KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

75.0.8. Montpellier, Bibliothèque interuniversitaire, BU médecine, H 396

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 8

Datierung:

2. Viertel 14. Jahrhundert.

Lokalisierung:

Eventuell Sachsen oder Thüringen.

Gesamtbeschreibung siehe Nr. 65.1.2. und Nr. 73.4.1.

Inhalt: Sog. Andachtsbüchlein aus der Sammlung Bouhier, darin:
1. 1r–28v Perikopenbearbeitungen, deutsch, unvollständig
Temporale, daran anschließend Ergänzungen aus dem Temporale und dem proprium de sanctis, 10r Kirchweih
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, noch 48 Blätter, 97 × 69 mm. Die Handschrift besteht aus drei Teilen, alle drei Teile enthalten Bildtafeln, meist mit Beischriften; Teil 1 (1r–28v) drei Schreiber; Teil 2 (29r–41v) ein Hauptschreiber; Teil 3 (42r–48v) Bildtafeln ohne Beischriften. Das letzte Blatt von Teil 2 gehört zum Lagenverband von Teil 3, beide Teile wurden demnach zusammen konzipiert.

Im Perikopenteil (Teil 1 der Handschrift) fehlen etliche Blätter, Manuwald (2019, S. 5) hält einen ursprünglich weitere 40 Blätter umfassenden Umfang dieses Teils der Handschrift für wahrscheinlich. Rekonstruieren lässt sich die folgende Anordnung: [fehlende Blätter], 11r–19v, [fehlende Blätter], 20r–23v, [fehlende Blätter], 24r–28v, 1r–v, 5r–v, 2r–4v, [fehlende Blätter], 7r–9v, 6r–v, 8r–10v.

Schreibsprache:

ostmitteldeutsch.

II. Bildausstattung:

In Teil 1 noch 56 kolorierte Federzeichnungen. Ein Maler (mit kleinen Nachträgen weiterer Hände).

Format und Anordnung:

In einheitlichem Hochrechteckformat gerahmte Bilder mit mehrzeiligen Bildüberschriften darüber (vielfach beschnitten), die den liturgischen Bezug nennen (Tag im Kirchenjahr als Leseanlass) und danach die zugehörige Perikope paraphrasieren bzw. den Bibeltext anzitieren. Der Initialbuchstabe der Überschrift ist nirgends ausgeführt.

Bildaufbau und -ausführung:

Figuren und Figurengruppen auf vorderster Bildebene in voller Bildhöhe, zusammen mit den notwendigen Requisiten oder Gebäuden souverän in den stets gleichbleibenden, gelb gefüllten Kastenrahmen hineinkomponiert, ihn gelegentlich geringfügig überschneidend (Nimbus, Fußspitzen, Gewandzipfel u. ä.). Hintergrundlose Darstellungen, auch eine Standfläche ist in der Regel nicht angegeben. Jesus (mit rotgelbem Kreuznimbus, hellem Unterkleid und rotem, graugrün gefüttertem Gewand) wendet sich meist von links den ihm zugewandten Personen zu, Frontaldarstellungen Jesu vor allem für Überhöhungen seiner Person (Verklärung Jesu 18v, Jesus als Schöpfergott 8v, Jesus auf dem Thron seiner Herrlichkeit 16r, Jesus entzieht sich den Juden 21r, Verherrlichung Jesu durch Gottvater 22v). Die Mimik Jesu wie auch anderer Figuren eher stereotyp und ausdrucksschwach, selten werden durch besonders kantig gezeichnete Augenbrauen oder vergrößerte Augen Emotionen evoziert; betont wird hingegen die Gestik: Hände sind stets weisend, argumentierend, segnend, beschwörend, abwehrend zueinander erhoben.

