93.1. Jan van Ruusbroec, ›Die geestelike brulocht‹, oberdeutsch
Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser
KdiH-Band 9
Von dem Hauptwerk des niederländischen Mystikers Jan van Ruusbroec (1293−1381), ›Die geestelike brulocht‹ (›Die geistliche Hochzeit‹), das kurz vor 1350 entstand, existieren in mittelniederländischer Sprache zwei Redaktionen und 36 Textzeugen, davon sind 13 vollständig. Es wurde bereits um 1350 auch am Oberrhein bekannt und ins Alemannische übersetzt, wohl durch Vermittlung Johannes Taulers (in Straßburg oder Basel; vgl.
Die mystische Lehre des Werkes, das dem Aufbau eines scholastischen Sermo folgt, handelt, ausgehend von einem biblischen Spruch aus dem Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (Sehent, der brútegoͮm kummet, gont vs ime engegene, Mt 25,6) von den drei Lebensformen (dem tätigen, dem inneren und dem kontemplativen, schouwenden Leben), die den traditionellen drei Stufen des mystischen Aufstiegs entsprechen. Vgl. zum Inhalt
Die alemannische Übersetzung ist in fünf erhaltenen oberdeutschen Handschriften ganz, in sieben weiteren teilweise überliefert; außerdem gibt es Auszüge unter dem Namen Rulman Merswins in drei Handschriften, darunter das oben genannte ›Große deutsche Memorial‹ (122r−130r, Nr. 44.2.1). Drei weitere Straßburger Handschriften sind als verloren bezeugt.
Eine der vollständigen deutschen Handschriften ist mit einigen Schmuckinitialen, darunter mit einer figürlichen Initiale ausgestattet, deren Textbezug jedoch nicht eindeutig ist. Eine weitere Handschrift ist nur in ihrem Hauptteil, einer Bibelübersetzung, mit reichem Bildschmuck versehen (Zürich, Ms. Car. VIII 3, siehe Nr. 6.2.6. und Nr. 14.0.23.). Sie überliefert im Anschluss daran die ›Brulocht‹-Übersetzung in Teilen, kombiniert mit weiteren geistlich-mystischen Texten; dabei wird ›Von den vier bekorungen‹ einem heiligen einsidel und priester zugeschrieben, womit hier Ruusbroec gemeint ist, während der Text anderwärts aber auch unter dem Namen Taulers überliefert ist (vgl.
In einigen niederländischen Handschriften dagegen wird Ruusbroec selbst mit Schreibtafel unter einem Baum im Wald dargestellt, über ihm die Taube des Hl. Geistes; dies entspricht der Beschreibung seines Biografen Pomerius, wonach Ruusbroec seine Inspirationen in der Einsamkeit des Waldes empfing und dort zunächst auf einer Wachstafel festhielt. Die kleinere Figur des an einem Schreibpult sitzenden jüngeren Kanonikers auf demselben Bild interpretiert
Mittelniederländisch:
Jan van Ruusbroec (1981);