KdiH

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26B.1.4. New York, The New York Public Library, Spencer Collection, Ms. 32

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 3

Datierung:

Um 1460–1465.

Lokalisierung:

Bodenseegebiet.

Besitzgeschichte:

Im 18. Jahrhundert in der Bibliothek der Grafen von Königsegg in Aulendorf (vorderer Innendeckel: Zur Gräfl. Bibliothek in Aulendorf gehörig), seit 1930 im Kunsthandel (München, Karl & Faber. Katalog 42: 350 Ausgewählte Manuskripte und Bücher. München 1930, Nr. 242), 1935 über den Buchhändler Charles Sessler (1854–1935) von der Public Library New York (Aster, Lenox and Tilden Foundation) angekauft.

Inhalt:
S. 1–505 Ulrich Richental, ›Chronik des Konstanzer Konzils‹

Handschrift A (sogenannte »Aulendorfer Handschrift«)

S. 1–311 Text- und Bildteil, S. 313–505 Teilnehmerlisten und Wappen

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 253 Blätter (paginiert rechts oben 1–505, S. [506] nicht numeriert, dazu vorn und hinten je vier ungezählte leere Blätter), auf dem ersten leeren Blatt Titeleintrag von späterer Hand: […] Constanzer Concilium von Ulrich Richental, 405 × 295 mm, Bastarda, zweispaltig, die Urkundenabschriften einspaltig, 34–35 Zeilen, eine Hand, durchgehend rubriziert (Strichelungen, Unterstreichungen), gelegentlich Überschriften am Kapitelbeginn in rot, zwei- bis dreizeilige rote Initialen.

Schreibsprache:

alemannisch mit bairischen Merkmalen.

II. Bildausstattung:

115 Seiten mit kolorierten Federzeichnungen als Textillustrationen (S. 11, 12–13, 15, 22, 26–27, 28, 48–51, 56, 70–71, 72–73, 74, 82–83, 84–85, 86–87, 88, 108–109, 110, 113–124, 135, 136, 137, 138, 139, 142, 157, 158–159, 160, 176–177, 180–181, 182, 183, 185, 187, 189, 202, 208–209, 218–219, 222, 223, 224–225, 226–227, 228–229, 230–231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244–245, 246–247, 248, 260–261, 262–263, 264, 268–269, 270–271, 273, 274–275, 276–277, 278–279, 280–281, 282, 310–311, 426–427, 428). Weiterhin sind in den Wappenteil eine Reihe von figürlichen Darstellungen integriert: Zu Beginn eine halbseitige Darstellung des frontal thronenden Papstes Johannes XXIII. (S. 313) und seiner 28 Patriarchen und Kardinäle (S. 314–323), gefolgt von Papst Gregor XII. mit 15 Patriarchen und Kardinälen (S. 324–328). Weitere Persönlichkeiten folgen: Erzbischof Franziskus von Ravenna (S. 332), Erzbischof Nikolaus von Gnesen (S. 356) und ein Halbporträt des Erzbischofs Georg von Kiew mit zwei Begleitern (S. 380). In den Text integriert 72 Wappen: S. 5 (Wappen der sieben Kurfürsten), S. 29, S. 39 und S. 265 (je drei, ein und zwei Wappen Konstanzer Bürgermeister) sowie zwei mehrseitige Wappentafeln (S. 203–206 29 Wappen von Patriarchen und Kardinälen, S. 211–214 30 Wappen der Papstwähler). Die folgenden Wappentafeln versammeln 673 Wappen, von denen nur einige wenige nicht ausgeführt wurden. Einige größere Freiräume und leere Seiten (S. 6, 75, 89, 143, 191, 207, 279, 312).