Nach sparsamer Vorzeichnung und Kolorierung in wenigen Farben, unter denen Rot deckend eingesetzt ist und schon wegen der stets wiederkehrenden Figur Jesu dominiert, sind die Konturen mit schwarzer Feder in leicht an- und abschwellender Linienführung nachgezogen, Binnenzeichnung beschränkt sich auf Haartrachten und Gewandfalten. Modelliert wird mit der Kolorierung: In Gesichtern wird etwa die umschattete Stirn wie auch der Kinnbogen mit leichter Rotlavierung angegeben, auch der weiche Fall von Gewändern wird mit zart abschattierender Pinsellavierung gekennzeichnet. Der Pergamentgrund ist als undefiniert helle Farbe einbezogen, Weiß jedoch als eigene Farbe eingesetzt (z. B. für die Kopfschleier der Frauen).

Anstelle eines verbalen Hinweises auf den jeweiligen Evangelisten in der Überschrift ist oftmals das Evangelistensymbol in den Rahmen inseriert (Stierklaue für Lukas, Flügel für Matthäus, Adlerkopf für Johannes), wobei diese Indizierung vom Ansatz her unvollständig ist (häufig durch dilettantische Nachträge komplettiert) und mehrfach fehlerhafte Zuordnungen enthält.

Bildthemen:

Das Verständnis der Bilder setzt eine fundierte Kenntnis der gesamten Perikopen voraus, die in den Bildüberschriften nur angedeutet werden; ohne sie würden Darstellungen, die sich nicht auf tradierte Bildmuster (wie 7r Jesus bei Marta und Maria, 11r Sturm auf dem See, 16v Vertreibung der Händler aus dem Tempel u. ä.) berufen können, unklar, geradezu enigmatisch bleiben, zumal dort, wo Redeinhalte mit einem höheren Abstraktionsgrad visualisiert werden. So etwa 2r: Zum Bild von Jesus und einer Frau am Spinnrad, zwischen ihnen Vögel und Blumen, fasst die Überschrift Mt 6,24–26 zusammen (Jhesus sprach nieman inmac zwein heren gedinen. set an die lilien des ackers vnd an die voͤgele des himels). Das Bild hingegen stellt die Redesituation dar (Jesus, argumentierend), darüber hinaus aber die Essenz des Redeinhalts der gesamten Perikope (Mt 6, 28: »Lernt von den Lilien des Feldes, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht.«): Kontrastierend weist Jesus auf die Vögel und Blumen einerseits und auf die spinnende Frau andererseits. Dieses Muster setzt sich fort.

Die folgenden Bildstrecken sind ohne Lücken: 11r Sturm auf dem See (Mt 8,23: 4. Sonntag nach Dreikönigstag) bis 19v Jesus entweicht den Juden (Io 7,32: Montag nach Reminiscere?), 20r Lebendiges Wasser aus Jesu Seite (Io 7,37: Montag nach Passionssonntag) bis 23v Jesus und das Weizenkorn (Io 12,24: Montag nach Palmsonntag), 24r Offenbarung Jesu am See von Tiberias (Io 21,1: Mittwoch der Osterwoche) bis 28v Juden stoßen Jünger aus der Synagoge (Io 16,2: 6. Sonntag nach Ostern), 1r Pharisäer und Zöllner im Tempel (Lc 18,10: 11. Sonntag nach Dreifaltigkeit) bis 4r Heilung des Gelähmten am Ufer des Sees (Mt 9,1f.: 19. Sonntag nach Dreifaltigkeit).

Zu den Bildern der Temporale-Ergänzung siehe Manuwald (2019), die hinter der nicht vollends entschlüsselten Themenauswahl – Kombination aus bekannten Perikopen (z. B. Lc 10,38ff.: Mariä Himmelfahrt) mit offenbar individuell ausgesuchten Bibelstellen (z. B. Mt 19,24ff.: Gleichnis vom Kamel und vom Nadelöhr) – Interessen der Auftraggeber sehen möchte.

Farben:

Rot, Blassgelb, Graugrün, Hellblau, Rosa, Braun, Weiß, Schwarz.

Faksimile:

Manuwald (2022).

Literatur:

siehe Nr. 65.1.2. und 73.4.1.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 103: 17v. Jesus und die Sklaven der Sünde (Io 8,31: Quatember-Donnerstag in der Fastenzeit).

75.0.8._Abb._103.jpg
Abb. 103.