachi, Jungfrau; 11v König vom Mohrenlande, Jeremia, zwei Fische auf einem Teller auf Tisch mit Tischdecke; 13v König von Schweden, Nebukadnezar, Schlange mit dem Baum der Erkenntnis, darüber der Sündenfall; 15r König der Türken, Ismael, Schütze; 16v König von Spanien, Theodosius, Skorpion; 18r Fragment: König von Indien, Einhorn, [Potifar?]; 19r Fragment: Olibrius, [König von Cappadoytye, Kranich?]; 20v Fragment: König der Tartaren, Moses, [Adler?]; 21v Fragment: König ohne Beischrift [König von Lylierlandt, Isaak, Nachtigall?]; 23r König von Nubien, Abraham, Kamel; 24v König von Zypern, Joseph, Sittich; 26r König von Aragon, Samuel, Hirsch; 27r Fragment: König ohne Beischrift [König von Babylonien, Yszchal, Hund?]; 28v Fragment: Kaiser, Nathan, [Hase?]; 30v Fragment: Papst, Jakob, Esel. Bei den vier fehlenden Darstellungen handelt es sich demnach vermutlich um: König der Schotten, Zacharias, Ochse; König der Ungarn, Ysaias, Krebs (beide zwischen Bl. 7 und 8); König von Sizilien, Jonas, Rabe (zwischen Bl. 9 und 10); König von Armenien, Gedeon, Wassermann (zwischen Bl. 12 und 13).

Farben:

relativ schmale Palette mit viel Moosgrün und Hellocker sowie Orangerot, Hellviolettrosa, Royalblau, Schwarz und Grau.

Literatur:

Degering 1 (1925) S. 69f.; Wegener (1928) S. 41–43. – Palmer (1994); Heiles (2018) Nr. 9.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 152: 9r. Losrichter (König von Marroch, Habakuk, Löwe).

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Abb. 152.