38.7.4. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 3711
Bearbeitet von Rainer Leng
KdiH-Band 4/2
1522 (59r) und 1523 (42r, 45r, 51r).
Augsburg.
1522/1523 von Jörg Wilhalms hutters kunst zu augspurg (51r, ähnlich 101v) gefertigt, wahrscheinlich Bestandteil der Bibliothek des 1582 gegründeten Augsburger Jesuitenkollegs (Nrº 230 Bibl. Jesuit. A. Vind. 53/4 im vorderen Innendeckel), 1807 durch Docen nach München überführt, weitere Vorbesitzer sind nicht bekannt.
1. | 1r |
Johannes Liechtenauer, ›Kunst des langen Schwerts‹ mit Glossen von Jörg Wilhalm
›Jungk Ritter lerne gott lieb haben vnd frawen Eren Red frawen wol vnd bis manlich‹ |
2. | 2r–42r |
Bildkatalog Kampf Ungewappneter zu Fuß mit dem langen Schwert, mit gereimten Beischriften
›Wer auf dich will hawen / versechen sols dich frawen ‹ |
3. | 43r–51r |
Johannes Liechtenauer, ›Kunst des langen Schwerts‹ mit Glossen von Jörg Wilhalm
›Ein gut gemein ler des langen schwercz. Wiltu kunst schawen so bis lingks vnd rechts haben vnd lingk mit rechtem ist das du starckh begerst zu fechten ‹ |
4. | 52r–58v | Bildkatalog Kampf Gewappneter zu Fuß mit dem langen Schwert, ohne Beischriften, 58ar Karikatur: Kampf zweier Geistlicher mit Holzschilden und Keulen, 58av Kampf halbnackter Männer zu Fuß mit dem Messer |
6. | 59r–102r |
Jörg Wilhalm, Fechtbuch
59r ein Fechter zwischen einem Reichen und einem Armen ›1522 Hie stond drey person ain Raicher, ain starker ain schwacher. Wan hatt der Reich weder kunst noch wicz‹ 59v knieender Gewappneter mit Spruchband ›Hilff herr du ewigs wortt hilff hie vnd der Sel dortt‹ 60r ein Ungewappneter mit einem über einer einer Stange getragenen Überwurf ›Hie fiertt der maister Sein herrn Ein in die schrancken vnd wie er Sich haltten Sol‹ 60v–84r Kampf zu Fuß im vollen Harnisch mit dem langen Schwert, einschließlich Ringen, Entwinden der Waffen, Wiederaufnahme, Halten, Töten oder Fesseln ›Hie komend die zwen in die schrancken zu samenn vnd wie Sy den kampff volenden willen‹ 61r ›Das ist der erst hut vnd Stand. Item so du ainen zu kampff lernen wilt‹ 85r–102r Kampf zu Pferd im vollen Harnisch (teils ein Gewappneter gegen einen Ungewappneten) mit dem langen Schwert und Lanzen einschließlich Ringen ›Item So du vermercken wilt vnd wilt die Riterlichen kunst lernen zu Ross kempffen vnd fechtent‹ |
Papier, 163 Blätter (Foliierung von der Hand des Schreibers, 19 nicht foliierte Blätter vor 1, 10 nicht foliierte Blätter nach 51, 27 nicht foliierte Blätter nach 58a, ein nicht foliiertes Blatt nach 84, vier nicht foliierte Blätter nach 102), 310 × 220 mm, Kursive des 1. Viertels des 16. Jahrhunderts mit starken Anklängen an ältere Bastarda von einer Hand (Jörg Wilhalm?), Schreiber übereinstimmend mit Augsburg, Cod. I.6.2º2, 2r–49r (Nr. 38.7.1.), einspaltig 1r 24 Zeilen, sonst Beischriften von 3–12 Zeilen, keine Lombarden, Initiale mit einfachem Flechtwerk nur 26v, nicht rubriziert.
schwäbisch.
