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65.2.1. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. oct. 9

Bearbeitet von Pia Rudolph

KdiH-Band 7

Datierung:

1526.

Lokalisierung:

Nürnberg.

Besitzgeschichte:

Die Angaben im Kalender weisen auf einen Erstbesitzer in Nürnberg hin. Die Handschrift wechselte im Jahr 1572 aus dem Besitz des Joachim Puchbach von Halle zu Wolf von Kreutzen (Eintrag: Innenseite vorderer Buchdeckel). Sie kam wohl im Lauf des 17. Jahrhunderts in die Kurfürstliche Bibliothek (Aderlaß und Seelentrost [2003] S. 380). 1r: Signatur, Bibliotheksstempel (auch auf 15v) und Datierung 1526 (moderne Hand, Eintrag auf 14v lässt auf dieses Entstehungsdatum schließen).

Inhalt:
1v–15r Kalender
1v–13r Kalender mit Monatsversen, von Glockendon selbst verfasst nach älterer Tradition (?) (Degering [s. u. Literatur: 1926] S. 9) sowie mit Angaben zu Tageszahl, Sonntagsbuchstaben, Heiligenkalender der Diözese Bamberg, Lunarbuchstaben, Stunden der Länge des lichten Tages (nach der sog. großen Nürnberger Uhr); 13v Aderlassmann; 14r Tafel zur Bestimmung des Mondstands und von Aderlassterminen; 14v Kreisschema zur Ermittlung der goldenen Zahl und Sonntagsbuchstaben (fehlerhaft konstruiert, nicht brauchbar); 15r Termine der Quatembertage im Kirchenjahr
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, I + 16 + I Blätter, foliiert, 140 × 100 mm, Fraktur, ein Schreiber (Schreiber IL: Merkl [1999] Kat.-Nr. 99, S. 408), einspaltig, 27 Zeilen; schwarze, rote, blaue, goldene Tinte; kalligraphische Schnörkel, besondere Festtage und KL-Ligaturen in Gold.

Schreibsprache:

nürnbergisch.

II. Bildausstattung:

Zwölf Monatsbilder mit Tierkreiszeichen in der Rahmung, ein Aderlassmann (13v), ein Kreisschema (14v) von Albrecht Glockendon (Eintrag auf 14v), Deckfarbenmalerei.

Format und Anordnung:

Jeder Monat beginnt auf der Versoseite mit einem Monatsbild, das etwa ein Drittel der Seite einnimmt, darunter die Monatsverse und schließlich der Kalender, der auf der Versoseite beginnt und sich über die gesamte Rectoseite zieht (1v–13r, eine Doppelseite pro Monat).

Bildaufbau und -ausführung:

Die Monatsbilder sind detailreich gestaltet, die Figuren werden in einen tiefen Raum oder eine weite Landschaft gesetzt. Häufig erscheinen vor einem blauen Himmel im Hintergrund kleine Häuser oder Stadtansichten. Die Szenen werden seitlich stets von zwei Säulen gerahmt. Gekrönt werden die Kapitelle von Ornamenten und Figuren wie Löwen, Sirenen und Putten, die sich teilweise am oberen Rand zu einem Bogen zusammenfügen (2v, 4v, 9v). Die Basis der Monatsarbeiten bildet eine Zone, die in der Mitte jeweils ein Medaillon mit dem Tierkreiszeichen zeigt und die von Blumen, Ranken, Ornamenten und Tieren besiedelt ist (außer auf 9v: September, hier genügte der Platz auf der Buchseite eventuell nicht, das Tierkreiszeichen Waage fehlt aber nicht etwa: Zwei goldene Löwen bilden den Torbogen oberhalb der Szene und halten direkt in der Bildmitte eine Waage zwischen sich). Auf 1v kämpft der Wassermann mit einem Speer oder Dreizack, der aus dem Medaillon hinausreicht, gegen die Katze zu seiner Linken, die einen zähnefletschenden Hund zu seiner Rechten anfaucht.

