KdiH

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99.0.2. Dresden, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek, Mscr.Dresd.M.66

Bearbeitet von Gabriel Viehhauser

KdiH-Band 9

Datierung:

Um 1445–1450.

Lokalisierung:

Elsass (Werkstatt Diebold Lauber).

Besitzgeschichte:

Die Handschrift befand sich spätestens seit 1749 im Besitz von Johann Christoph Gottsched (erwähnt in dessen Vorrede zu ›Die Begebenheiten Neoptolems von Chancierces‹; zu Gottsched siehe Lachmann [1931] S. 70f., 95f. Anm. 102). Nach seinem Tod 1766 kam sie in den Besitz der von Gottsched gestifteten ›Gesellschaft der freien Künste und schönen Wissenschaften‹ in Leipzig und wurde 1793 von der Königlichen Öffentlichen Bibliothek Dresden erworben (Hoffmann [2022] S. 838). Die frühere Besitzgeschichte lässt sich nicht genauer eruieren, der Codex wurde allerdings von einer Hand des 15. Jahrhunderts durchkorrigiert, die nach ihrer Schreibsprache aus dem ostoberdeutschen Gebiet stammt (Hoffmann [2022] S. 836 und 838).

Inhalt:
1r–547v Wolfram von Eschenbach, ›Parzival‹
Handschrift o
548r–548v Kapitel- bzw. Bildüberschriftenverzeichnis
Fragment
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 548 Blätter, 280 × 200 mm, Bastarda, zwei Hände (von der zweiten Hand jedoch nur kurze Passagen auf 1r–v, 13v–14r, 46v–47r, 282v, 503r–v), einspaltig, 20–25 Zeilen (mit Ausnahme von 131v–132v mit 28, 27 und 26 Zeilen), Zierinitiale mit Ranken und Wildmenschen am Textbeginn, Bildseiten mit Blattweisern, zwei- bis vierzeilige Farblombarden, rote Überschriften (92r, 95r, 113r, 128v, 130v auch Teile des Haupttextes in Rot), rubrizierte Majuskeln am Beginn jeder Zeile.


Schreibsprache:

elsässisch.

II. Bildausstattung:

46 kolorierte Federzeichnungen mit Bildüberschriften und Zählung, eine mit Wildmännern versehenene Eingangsinitiale. Wie sich aufgrund charakteristischer Blatt- und Textverluste und eines Abgleichs mit dem fragmentierten Überschriftenverzeichnis auf Bl. 548 belegen lässt, hat der Codex allerdings ursprünglich 63 Bilder enthalten – oder 64, falls sich auf dem vermutlich fehlenden Blatt der ersten Lage (die heute in sieben Einzelblätter aufgelöst ist) eine Eingangsillustration ähnlich wie in n (Nr. 99.0.3.) befunden hat. Wie vielschichtige Korrekturen an der Bildzählung nahelegen, ist die Entfernung der Bildseiten wohl in mehreren Schritten erfolgt (Schirok [1972] S. 90–97 und Viehhauser-Mery [2009] S. 75–87). Die Illustrationen sind der Illustratorengruppe A der Lauber-Werkstatt zuzuordnen (Saurma-Jeltsch [2001]).

Format und Anordnung:

Die Bilder sind in der für die Lauber-Werkstätte typischen Weise ganzseitig und ohne Umrandung ausgeführt und mit Bildüberschriften sowie mit einer Zählung versehen, wodurch die Bilder wie eine Art Eingangsseite zum nachfolgenden Abschnitt wirken.

Bis auf geringfügige Ausnahmen befinden sich die Bilder an denselben Textstellen wie in der Handschrift n (diese Ausnahmen sind: Bild auf 383r: Verschiebung um einen Vers gegenüber n [403r]; an den Textstellen der Bilder von 318v und 352v hat n nur Überschriften [335ar und 368v], aber keine Illustrationen; an zwei Stellen hat n Bilder [27r und 96r], wo o nur eine Initiale zur Textgliederung aufweist). Ebenso wie textgeschichtlich gibt es also auch im Bildprogramm einen engen Zusammenhang der beiden Handschriften. Beide illustrieren zudem (bis auf eine Ausnahme) alle Textstellen, die auch in dem weniger umfangreichen Programm von m mit Bildern oder Überschriften versehen wurden.

