100.8. ›Mirabilia Romae vel potius Historia et descriptio urbis Romae‹, deutsch
Bearbeitet von Nicola Zotz
KdiH-Band 10
Neben Jerusalem und Santiago entwickelte sich Rom im späten Mittelalter zu einem wichtigen Pilgerziel, insbesondere in den heiligen Jahren, in denen beim Besuch bestimmter Kirchen ein vollständiger Ablass erlangt werden konnte (Vom ABC bis zur Apokalypse [2012] S. 86). So entstand ein Bedarf an Pilger- oder Reiseführern, mit denen man sich die Stadt Rom, ihre Sehenswürdigkeiten und ihre Geschichte erschließen konnte. Diesem Bedarf kamen mehrere Texte nach, die alle mit dem Titel ›Mirabilia Romae‹ bezeichnet werden. Zu unterscheiden sind zwei Texttraditionen: einerseits eine zwischen 1140 und 1143 entstandene lateinische Beschreibung der Stadt für Romreisende (die eigentlichen ›Mirabilia Romae‹; vgl. Untergruppe 107.2.) und andererseits die deutsche (und bald darauf auch ins Lateinische übertragene) Textkompilation ›Mirabilia Romae vel potius Historia et descriptio urbis Romae‹, die um 1475 aus älteren Texten zusammengestellt und für den Buchdruck konzipiert wurde. Diese ›Historia et descriptio‹, die speziell auf die Interessen von Rompilgern ausgerichtet ist, besteht aus drei Texten: 1. einer Chronik der Kaiser Roms bis zu Konstantin dem Großen, 2. den ›Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae‹ (einer Beschreibung der Kirchen Roms mit Reliquien und Ablässen), 3. den ›Stationes ecclesiarum urbis Romae‹ (einer kalendarischen Liste der Stationskirchen mit Hauptgottesdiensten). Überlieferungsgeschichtlich ist die Trennung der beiden Linien etwas künstlich (die Gleichheit der Titel ist darauf zurückzuführen, dass die Texte häufig gemeinsam überliefert und im Mittelalter nicht klar voneinander abgegrenzt wurden). Wegen des Stoffgruppenprinzips des KdiH wird an dieser Stelle das Pilgerbuch und künftig unter Nr. 107.2. der Reiseführer behandelt. Zur komplexen Überlieferungssituation der ›Historia et descriptio‹ sowie der in ihr versammelten Texte siehe
Die erste Ausgabe des deutschsprachigen Pilgerbuchs ›Historia et descriptio‹ liegt sehr wahrscheinlich mit einem Blockbuch vor, das um 1474/1475 in Rom oder Nürnberg hergestellt wurde (Nr. 100.8.A.). Ab den 1480er Jahren entstand eine Vielzahl von Drucken, überwiegend in Rom selbst, ein Großteil von ihnen illustriert (vgl. die Zusammenstellungen bei
Dieses Bedürfnis, die Einschnitte zu markieren, ist schon beim Blockbuch (Nr. 100.8.A.) zu beobachten. Interessanterweise haben zwei der darin enthaltenen Bilder (das von Engeln gehaltene Schweißtuch der Veronika und seine Heiltumsweisung) eine leere Rückseite, weshalb sie variabel eingefügt werden konnten. Im Münchner Exemplar (Xylogr. 50) sind die beiden Bilder vor der Vorrede bzw. vor den ›Indulgentiae‹ eingebunden worden, im Washingtoner Exemplar (Incun. X .I6) leiten sie hingegen gemeinsam die ›Stationes‹ ein.
Zu den genannten Bildthemen kommen drei weitere hinzu, die traditionsbildend geworden sind: 3. Die Heiltumsweisung des Schweißtuchs, bereits im Blockbuch enthalten, findet sich in allen deutschsprachigen Drucken; das Bild kann entweder die ›Indulgentiae‹ einleiten (vgl. Nr. 100.8.a. und Nr. 100.8.c.) oder innerhalb der ›Indulgentiae‹ die Beschreibung des Veronikaaltars illustrieren (vgl. Nr. 100.8.b.); 4. eine Mariendarstellung markiert bei einem Großteil der Drucke das Ende der Beschreibung der Hauptkirchen und den Beginn der weiteren Kirchen (beginnend mit Santa Maria in Trastevere; diese Abbildung fehlt in manchen Drucken Stephan Planncks und Eucharius Silbers, siehe Nr. 100.8.b., Anm.); 5. eine Darstellung von Petrus und Paulus (oder von der Schlüsselübergabe Christi an Petrus) kann die ›Stationes‹ einleiten (Nr. 100.8.a.) oder vor der Vorrede eingefügt sein (Nr. 100.8.b.).
Mit seiner Ausgabe von 1493 (Nr. 100.8.b.) führte Stephan Plannck eine Neuerung im Bildprogramm ein, die von allen späteren Drucken aufgegriffen wurde: Jede der sieben Hauptkirchen in den ›Indulgentiae‹ erhält ein Bild des jeweiligen Schutzpatrons (in Hupfuffs Druck aus dem Jahr 1500 kommen zu den Schutzpatronen Darstellungen von Kirchen hinzu [Nr. 100.8.c.]).
Die zu konstatierenden Abweichungen im Bildprogramm sind – auf die Gesamtzahl der illustrierten Drucke bezogen – als gering einzuordnen. Vielmehr ist eine erstaunliche Konstanz des Bildprogramms festzuhalten, die sich bis hin zum Initialschmuck beobachten lässt (zweimaliger Einsatz einer D-Initiale seit den frühesten Drucken). Dies erlaubt es, die große Zahl von Drucken, nach Bildprogrammen geordnet, in wenigen Katalogisaten gesammelt zu beschreiben. Hierbei wurden die Drucke bis zum Jubeljahr 1500 berücksichtigt; für die Drucke des 16. Jahrhunderts (in denen diese Tradition fortgeführt wurde) sowie Einzelheiten zu den Textversionen siehe
Zwei Handschriften der ›Historia et descriptio‹ haben sich erhalten, für die ein Bildprogramm vorgesehen war (Nr. 100.8.1. und Nr. 100.8.2.). Beide sind Abschriften von Drucken, und auch wenn sich die Vorlage in beiden Fällen nicht eindeutig bestimmen lässt, können doch die vorgesehenen Bilder rekonstruiert werden.
Nicht berücksichtigt bleiben in dieser Untergruppe Pilgerfahrten im Geist, also Texte, die (teilweise) auf der Basis der ›Indulgentiae‹ und ›Stationes‹ entstanden und zur Verinnerlichung der Pilgerfahrt nach Rom anleiten (