KdiH

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59.2.3. London, The British Library, Egerton 856

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

Um 1466–1471 (Wasserzeichendatierung Saurma-Jeltsch).

Lokalisierung:

Hagenau (Werkstatt Diebold Laubers).

Besitzgeschichte:

Im 19. Jahrhundert in der Sammlung Georg Kloss, Frankfurt (1787–1854; Exlibris auf dem zweiten Vorsatzblatt verso; vgl. Ulrich-Dieter Oppitz: Georg Kloss und seine Handschriftensammlung. Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 22 [1997], S. 1–47); 1840 durch die British Library angekauft (drittes Vorsatzblatt recto: Purchased of A. Bohn 26. Sept. 1840; ebd. Bleistiftnotizen zur Schreiberidentität mit Add. 11616, diese wird in einer weiteren Notiz von 1972 wieder verworfen!).

Inhalt: Historienbibel Ib
1ra–210vb Alte Ee
1ra–2rb Erster Prolog
2rb–3vb Zweiter Prolog und Engellehre
4r Bild
4va–208vb Prosakompilation aus Historienbibel Ia und IIa

bis Kap. Von dem wissagen [Tobias]
darin: 169va–176va ›Hoheslied in Minneliedern‹ Et reliqua Mich kuste ir mundelich kusz …

208vb–209rb ›Antichrist‹ Daniel sprichet vnd wissaget vns den ende crist kume von tribu …
209rb–210vb ›Jüngstes Gericht‹ Daniel wissaget von dem Jüngsten tag …
211ra–271vb Neue Ee
211ra–214ra Register
215r–274vb Prosaauflösung des ›Marienlebens‹ von Bruder Philipp

unvollständig, bricht ab nach Kap. Cxl Als vnser her zuͦ hymel wollte faren; Kap. 25 fehlt ohne Blattverlust.

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 274 Blätter (je zwei Blätter sind auf einen Falz geklebt und bilden so einen Bogen; modern foliiert, nach Blatt 6 fehlen ein oder zwei Blätter, Blatt 13 defekt mit Textverlust, nach 210 ein ungezähltes Blatt, leer, 214v unbeschrieben; ob sich vor Blatt 1 ehemals eine Registerlage befand, ist nicht auszumachen), dazu vorn drei und hinten zwei ungezählte ältere Vorsatzblätter, beim Neubinden 1998 weitere Vorsatzblätter ergänzt, 408–412 × 285 mm, zweispaltig, 39–41 Zeilen, Bastarda, ein Schreiber (entgegen Rapp nicht identisch mit dem Schreiber der Frauenfelder Historienbibel [Nr. 59.4.7.]), rote Kapitelzählung, Kapitelüberschriften, Kapitellombarden über eine bis vier Zeilen, 1r und 215r über neun bzw. sechs Zeilen, rote Caput-Zeichen im Register. Anfangsbuchstaben der Seiten und der Kapitelüberschriften oft cadellenartig ausgeführt.

Schreibsprache:

elsässisch.

II. Bildausstattung:

74 kolorierte Federzeichnungen, 61 zur Alten Ee (mit ›Jüngstem Gericht‹), 13 (von eventuell ursprünglich 14 oder 15) zur Neuen Ee. Zwei Initialen: 1ra R, 2ra D. Vornehmlich Maler R, ferner Maler L (und B?) der Lauber-Werkstatt (zur Händeverteilung vgl. Saurma-Jeltsch [2001] Bd. 1, S. 139, Anm. 512).

Format und Anordnung:

halbseitig oder größer, nur 4r ganzseitig, ungerahmt, doch oft mit einer dreiseitigen linearen Bildbegrenzung durch Feder- oder Pinselstrich (besonders 5v, 51v u. ö.), jedenfalls meist in den Schriftspiegel eingepasst und so mit dem Text eine Einheit bildend, diesen auch einbeziehend (269v Heilung des Longinus: Langbalken des Kreuzes führt durch den Spaltenzwischenraum des Textes bis hin zum unteren Randsteg; ähnlich 103v); mit Kapitelüberschrift, die zugleich als Bildtitel fungiert, dem Text eines Kapitels vorangestellt. Die Initialen über neun bzw. sechs (2ra) Zeilen.