Sehr wahrscheinlich stellt das Programm von n und o daher eine Erweiterung eines ursprünglichen Bildprogramms dar, wie es in m (Nr. 99.0.7.) erscheint. Während dieses sich, wie die Positionierung der Illustrationen verrät, vermutlich an einem älteren Großgliederungssystem des Textes aus der ›Parzival‹-Überlieferung orientiert hat, sind in der Erweiterung auch überlieferungsgeschichtlich weniger prominente Einschnitte mit Illustrationen versehen worden.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Bilder weisen die für die Illustratorengruppe A der Lauber-Werkstatt typischen Merkmale auf: Sowohl in Innen- als auch in Außendarstellungen bildet eine grün lavierte Fläche den Untergrund der Szene. Die Bilder zeigen eine Vorliebe für Personengruppen, die sowohl einzeln als auch sich oder einer Einzelperson gegenüberstehend auftreten. In der Figurendarstellung dominieren einzelne, immer wiederkehrende Typen, die für unterschiedliche Figuren verwendet werden (bei den Männern etwa ein bartloser lockenkopfiger und ein bärtiger Typus) und zum Teil durch ihre Kopfbedeckung, etwa eine Krone, charakterisiert werden können. Die Umgebung wird wenn, dann zumeist mit Einzelbäumen oder architektonischen Elementen angedeutet.

Bildthemen:

Ausführliche Bildthemenliste bei Saurma-Jeltsch (2001).

Wie in Handschrift n können im Bildprogramm grob zwei unterschiedliche Typen unterschieden werden: Handlungsbezogene Bilder und sogenannte Situationsetiketten (Saurma-Jeltsch [2001] Bd. I, S. 82–84), die weniger zur Handlungsillustration als zur Darstellung typischer, wohl als ›höfisch‹ empfundener Szenen dienen. Zum Teil lassen sich diese Situationsetiketten sogar zu kleineren Parallelsequenzen zusammenordnen (etwa: Ausfahrt des Helden - Kampf - Ankunft des Helden), die sich gar nicht aus dem Textbezug, sondern bloß aus der bildlichen Abfolge ergeben (Saurma-Jeltsch [1992] S. 142).

Diese Zweiteilung lässt sich in o bereits im Überschriftenprogramm verfolgen und sehr wahrscheinlich auf die überlieferungsgeschichtlichen Verhältnisse zurückführen: Während in einer ursprünglicheren Schicht, die teilweise noch in m (Nr. 99.0.7.) ersichtlich ist, das Bildprogramm auf einer inhaltsbezogenen Gliederung aufbaut, wurde das Programm in n (Nr. 99.0.3.) und o offensichtlich durch Situationsetiketten erweitert; auch einige der ursprünglichen Einschnitte wurden im Sinne dieser Situationsetiketten umgestaltet. Da die Überschriftenprogramme von n und o diesbezüglich weitgehende Übereinstimmungen zeigen, ist für diesen Schritt mit einer gemeinsamen Vorstufe (eventuell auch nur in Form eines Gliederungskonzepts) zu rechnen, die in den einzelnen Handschriften aber noch individuell weiter ausgestaltet wurde.

So zeigt etwa die mit sieben Bildern illustrierte Gahmuret-Vorgeschichte (Bilder im Bereich 7r–77r) überwiegend Ausfahrts-, Ankunfts-, Beschenkungs- und Turnierszenen, die nur losen Bezug zur Handlung aufweisen. Allein die Darstellung der Aufbahrung und Betrauerung des toten Gahmuret verweist etwas näher auf den Text.

