KdiH

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53.0.3. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 15478

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 6

Datierung:

Um 1480–1490.

Lokalisierung:

Vorderösterreich (Becker [1977] S. 157) oder Nürnberg (Hoffmann [1979]).

Besitzgeschichte:

Erster bekannter Besitzer war der Nürnberger Bürger Lienhart Scheubel (Wappen 1r). – 1856 im Piaristen-Kollegium St. Thekla auf der Wieden in Wien aufgefunden (Springeth [2007] S. 21), nicht, wie in der älteren Forschung häufig angegeben, im Piaristen-Kollegium St. Joseph (so auch noch bei Menhardt 3 [1961] S. 1430); seit 1876 im Besitz der Hofbibliothek.

Inhalt: ›Linhart Scheubels Heldenbuch‹ (sog. ›Wiener Piaristenhandschrift‹)
1r Wappen (rotes Kreuz auf blauem Grund) und Spruchband Das buech vnd bethschafft sol nymant hassen / ist linharcz schewbels an der prayten gassen.
1. 1v, 2r–155v Titelbild, ›Virginal‹
Hs. V12
2. 156v, 157r–159v Titelbild, ›Antelan‹
Unikal
3. 160r–183v ›Ortnit‹, (Ortnit D)
Hs. y
4. 184r–290r ›Wolfdietrich‹, (Wolfdietrich D)
Hs. y
5. 291v, 292r–388r Titelbild, ›Nibelungenlied‹ Teil 1
Hs. k
6. 389r–496v ›Nibelungenlied‹ Teil 2
Hs. k
7. 497r–516r ›Lorengel‹
Hs. W
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 516 Blätter plus je ein ungezähltes Vor- und Nachsatzblatt. Die Handschrift entstand in zwei Etappen: Die Texte 3–7 der Handschrift wurden zuerst geschrieben und waren als einzelne Faszikel in Umlauf; originale Blattzählung in roter Tinte in der Mitte des oberen Blattrandes erhalten, die Zählung beginnt bei 3 (Blatt 163, ›Ortnit‹), endet mit 335 (Blatt 495, ›Nibelungenlied‹ Teil 2) und enthält mehrere Doppelzählungen. Die Texte 1 und 2 wurden wohl etwas später, um 1490, hergestellt, dabei zugleich die Anfangsseiten der bestehenden Stücke ersetzt (die Blätter 160–162, 184–186, 292, 389, 497–498) und der Buchschmuck des gesamten Bandes ausgeführt. Von den drei Bleistiftzählungen des 19. und 20. Jahrhunderts ist jene am oberen Blattrand rechts in der Literatur und im Folgenden maßgeblich, sie ersetzt eine gleichlaufende nun aus-radierte Foliierung am unteren Blattrand, mit der die ältere, nunmehr durchgestrichene Foliierung am oberen Blattrand rechts korrigiert wurde (Menhardt 3 [1961] S. 1429), Blattverluste: ein Blatt nach 10, zwei Blätter zwischen 242 und 243, je ein Blatt nach 290 und 498, zwei oder drei Blätter nach 506. 205 × 150 mm, einspaltig (Einrichtung des Schriftspiegels mit Griffel vorgezeichnet, nicht auf den Blättern 160–162, 163–183, 187–290, 388, und in Text 7), Bastarda, eine Hand, überwiegend 24 Zeilen, Verse abgesetzt, Strophenzählung teilweise des 15. Jahrhunderts in Rot, teilweise des 19. Jahrhunderts in Bleistift (detailliert Menhardt 3 [1961] S. 1429f.). Die Textanfänge ausgezeichnet mit roten Überschriften, Deckfarbeninitialen auf Goldgrund und Randleisten.

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch mit alemannischen Merkmalen.

II. Bildausstattung:

Ein Wappenbild (1r) sowie drei ganzseitige kolorierte Federzeichnungen als Titelillustrationen zu den Texten 1, 2 und 5 (1v, 156v, 291v). Sieben Deckfarbeninitialen auf Goldgrund mit Rankenbordüren (2r, 157r, 160r, 184r, 292r, 389r, 497r), von einer Hand einheitlich gestaltet: Blauer Unzialbuchstabe mit weißgehöhtem Ornament vor Goldgrund, rot-grüner Rahmen, als Randleisten schlichte Ranken mit vereinzelten stilisierten Blüten, Gold- bzw. Silberauflage oxidiert.