Format und Anordnung:

Die überwiegend ganzseitigen Illustrationen sind häufig als Doppelseite konzipiert (S. 12–13, 26–27, 70–71, 72–73, 82–83, 84–85, 86–87, 108–109, 158–159, 176–177, 180–181, 208–209, 218–219, 224–225, 226–227, 228–229, 230–231, 244–245, 246–247, 260–261, 262–263, 268–269, 274–275, 276–277, 278–279, 280–281, 310–311, 426–427). Einige Darstellungen bilden mehrseitige Bildfolgen, wie der Einzug des Papstes in Konstanz (S. 26–28) oder die Fronleichnamsprozession (S. 113–124). Nur in Ausnahmen finden sich kleinere Bildformate (z. B. S. 56, 142, 260, 268) oder eine Unterteilung der Bildfelder in Register (S. 26, S. 48–51). Darstellungen, die in anderen Exemplaren wie etwa dem Konstanzer Exemplar (Nr. 26B.1.3.) nur halbseitig oder in zwei Register unterteilt zu finden sind, werden hier bevorzugt ganzseitig gezeigt, z. B. die Verleihung der Inful an den Abt von Kreuzlingen (S. 22), Sigismund stellt die goldene Rose auf den Altar (S. 88), die Szenen zum Prozeß gegen Jan Hus (S. 135–139) oder die Darstellung des Leichenzuges und der Totenmesse für den Kardinal von Bari (278–281). Auf eine Rahmung wird gewöhnlich verzichtet, öfters findet sich eine Bildbegrenzung mit einfacher Linie in schwarzer Feder. Doppelseitige Illustrationen werden zumeist nur an den äußeren Begrenzungen eingefaßt. Nur in wenigen Fällen wird ein Architekturrahmen angedeutet, z. B. S. 12–13, S. 88.

Die Serien der Patriarchen und Kardinäle (S. 314–328), die den beiden Päpsten Johannes XXIII. und Gregor XII. zugeordnet sind, stimmen im Aufbau überein. Auf der linken Blatthälfte zeigen jeweils zwei bis drei gerahmte Bildfelder übereinander einen Kirchenfürsten, der im Gebet vor einem Pult mit aufgeschlagenem Buch kniet, begleitet von seinem Wappen, sowie auf der rechten Seitenhälfte eine Namensbeischrift.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Textillustrationen wurden durchweg mit dünner schwarzer Feder ausgeführt, die Zeichnung beschränkt sich weitgehend auf eine fließende Konturlinie und sehr sparsame Binnenstrukturen aus wenigen weit auseinander gesetzten Strichlagen, Schraffuren oder seltenen Kreuzlagen. Die Darstellungen konzentrieren sich vorrangig auf die Wiedergabe der Figuren auf einem undifferenzierten Landschaftsterrain, wobei sie über großzügige Proportionen mit einer Tendenz zu gelängten Gliedmaßen verfügen und sich trotz der geringen Ausarbeitung durch eine große Vielfalt an Physiognomien und Gesichtsausdrücken auszeichnen. Architekturen und Räume werden kursorisch behandelt und oftmals nur in Umrissen angedeutet, im Detail aber nicht ausgearbeitet, dies allerdings mit schlüssiger Perspektive (z. B. Kachelboden S. 22, Gebäude S. 218–219 und S. 224–225, Arkadenbögen S. 264, 269). Die geschickte tiefenräumliche Staffelung der Personengruppen sowie die perspektivische Stimmigkeit der Architekturen lassen auf die Kenntnis niederländischer Vorbilder schließen und eine besondere Nähe zum Original Ulrich Richentals vermuten (vgl. Pächt [1952/53] S. 177 Anm. 14, Fischel [1959] S. 328 f.).

Für die Kolorierung, bzw. Lavierung der Zeichnungen wurden kräftige Farbtöne in starker Verdünnung bevorzugt, die die Zeichnung durchscheinen läßt. Die Farbe füllt dabei die Umrißlinie meist gleichmäßig aus, so daß die Farbverteilung in der Bildfläche für Variation sorgt. Nur bei weißen Gewändern oder Architekturteilen wird eine Schattierung angestrebt, indem einige Partien koloriert werden, bei anderen der Papiergrund stehen bleibt. Bei den größeren Freiräume und leeren Seiten handelt es sich wohl zum Teil um nicht genutzten Frei raum für Illustrationen, da sie sich zumeist im Anschluß an Bildsequenzen finden. So sind z. B. S. 6 unter der Überschrift Die Fürsten die Wappen der sieben Kurfürsten gezeigt, die erst auf S. 7 unter dem Titulus: Die Wappen der fürsten die erwelln söllen ain Roemischen küng gaistlich und weltlich hätten erscheinen sollen. Auf S. 191 steht der Titulus Hie bott unser her der küng ain törinen die hand hieß alli mit dem ars, die Illustration findet sich aber schon auf S. 189.