Im ersten Parzival-Teil (80v–226r) begegnen mit der Darstellung von Parzival und Herzeloyde in der Waldeinöde und Parzivals Begegnungen mit Sigune drei stark inhaltsbezogene Bilder, die restlichen 14 Bilder lassen sich in Abstufungen als Situationsetiketten bezeichnen. Parzivals Tötung seines Verwandten Ither findet lediglich über das Motiv der Übernahme von Ithers Rüstung Einzug ins Programm; die Befreiung Pelrapeires ist vor allem durch Ankunfts- und Turnierszenen illustriert. Ähnliches gilt für Parzivals Ankunft auf der Gralburg und die Kämpfe, die Parzival vor seiner Ankunft am Artushof austrägt. Nicht in Szene gesetzt sind die Anschuldigungen Parzivals durch die Gralbotin Kundrie, stattdessen allerdings die zeitgleich stattfindende Kampfansage von Kingrimursel an Gawan.

Diese Szene leitet zur ersten Gawan-Partie über, die mit sechs Bildern, vorwiegend Situationsetiketten, illustriert ist (239r–294r). Der erneute Wechsel der Handlung zu Parzival, der im Text durch das berühmte Aventiure-Gespräch, also den Dialog zwischen Erzähler und Frau Aventiure über das weitere Schicksal Parzivals, angekündigt wird, wird im Bildprogramm auf die konkrete Handlungsebene zurückgeführt: Hier ist es Gawan, der auf Sigune trifft und sie zu Parzival befragt (304v). Auch das nächste Bild (313v) bringt eine Modifikation, da die Begegnung mit dem grauen Ritter zu einer Turnierszene umgestaltet wird (beide Modifikationen erscheinen auch in n [Nr. 99.0.3.] und gehen daher wohl auf eine gemeinsame Vorstufe des Überschriftenprogramms zurück). Nach einer Darstellung des götzenanbetenden Flegetanis (318v), die allein hier, nicht aber in der Schwesterhandschrift n erscheint, folgen zwei eher abstrakte Dialogszenen zur Unterredung Parzivals mit Trevrizent (338v und 349v).

Wenig konkret bleibt wieder die zweite Gawan-Partie, bei der Gawan eher allgemein als Aventiure- und Minneritter erscheint (352v–452v). Die Problematik seiner Beziehung zu Orgeluse und auch die zentrale Schastel-Marveile-Aventiure werden im Bildprogramm nicht umgesetzt. Aus dem Schlussteil ist schließlich die Illustration von Parzivals Kampf mit Gawan (467r) und die zentrale Szene der Erlösung des Anfortas erhalten, die allerdings auch als eher allgemeine Gesprächsszene ausgeführt ist (540v).

Insgesamt zeigt das Bildprogramm eine allgemeine Tendenz zur Entdramatisierung und auch zur Entproblematisierung der Handlung (Saurma-Jeltsch [1992] S. 143).

Farben:

Blau, Gelb, Grün, Rot, Schwarz.

Literatur:

Hoffmann (2022) S. 834–840. – Kautzsch (1895) S. 68; Benziger (1914b) S. 54–57; Kurth (1914); Fechter (1938); Stammler (1962b) S. 142; Rothe (1966) S. 209 und Abb. 99; Frühmorgen-Voss (1975c) S. 21; Becker (1977) S. 82–85; Koppitz (1980) S. 39, 132 Anm. 40, S. 175; Traband (1982) S. 62, 81; Schirok (1985) S. 5f.; Stamm-Saurma (1987); Flood (1989) S. 203–207; Ott (1992c) S. 119f.; Saurma-Jeltsch (1992) S. 138–149; Saurma-Jeltsch (2001); Stephan-Chlustin (2004) S. 41–200; Obermaier (2005); Viehhauser-Mery (2009); Klein (2011) S. 946; Schirok (2011) Bd. 1, S. 345–349; Schmitz (2012) S. 238–240; Meyer (2015) S. 198–203.

Abb. 206: 318v. Der Heide Flegetanis betet ein Kalb an.

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Abb. 206.