KdiH

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27.0.3. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 120

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 4/1

Datierung:

1480/90.

Lokalisierung:

Oberrhein (südliche Ortenau, vermutlich Kloster Wonnental).

Besitzgeschichte:

Wohl von einer Nonne für das Zisterzienserinnenkloster Wonnental angefertigt. Im 16. Jahrhundert gelangte die Handschrift über Mühlhausen im Elsaß in das schweizerische Benediktinerinnenkloster Hermetschwil (Besitzeintrag der Schwester Meliora Mucheim, später Priorin, gest. 1628), von dort über Joseph von Laßberg in die Fürstlich-Fürstenbergische Hofbibliothek in Donaueschingen, nach deren Verkauf 1994 nach Karlsruhe.

Inhalt:
1. S. 5–116 Hugo Ripelin von Straßburg, ›Compendium theologicae veritatis‹, deutsch

(rheinfränkische Version [A]; Prolog, Buch I–II, Kap. 11 [fragmentarisch])

2. S. 117–204 ›Bewährung, daß die Juden irren‹
3. S. 205–321 Meisterliedersammlung mit Melodien (›Donaueschinger Liederhandschrift‹, s. Nr. 76.7.1.)
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 322 Seiten (S. 1–3 leer, S. 4 ganzseitiges Bild), 280 × 208 mm, im 19. Jahrhundert neu gebunden, dabei Vertauschung der fünften mit der zweiten Lage (dadurch gestörte Reihenfolge: S. 5–28: ›Compendium‹, Prolog, Buch I, Kap. 1–11; S. 29–48: Buch II, Kap. 2–11; S. 49–96: Buch I, Kap. 19 bis Buch II, Kap. 2; S. 97–116: Buch I, Kap. 11–19). Zweispaltig, zwei ursprünglich selbständige Teile, jedoch größtenteils von einem Schreiber (Schreiber II hat nur 14 Liedstrophen und Noten geschrieben), schwäbische Bastarda, Überschriften, Buch- und Kapitelzählung rot, Großbuchstaben zum Teil rot gestrichelt, Schmuckinitialen.

Schreibsprache:

alemannisch.

II. Bildausstattung:

Bei Beginn des Prologs (S. 5) und der beiden ›Compendium‹-Bücher (S. 7 u. 92/93) große (zehn- bzw. 15-zeilige) Schmuckinitialen und vierseitige Blatt- und Blütenranken; bei jedem Kapitelanfang (im ›Compendium‹-Teil insg. 45) 5–7-zeilige Initialen rot, schwarz oder grün, häufig verziert, oft zusätzlich vor Kapitelbeginn eine Zierleiste oder Blumenranke quer über die Breite der Seite oder Spalte (S. 63 unten z. B. mit Erdbeeren); außer auf den unten aufgeführten Seiten Schmuckinitialen und/oder Ranken auch auf S. 7, 9, 11, 12, 15, 17, 22, 23, 24, 25, 29, 31, 33, 34, 38, 40, 43, 46, 48, 49, 52, 57, 58, 59, 61, 63, 64, 69, 70, 71, 73, 75, 78, 80, 83, 87, 90, 95, 97, 98, 101, 102, 104, 105, 107, 109, 113, 117. Ferner einige figürliche Darstellungen (s. u.), alles im naiven Stil der oberrheinischen Nonnenmalerei, zu der mehrere Handschriften aus dem Umkreis des Freiburger Klarissenklosters zählen (vgl. etwa die Heiligenleben-Handschriften Nr. 51.9.2., Nr. 51.11.2. und Nr. 51.19.3.). Die Herkunft aus dem Kloster Wonnental legt Steers (1975) Sprachbestimmung der Texte nahe; hinsichtlich der Malerei verweist er auf stilistische Parallelen in dem wesentlich älteren Wonnentaler ›Graduale Cisterciense‹ (Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. U. H. 1, um 1340–1350): Vor allem das Ziermedaillon mit der charakteristischen Halbfigur eines rückwärts gewandten Hundes dort Bl. 176vb entspricht genau demjenigen in Karlsruhe, Cod. Don. 120, S. 5 rechts unten. Das Graduale dürfte allerdings zwar in Wonnental geschrieben, aber in einer weltlichen Breisgauer Werkstatt illuminiert worden sein (vgl. Schlechter/Stamm [2000] S. 128, 442). Das Titelbildmotiv von Cod. Don. 120 mit der Totenerweckung des Elsässer Heiligen Maternus könnte Steer zufolge durch mehrere aus dem Elsaß stammende Wonnentaler Nonnen erklärt werden, die im 15. Jahrhundert belegt sind.