Die Handschrift wurde zunächst als bereits um die Jahrhundertmitte entstandene Abschrift eingeordnet und wird daher zumeist als das älteste der erhaltenen Exemplare geführt (Buck [1882] S. 1; Kautzsch [1894b] S. 447: »nicht vor 1450«; Küp [1940] S. 8: 1450–1460). Die verschiedenen neueren Datierungen, die durchweg auf stilistischen und kostümgeschichtlichen Argumenten beruhen, konzentrieren sich auf die Jahre zwischen 1460 und 1465 (Fischel [1964] S. 44: »um 1460«; Konrad, in: Buchmalerei im Bodenseeraum [1997] S. 288: »um 1462/63«; Wacker [2002] S. II: »um 1465«). Jeffrey Hamburger verweist allerdings darauf, daß vergleichbare Wasserzeichen erst um 1480 nachzuweisen sind (Splendor of the Word [2005] S. 382).

Bereits Kautzsch (1894b, S. 484 f.) nimmt die Herstellung der Handschrift in einer Werkstatt an, die Fischel (1964, S. 45) aufgrund stilistischer Vergleiche ins Bodenseegebiet, Wacker (2002, S. II) nach Überlingen lokalisiert.

Bildthemen:

Beim Vergleich der dargestellten Bildthemen hat bereits Rudolf Kautzsch (1894b, S. 496) eine Reduktion festgestellt, die er zumindest teilweise auf Fehler des Schreibers zurückführt; vergleichende Bildthementabellen bei Kautzsch (1894b) S. 492–495, Wacker (2002) Anhang I, Buck (2004) S. 438–443; Auflistung der dargestellten Themen bei: Küp (1936) S. 308–310, Wacker (2002) S. II f., Splendor of the Word [2005] S. 385 (Jeffrey Hamburger). Neben dem Sturz des päpstlichen Reisewagens auf dem Arlberg fehlen weitere Illustrationen, die einen konziliaristischen Standpunkt bekräftigen könnten – wie die erste Sitzung des Konzils im Münster – oder auf die persönliche Geschichte des Papstes verweisen – wie die Flucht Friedrichs von Österreich oder die Verfluchung Papst Benedikts, die in den Handschriften Konstanz, ehemals St. Petersburg und Wien vorhanden sind (Nr. 26B.1.3., Nr. 26B.1.5., Nr. 26B.1.8.). Gisela Wacker (2002, S. 231–235) unterstreicht, daß daher vielmehr an eine bewußte Auslassung kritischer Bilder zu denken ist, zumal einige der zusätzlichen Bildthemen wie der Umzug der Kardinäle (S. 248), die Übermittlung von Supplikationen an den Papst (S. 260–261), die Pfründenverleihung (S. 262–264), die über vier Seiten ausgebreitete Krönung Sigismunds (S. 268–271) und der abschließende Segen des Papstes (S. 310–311), die sonst nur das Prager Exemplar enthält (Nr. 26B.1.6.), zumindest auf die Präsentation eines harmonischen Miteinanders geistlicher und weltlicher Macht zielen. Gleichwohl sei eine reformfreundliche Tendenz mit antirömischem Einschlag zu bemerken, worauf die deutliche Anlehnung der Darstellungen zum Prozeß gegen Jan Hus an Ikonographien der Passion Christi verweise.