Geschickt und selbstbewusst kombiniert der Maler niederländische (z. B. Simon Benings Kalenderminiaturen, vgl. das lateinische Stundenbuch: New York, The Morgan Library & Museum, MS M.399 [›Da Costa Hours‹]; siehe auch Nr. 65.2.6. und Nr. 65.2.7.) und italienische bzw. antikisierende Bildelemente mit phantastischen Ornamenten (Säulenrahmung) sowie Darstellungen, wie man sie aus der Druckgraphik, beispielsweise von Hans Sebald Beham (vgl. Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 982-4) oder aus dem familiären Kontext Glockendons kennt (Einblattholzschnitt von Georg Glockendon, vgl. Nr. 65.1.B.; Heilige und Hasen [2008] S. 120–159; Steenbock [s. u. Literatur] S. 25–61). Der künstlerisch anspruchsvoll gestaltete Kalender, der wenige Gebrauchsspuren aufweist, war wohl als repräsentatives Stück für einen Buchliebhaber konzipiert worden (Daentler [s. u. Literatur] S. 39; Aderlaß und Seelentrost [2003] S. 382) – seine Ausführung verweist jedenfalls auf Prachtkalender in Stundenbüchern.

Bildthemen:

siehe Bildthementabelle Einleitung zur Stoffgruppe 65. Hervorzuheben ist der Aufbau des Monatsbilds September, der das Tierkreiszeichen Waage widerspiegelt, die über der Szene schwebt. Das Bild wurde in zwei Hälften eingeteilt, wobei links die Aussaat und rechts die Baumbearbeitung stattfindet, mittig dahinter balanciert eine Frau einen Korb auf dem Kopf.

Die Tierkreiszeichen werden beim Aderlassmännchen wiederholt (14v). Die Darstellung nimmt beinahe die gesamte Seite ein: eine androgyne Figur steht mit Füllhorn vor einem blauen mit Gold gezierten Hintergrund, um sie herum die Tierkreiszeichen, gerahmt ist das Bild von zwei goldfarbenen Säulen, auf deren Kapitellen zwei geflügelte Putten Posaune spielen. Das Kreisschema 14v zur Ermittlung der goldenen Zahl und des Sonntagsbuchstabens zeigt in der Kreismitte eine Sonne, in den äußeren Ecken die vier Winde (Farbe verlaufen), über der Tafel in kalligraphischer Schrift Albrechtt Glockendon (eine ähnliche Darstellung findet sich auf dem Kalender-Holzschnitt von Georg Glockendon, vgl. Nr. 65.1.B.).

Farben:

Gold, Blau, Rot, Grün, Braun, Grau, Gelb, Weiß, Schwarz.

Faksimile:

Albrecht Glockendons Prachtkalender vom Jahre 1526. Nach dem Original im Besitz der Preußischen Staatsbibliothek im Faksimile und mit einer Einleitung hrsg. von Hermann Degering. Bielefeld / Leipzig 1926.

Literatur:

Degering (1932) S. 4f. – Barbara Daentler: Die Buchmalerei Albrecht Glockendons und die Rahmengestaltung der Dürernachfolge. München 1984, insb. S. 35–40, Nr. 3.2.1.; Merkl (1999) S. 408–409, Kat.-Nr. 99; Hermann Degering: Zum Kalender [unveränderter Nachdruck der Einführung zur Faksimile-Ausgabe]. In: Albrecht Glockendon: Kalendar von 1526. Ms. Germ. oct. 9 der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. 2. Aufl. Stuttgart 2000, S. 5–24; Frauke Steenbock: Zu den Miniaturen. In: Ebd., S. 25–68; Aderlaß und Seelentrost (2003) S. 380–382, Nr. 182 (Jürgen Hamel / Kurt Heydeck); Heilige und Hasen (2008) S. 120–159, Kat.-Nr. 39–59.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXIXa: 11v. Schütze, Flachsverarbeitung, Dreschen.

Abb. 74: 14v. Kreisschema.

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Taf. XXIXa.
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Abb. 74.