201 Federzeichnungen in Aquarell und Deckfarben von vier Zeichnern, Zeichner I: 2r–42r (Jörg Wilhalm?, das Monogramm I R mit dem dazwischenliegenden Zunftwappen der Augsburger Maler [Eduard Zimmermann: Augsburger Zeichen und Wappen. Augsburg 1970, 1638 ff.] 51r könnte auch auf einen unbekannten Augsburger Monogrammisten hinweisen, Zeichner übereinstimmend mit Augsburg, Cod. I.6.2º2 [Nr. 38.7.1.], 2r–41r), Zeichner II: 52r–58av, Zeichner III: 59r–101v (übereinstimmend mit Augsburg, Cod. I.6.4º5 [Nr. 38.7.3.], 3r–26r), Zeichner IV: 102r; dazu eine nicht kolorierte Federzeichnung Wappen mit Monogramm I R, Schrifttafel und Zunftwappen Kelle und Hammer 51r.
2r–42r 150 mm hohe und mit einer Linie abgeteilte Abbildungen auf der oberen Seitenhälfte mit darunterstehenden Erläuterungen mit direktem Textbezug, 52r–58av jeweils zwei 150 mm hohe halbseitige und mit Linie abgeteilte textlose Abbildungen pro Seite (58av [1]), 59r–60r 230–250 mm hohe und mit einer Linie abgeteilte Abbildungen im oberen Seitenteil mit kurzen Beischriften darunter bzw. im Freiraum (nur 59v), 60v–101v 160–195 mm hohe und mit Linie abgeteilte Abbildungen in der oberen Seitenhälfte mit Beischriften mit unmittelbarem Bildbezug, 102r zwei 120 mm hohe und mit Linie abgeteilte Abbildungen mit kurzen Beischriften darunter.
Sämtliche Abbildungen zeigen auf stark hügeligen Rasengrund gestellte Kämpferpaare ohne Schattenwurf oder Hintergründe, durchgehend statische Figuren mit gelegentlichen Haltungs- und Proportionsschwächen, grob skizziert und mit starkem Federstrich; 2r–42r Fechterpaare in gebauschten und außerordentlich bunten Gewändern mit zahlreichen verschiedenen Musterungen und angedeuteten Verzierungen und Applikationen 5r, 6r, 8v, 10v u. ö.), sehr stark mit leuchtenden Farben deckend koloriert; 52r–58av grobschlächtige und statische Gewappnete mit schraffierend eingesetzter Kolorierung, die Waffenröcke nahezu deckend; 60v–84r grob skizzierte Kämpfer mit sparsamer Lavierung, lediglich einer mit kräftiger koloriertem Waffenrock; 85r–101v ebenfalls nur grob skizzierte Reiterkämpfer, nur schwach laviert, kräftigere Kolorierung nur für Zaumzeug und Pferdedecken, kräftiger koloriert nur der Nachtrag 102r; der erste Teil der Handschrift mit regelmäßig wechselnder Personendarstellung, auffällige Individualisierungsversuche der ansonsten kaum auseinanderzuhaltenden Gewappneten regelmäßig ab 60v durch Kolorierung nur eines Kämpfers bzw. durch abweichende Satteldecken der Pferde.
Insgesamt weitgehend übereinstimmend mit den anderen Handschriften aus dem Besitz bzw. aus der Feder Jörg Wilhalms; Bildprogramm 52r–102r deutlich der ›Gladiatoria‹ entlehnt, besonders gut erkennbar an den gezaddelten Waffenröcken 52r–58av; auffällig „derb-witzige Charaktere in bunter, nicht alltäglicher Bekleidung“ (
Grün, Rosé, Schwarz, Blau, Gelb, Rot, Ocker, Blau.
Abb. 40: 37r. Jörg Wilhalm, Fechtbuch: Kampf mit dem langen Schwert, mit Fasnachtselementen.
Abb. 41: 59r. Jörg Wilhalm, Fechtbuch: allegorische Szene über den Nutzen von Können und Mut für die Schwachen.