S. 4 ganzseitiges Bild: Totenerweckung des Hl. Maternus, Apostel des Elsaß, durch seinen Gefährten, den Hl. Eucharius, den ersten Bischof von Trier (beide Ende 3./Anfang 4. Jahrhundert als Missionare am Rhein). Auf einem Wiesenstück steht rechts Eucharius in karmesinrotem Mantel, mit Bischofsmitra, Nimbus und Krummstab (der Legende nach dem Stab des Hl. Petrus), den er über den links im offenen Grab sitzenden Maternus hält; dieser ist in ein Toten-hemd gehüllt und ebenfalls mit Nimbus. Das legendarische Wunder soll sich im linksrheinischen Ehl bei Benfeld im südlichen Elsaß zugetragen haben, wo eine Wallfahrt zum Grab des Maternus bis ins 18. Jahrhundert bezeugt ist. Die Totenerweckung mit dem Petrusstab ist bildlich auch im lateinischen ›Stuttgarter Passionale‹, 12. Jahrhundert (Stuttgart, Württembergische Landesbiblio-thek, Cod. bibl. fol. 56–58; vgl. Albert Boeckler: Das Stuttgarter Passionale. Augsburg 1923, Abb. 41), ferner in einem Druck von ›Der Heiligen Leben, Redaktion‹ (Straßburg: Bartholomäus Kistler, 1502, VD 16 L 977 ; Schramm [1920–1943/ 1981 ff.] Taf. 206 Abb. 2079) sowie auf Holzreliefs um 1500 (Reste des ehemaligen Hochaltars von St. Peter in Straßburg) dargestellt; vgl. Joseph M. B. Clauss: Die Heiligen des Elsaß in ihrem Leben, ihrer Verehrung und ihrer Darstellung in der Kunst. Düsseldorf 1935 (Forschungen zur Volkskunde 18/19), S. 59–61, 91–96, 215–218; Steer (1975) S. 209 f.; zur Eucharius/Maternus-Legende vgl. Konrad Kunze: ›Eucharius, Valerius und Maternus‹. In: 2VL 11 (2004 [2001]), Sp. 427 f. – Edition einer deutschen Fassung aus dem ›Provincia-Anhang‹ der ›Legenda aurea‹ von Konrad Kunze (Hrsg.): Die Elsässische Legenda aurea. Band II. Das Sondergut. Tübingen 1983 (Texte und Textgeschichte 10), S. 288–293 (Nr. 39). – Ein inhaltlicher Zusammenhang mit dem nachfolgenden Text ist nicht erkennbar.

S. 5 (Prologbeginn) rote Schmuckinitiale D, zehnzeilig, auf grün ornamentiertem Grund. Der Buchstabe mit blauem Zackenband verziert, im Binnenraum auf dunkelgrün-schwarzem Grund floraler Schmuck (hohe Gräser), darüber ein stilisiertes Gesicht. Auf allen vier Rändern ganzseitiger farbiger Rankenschmuck in gedeckten Farben (einfache Blätter, Blüten), am oberen und unteren Rand rot-grüne Zierleisten, in der rechten unteren Ecke kleines grünes Medaillon mit einem weißen Hund.

S. 6, untere Hälfte der rechten Spalte (etwa über den Schriftraum von 14 Zeilen, vor Beginn von Buch I) Darstellung des nackten Jesuskindes mit rotem Strahlennimbus, auf einer Blumenwiese sitzend, die rechte Hand auf einem Korb mit Blumen, links im Hintergrund ein Hügel mit einem Baum, am rechten vorderen Rand der Darstellung eine hohe Pflanze mit roten Blüten oder Früchten. Zusätzliche große weiße Blüten in farbigen Medaillons umrahmen die Darstellung an der linken Seite und oben. Um die darunter folgende Überschrift des ersten Kapitels (Das Gott ist) Zierrahmen (Schlingenmuster) in Braun und Rot.