Format und Anordnung:

Die ganzseitigen Illustrationen mit einfachem roten Rahmen als Titelbilder jeweils auf der Versoseite dem Textbeginn gegenübergestellt. Die einheitliche Gestaltung der jeweils ersten Textseite mit Deckfarbeninitiale und Rankenbordüre legt ein durchgehendes Konzept für den gesamten Band nahe und wirft die Frage auf, ob außer den drei erhaltenen Titelbildern ursprünglich auch – wie beim Dresdner Heldenbuch (Nr. 53.0.2.) – für die übrigen Texte Titelillustrationen vorhanden waren (›Ortnit‹: vor Blatt 160; ›Wolfdietrich‹: vor Blatt 184; ›Lorengel‹: vor Blatt 497); am erhaltenen Bestand lässt sich dies aber nicht mehr entscheiden.

Bildaufbau und -ausführung:

Titelillustrationen in einfacher, aber flüssig und sicher ausgeführter Federzeichnung mit kräftiger, vereinzelt mit Pinsel nachgezogener Konturlinie, kaum Binnenzeichnung. Nur ausnahmsweise Schraffuren wie etwa beim Kleid der Virginal (1v). Nicht immer stimmige Körperproportionen bei Menschen und Tieren, auffällig kleine Köpfe und relativ große Füße etwa sind ebenso zu beobachten wie unpassende Größenverhältnisse der Figuren zueinander oder eine ungeschickte Einbindung der Figuren in die Landschaft, vgl. etwa die sitzende Virginal (1v). Sorgfältig ausgeführte Kolorierung mit einer Kombination aus teils lavierendem Farbauftrag (Ocker, Rosa, Grau), bei dem der Papiergrund vielfach sichtbar bleibt, und Deckfarben, vor allem Grün für Landschaftsterrain und Rot für Zaumzeug, Schabracken o. ä.

Bildthemen:

Die Illustrationen bieten jeweils eine Kompilation mehrerer Erzählmomente und zeugen von detaillierter Textkenntnis.

– ›Virginal‹ (1v): Befreiung der Jungfrau, die Königin Virginal als jährlichen Tribut an den Heiden Orgeis vor ihrer Höhle ausliefern muss, durch Hildebrand, den getreuen Waffenmeister Dietrichs von Bern. Die Jungfrau Madius ist zweimal dargestellt: Einmal harrt sie mit demütiger Geste im Eingang der Höhle ihres Schicksals, ein zweites Mal hockt sie im Mittelgrund am Boden, während einer der Hunde, die Orgeis auf sie losgelassen hat, an ihrem Kleid zerrt (dem Handlungsverlauf nach ergreift Hildebrand, der die klagende Jungfrau zuvor entdeckt hatte, zwei der Hunde, knüpft sie an den Schwänzen zusammen und hängt sie in einen Baum [vgl. Strophe 124], noch bevor Orgeis erscheint). Hildebrand steht hinter der kauernden Jungfrau mit zwei Hunden in der linken Hand, während seine Rechte mit dem erhobenen Schwert dem heranreitenden Orgeis gilt, den er im Kampf besiegen und enthaupten wird. Beide Gegner tragen vergoldete Rüstungen, Hildebrands Schild zeigt mit einem roten Löwen auf goldenem Grund das Wappen Dietrichs (Strophe 40), nicht die drei goldenen Wölfe seines Banners (z. B. Strophe 496). Orgeis’ Ausrüstung entspricht bis auf sein Wappen der Schilderung im Text: Seine Helmzier zeigt Apoll und Terfiant, zwei der vier Abgötter, auf deren Hilfe er vertraut (Strophe 94–95), sein Schild allerdings einen goldenen Greif auf blauem Feld, nicht das im Text genannte rote Rad (Strophe 6, 93); vgl. auch Nr. 29.6.3. mit Abb. 50.

– ›Antelan‹ (156v): Antelan und Parzival in zwei Szenen. Im Hintergrund erscheint der Zwergenkönig Antelan auf einer Anhöhe über dem Zeltlager des König Artus, wo Parzival ihn entdeckt und sich auf ein Streitgespräch mit ihm einlässt. Im Vordergrund findet der Zweikampf zwischen dem Zwergenkönig rechts und dem von links anreitenden Artusritter statt, bei dem Parzival (und in der Folge auch seine hier nicht dargestellten Begleiter Gawan und Galleman) von dem Zwerg aus dem Sattel gehoben werden; vgl. Nr. 5.0.1. mit Abb. 121).