Bildaufbau und -ausführung:

die Initialen mit schlichtem Buchstabenkörper und zweiseitiger Ranke. Die Bilder im Text mit recht unterschiedlichem Szenenaufbau: meist großformatige Figuren, die auf vorderster Bildebene agieren; auf einem Bodenstück mit scharf gezackter Begrenzung (11r u. ö., auch podestartig 65v, 130r) oder nur flüchtig eingefasst und mit Pinselstrichen laviert (16v u.ö.), detailreicher mit Grasbüscheln bestückt und dreiseitig mit Pinselstrich gerahmt (57v u. ö.), oder völlig ohne Bodenhaftung (205r, häufig im neutestamentlichen Teil). Ohne Hintergrund, selten Andeutung von Innenraum (249v). Daneben auch größere Panoramen (83r Rahab rettet Josuas Späher), auf die der Betrachter von erhöhter Position und wie aus einiger Entfernung schaut. Auch die Figurenkonzeption selbst sehr unterschiedlich, schlanke, sich maniriert bewegende Figuren mit kleinen Köpfen wechselnd mit unproportioniert großköpfigen Figuren (148r, 208r); charakteristisch für Maler R sind die flachen Nasen und die betonte Augenpartie mit weit auseinander stehenden Augen. Merkmale wie Modellierung durch ausführliche Strichelung der Schattenpartien (14r, 244v) oder eckige, wie gemeißelt wirkende Faltenformen und bauschige Bänder (102r, 203v) sind nicht durchgängig zu finden und könnten von späteren Überarbeitern verantwortet sein. Dies gilt auch für Detailzusätze wie die Bockwindmühle im Bild von der Froschplage 55r. Besonderer Wert scheint aber von vornherein auf die Harnischgestaltung gelegt worden zu sein, auch hier treffen phantasievolle Ornamentik (z. B. 91v Schamgar und die Heiden, 119r Goliat) und Detailrealismus aufeinander. Für letzteres steht insbesondere die hervorstechende Ausführung des Bildes von Abraham und Melchisedek (16r): Melchisedek in Gestalt eines jugendlichen Ritters in modernem Harnisch und Federkopfputz empfängt das Opfer Abrahams.

Möglicherweise – so Saurma-Jeltsch – ist die Handschrift noch in der Lauber-Produktion begonnen worden, dann aber unfertig geblieben (nur mit Ocker als dem untersten Malgrund ausgemalt) und deutlich später modernisiert worden.

Bildthemen:

siehe Saurma-Jeltsch (2001) Bd. 2, S. 84 f., Bd. 1, S. 246–257 (Konkordanz); Rapp (1998) S. 259–264 (Teilkonkordanz). – In Textredaktion (Vollmer: »Vorstufe zu der Gruppe Ib«) wie Bildprogramm weicht die Londoner Handschrift von den anderen Textzeugen der Gruppe Ib ab, könnte z. B., so die Vermutung Saurma-Jeltschs, eine Art Arbeitsexemplar der »neuen« Redaktion Ib repräsentieren, das hier allerdings nur in einer späteren Abschrift erhalten ist. Auffallend in der Bildauswahl ist die oftmals individuelle Bebilderung des Alten Testaments, wobei manche Bildthemen in der Historienbibelillustration des Lauber-Umfeldes völlig isoliert dastehen, z. B. 11v Untergang der Welt, 33r Jakobs Traum vom Engel des Herrn und den gefleckten Böcken, 110r Elis Tod, 120v David mit Goliats Haupt vor den Jungfrauen, 126v David mit Sauls Krone und Banner, 161r Salomo sendet nach König Hiram um Holz für den Tempelbau, 177v Die Frau Jerobeams mit ihrem kranken Sohn; ebenfalls die dichte Illustrierung der Ägyptischen Plagen 55r–60r. Dagegen ist der neutestamentliche Teil eher konventionell und zudem sparsam bebildert. Auch in der Motivausgestaltung im einzelnen geht die Londoner Handschrift oft eigene Wege (192v Daniel in der Löwengrube: Habakuk ohne Engel steht neben der Löwenzisterne und reicht Daniel ein Seil an; 269v Heilung des Longinus: die Beifügung einer Assistenzfigur [Zeuge] mit leerem Schriftband; u. a.).

Farben:

vorwiegend Brauntöne: helles, leicht olivstichiges wässriges Umbra, Grauumbra, leicht bräunliches Rot, dazu Mattrosa, Violettrot, Blaugrau.

Literatur:

Priebsch 2 (1901) S. 68, Nr. 90. – Vollmer (1912), S. 89–92, Nr. 28; Stedje (1968) S. 105 f. (Hs. Lo); von Bloh (1993) S. 270 f. u. ö., Abb. 46 (4r); Rapp (1998) Nr.3.2.6., S. 90–92 u. ö., Abb. 17 (Textseite 232r); Saurma-Jeltsch (2001) Bd. 2, Nr. 57, S. 84 f. u. ö., o. Abb.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 5: 269v. Longinus öffnet mit dem Speer die Seite Jesu.

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Abb. 5.