S. 20, obere Hälfte der linken Spalte (etwa über den Schriftraum von 10 Zeilen, vor Buch I, Kap. 7: Das der heilig Geist ist): In einem braunem Rahmen Darstellung des nackten Jesuskindes mit rotem und gelbem Nimbus und vom Körper abgehenden Strahlen, auf gelb-grüner Wiese sitzend, rechts ein Fels mit einem Baum, links oben außerhalb des Rahmens die Taube des Heiligen Geistes (weiß mit braunen Konturen, rote Strichelung), die auf das Kind herabfliegt. Auf derselben Seite zwei Schmuckinitialen nach Kapitelüberschriften (rot bzw. rot-blau mit grüner Ornamentfüllung, in quadratischen Rahmungen, die mit einfachen Schlingenmustern in brauner Tinte gefüllt sind.

S. 35, linke Spalte oben nach der Überschrift zu Buch II, Kap. 7 (Von den planeten) große, 11-zeilige rote Schmuckinitiale S mit grünen Akanthusblättern, auf mit brauner Tinte in einfachem Schlingenmuster verziertem Hintergrund, der Buchstabe S als Darstellung der beiden Gesichter des Saturnus, jeweils im Profil gezeichnet (das obere Buchstabenende läuft in einem graubärtigen Gesicht aus, das untere in einem bartlosen jüngeren Gesicht mit auffallend großer Nase).

S. 92, linke Spalte unten zwei Blatt- und Blütenranken quer (Ende von Buch I), ebenso rechts oben (Überschrift: Beginn von Buch II), darunter auf einem Rasenstück stehende Figur (Christus) in langem karminroten Kleid, mit Nimbus, bärtig, in der rechten Hand ein Buch, das er vor der Brust hält, linke Hand im Zeigegestus, umrahmt von hoher Blume links und einer Erdbeerstaude rechts.

S. 93, linke Spalte (Beginn von Buch II) große 15-zeilige blaue Schmuckinitiale D auf mit rotbrauner Tinte in Schlingenmuster verziertem Rahmenhintergrund, im Binnenraum auf rotem Untergrund ein helles Mittelfeld mit kreuzförmigen grünen Blättern, an den äußeren seitlichen Rändern zwei Fabelwesen in grüner Farbe (links eine langgezogene hundsköpfige Figur mit Menschenbeinen, rechts ein Drache). Auf allen vier Rändern über die ganze Seite farbiger schwungvoller Rankenschmuck mit Blättern und vielfältigen Blütenformen.

Farben:

Braun, bläuliches Grün, Rot (Karminrot und Zinnober), Orangerosa, Blau, Gelb, Graubraun, Weiß.

Digitalisat:

urn:nbn:de:bsz:31-9129

Literatur:

Barack (1865) S. 123f. – Karl Bartsch: Meisterlieder der Kolmarer Handschrift. Stuttgart 1862 (Bibliothek des Litterarischen Vereins 68), S. 89–92; Georg Steer: Zur Entstehung und Herkunft der Donaueschinger Handschrift 120. In: Würzburger Prosastudien II. Festschrift Kurt Ruh. Hrsg. von Peter Kesting. München 1975 (Medium aevum 31), S. 193–210; Georg Steer: ›Donaueschinger Liederhandschrift‹. In: 2VL 2 (1980) Sp. 196–199; Steer (1981) S. 284–286, Taf. 14–20 (S. 5, 93 [!], 6 , 20, 227 [S-Initiale aus dem Liederteil], 35 [!]); Steer (1983) Sp. 259; RSM Bd. I (1994) S. 112 (m. weiterer Lit.); Armin Schlechter: Donaueschinger Liederhandschrift. In: Bewahrtes Kulturerbe. »Unberechenbare Zinsen«. Katalog zur Ausstellung der vom Land Baden-Württemberg erworbenen Handschriften der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek. Hrsg. von Felix Heinzer. Stuttgart 1993, 21994, S. 106 f. (Abb. von S. 280); Schlechter/ Stamm (2000) S. 128, 441–444, Abb. 9–12 (zu Karlsruhe, Bad. Landesbibliothek, Cod. U. H. 1).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 3: S. 4. Hugo Ripelin von Straßburg, ›Compendium theologicae veritatis‹: Bischof Eucharius erweckt Maternus von den Toten.

Abb. 4: S. 92. Hugo Ripelin von Straßburg, ›Compendium theologicae veritatis‹: Christus in Zeigegestus zwischen Blume und Erdbeerstaude.

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Abb. 3.
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Abb. 4.