– ›Nibelungenlied‹ (291v): Ermordung Siegfrieds an der Quelle. Während Siegfried sich zum Trinken über die steingefasste Quelle beugt, durchbohrt Hagen ihn mit seinem Speer unterhalb der linken Schulter. Die Interpretation der beiden weiteren Personen ist nicht eindeutig, zumal ihre Physiognomie kaum unterschieden ist. Dem Text nach nehmen nur König Gunther und Hagen von Tronje, beide ohne Waffen und nur mit ihren Hemden bekleidet, an dem Wettlauf zur Quelle teil. Ob daher auf der linken Seite nun Hagen im Gespräch mit Gunther, Gunther und Gernot (vgl. Springeth/Müller [1999] S. 24f.) oder vielleicht dreimal Hagen gemeint ist, wie er sich mit dem Speer Siegfrieds nähert, zusticht und sich nach dem Mord abkehrt, bleibt unklar.

Farben:

Bestimmend sind Grün (Landschaftsdetails), Rot (Zaumzeug u. ä.) sowie die zwischenzeitlich oxidierten Metallfarben Gold und Silber, weiterhin Ocker, Rosa, Grau in laviertem Farbauftrag.

Literatur:

Menhardt 3 (1961) S. 1426–1430. – Justus Lunzer Edler von Lindhausen: Ortnit und Wolfdietrich nach der Wiener Piaristenhandschrift, Tübingen 1906 (BLV 239), S. 1–57; Gotik in Österreich (1967) Kat.-Nr. 423, S. 424f.; Xenja von Ertzdorff: Linhart Scheubels Heldenbuch. In: Festschrift für Siegfried Guttenbrunner. Hrsg. von Oskar Bandle u. a. Heidelberg 1972, S. 33–46; Becker (1977) S. 156–158; Heinzle (1978) S. 333; Werner Hoffmann: Die spätmittelalterliche Bearbeitung des Nibelungenliedes in Lienhart Scheubels Heldenbuch. Germanisch-Romanische Monatsschrift NF 29(=60) (1979), S. 129–145; Ott (1984) S. 373; Ott (1987a) S. 251f., Abb. 4 (184r), 5 (291v); Ott (1995) S. 71 und Anm. 79, Abb. S. 70 (291v); Manfred Günter Scholz: Antelan (König Anteloy). In: 2VL 1 (1978), Sp. 396f.; Lorengel. Edité avec introduction et index par Danielle Buschinger; mélodie éditée par Horst Brunner. Göppingen 1979 (GAG 253), S.VIIIf.; Thomas Cramer: Lorengel. In: 2VL 5 (1985), Sp. 907–909 und 2VL 11 (2004), Sp. 926; Heinzle (1999) S. 44, 136f.; Springeth/Müller (1999) S. 289–306, Abb. S. 293 (157r), 295 (156v); Kofler (2001) S. 7; »Uns ist in alten Mären …«. Das Nibelungenlied und seine Welt. Ausstellung im Badischen Landesmuseum Schloß Karlsruhe 13.12.2003 − 14.3.2004. Hrsg. von der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe und dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe. Darmstadt 2003, S. 203f., Kat.-Nr. 204 (Lothar Voetz), Abb. S. 303 (292r); Klein (2003) S. 233; Lothar Voetz: Die Nibelungenlied-Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts im Überblick. Mit einem Anhang zur Bebilderung des ›Hundeshagenschen Codex‹ (b). In: Die Nibelungen. Sage – Epos – Mythos. Hrsg. von Joachim Heinzle, Klaus Klein und Ute Obhof. Wiesbaden 2003, S. 283–305, hier S. 295f. und Abb. 34–35 (291v, 387v); Miklautsch (2005) S. 67–69; Springeth (2007) S. 21–25; Millet (2008) S. 425f., Abb. 16 (291v); Björn Michael Harms: Der Artushof dankt ab. Heldenepisches Erzählen im »Antelan«. Mit einer Edition und einer Übersetzung. Freiburger Universitätsblätter 183 (2009), S. 75–97; Gisela Kornrumpf: Lienhart Scheubels Heldenbuch. In: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2., vollständig überarbeitete Auflage, hrsg. von Wilhelm Kühlmann u. a. Bd. 10. Berlin / New York 2011, S. 321f.

Siehe auch unter Stoffgruppe 5. ›Antelan‹, 26.6. ›Virginal‹, 96. ›Nibelungenlied‹.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. 53.Ia: 156v. Antelan.

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Taf. 53.Ia.