Auf eine besondere Hervorhebung der kirchlichen Rolle deutet auch die Ausstattung des Wappenteils hin: Zum einen enthält er eine Reihe figürlicher Darstellungen der Päpste, der betenden Erzbischöfe und Kardinäle, zum anderen wird eine Vielzahl der Wappen der geistlichen Teilnehmer von Büsten der Amtsträger bekrönt und wurden schließlich auch die Wappen der teilnehmenden Universitäten aufgenommen (S. 411–417). Als Auftraggeber läßt sich daher ein Geistlicher annehmen, für den Gisela Wacker eine asketisch-reformerische Grundhaltung vermutet.

Farben:

Rot, Rosa, Blau (Azurit), mehrere Grüntöne: helles, deckendes Grün mit Blaustich, Olivgrün (verstärkt im hinteren Teil der Handschrift), Ocker, Grau in verschiedenen Schattierungen, Schwarz.

Faksimile:

Ulrich von Richental. Concilium zu Costentz 1414–1418, Lichtdruckausgabe, hrsg. von Hermann Sevin, o. O., o. J. [Karlsruhe 1881].

Literatur:

Michael Richard Buck: Über Ulrich Richental’s Chronik des Konstanzer Konzil’s. In: Verhandlungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben, Neue Reihe Heft 3, Ulm 1871, S. 1–4; Kautzsch (1894b), S. 447–448. 452–457. 483–485. 496; Brandt (1913) S. 3–14, zahlreiche Abb. (S. 8–9, 24–25, 56, 33, 40–41, 55, 56–57, 69, 71, 72–73, 77, 88–89, 101, 104–105, 115, 120–121, 126, 127, 136–137); Lehmann-Haupt (1929) S. 94; de Ricci (1937) S. 1342, Nr. 32; Karl Küp: Ulrich von Richental’s Chronicle of the Council of Constance. Bulletin of the New York Public Library 40, Nr. 4 (1936), S. 302–320, Abb. S. 302. 307. 311 (S. 56, 73 Ausschnitt, 231, 242); Küp (1940) S. 1–16; Illuminated Books of the Middle Ages and Renaissance (Ausstellungskatalog Baltimore Museum of Art 1949). Baltimore 1949, S. 54, Kat. Nr. 147, Taf. 54 (S. 56); Pächt (1952/53) S. 177 Anm. 14; Fischel (1959) S. 322. 325. 328 f.; Taf. 2. 5. 6. (S. 176–177, S. 86–87, S. 144–145); Fischel (1964) S. 43–45. 58 f., Farbtaf. I (S. 115), Abb. 14–15 (S. 86–87, S. 176–177); Astrik L. Gabriel: The Significance of the Book in Medieval University Coats of arms. Chapel Hill 1967, Abb. 1–7 (S. 411–417); Konrad (1997) S. 116–120; Buchmalerei im Bodenseeraum (1997) S. 288, Kat. Nr. KO 40 (Bernd Konrad) mit Abb. (S. 227); Buck (1998) S. 68–70; Wacker (2002) S. 231–235, S. I–III, Abb. 1. 9. 17. 22. 27. 33. 34. 37. 62. 69. 71. 95. 99. 100. 115. 130 (S. 114, 428, 50–51, 86–87, 56, 124, 12–13, 70–71, 48–49, 113, 276–277, 22, 72–73, 74, 135, 138–139); Buck (2004) S. 411–443; Splendor of the Word (2005) S. 382–386, Kat. Nr. 89 (Jeffrey Hamburger), Farbabb. S. 383 f. (S. 50–51, S. 72–73); Sigismundus (2006) Kat.-Nr. 5.22, S. 455–456; Thomas Martin Buck: Von Konstanz über Aulendorf nach New York. Zur Text- und Rezeptionsgeschichte einer oberschwäbischen Richental-Handschrift. Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 125 (2007), S. 3–19.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Farbabbildungen (New York Public Library): S. 1, 48-49, 50-51, 72-73, 86-87, 138-139, 142, 182, 226-227, 231, 240-241, 242-243, 244-245, 265, 273, 274-275, 276, 359, 380-381, 438, 463, 505

Abb. 193: S. 271. Eid Sigismunds.

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Abb. 193.