99.0.7. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2914
Bearbeitet von Gabriel Viehhauser
KdiH-Band 9
Um 1440–1452.
Elsass (Werkstatt Diebold Lauber).
Wie der Eintrag IGVZ 1552 auf dem Ledereinband verrät, befand sich der Codex im Besitz von Johann Christoph von Zimmern (1516–1556). Nach dessen Tod 1556 kam die Handschrift in die Zimmern’sche Sammlung, von dort 1576 in die Ambraser Sammlung (alte Signatur Ms. Ambras 420). Mit dem Aussterben der tirolischen Linie der Habsburger wurde sie 1665 zusammen mit einem Großteil des Bestandes von Leopold I. nach Wien in die Hofbibliothek überführt.
1v–536v |
Wolfram von Eschenbach, ›Parzival‹
Handschrift m
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Papier, VII + 540 Blätter, 278 × 200 mm, Bastarda, eine Hand, einspaltig, 20–30 Zeilen, ganzseitige Eingangsinitiale mit Wildmenschen, rote Lombarden (drei- bis vierzeilig). Blattweiser aus Leder bei den Bildseiten und diversen Einzelseiten.
elsässisch.
25 ganzseitige kolorierte Federzeichnungen mit roten Überschriften. Die Illustrationen sind der Illustratorengruppe A der Lauber-Werkstatt zuzuordnen (
Die Bilder sind in der für die Lauber-Werkstätte typischen Weise ganzseitig und ohne Umrandung ausgeführt und mit roten Bildüberschriften versehen, wodurch die Bilder wie eine Art Eingangsseite zum nachfolgenden Abschnitt wirken. Im Gegensatz zu n (Nr. 99.0.3.) und o (Nr. 99.0.2.) ist jedoch keine Bildzählung vorhanden. Zusätzlich zum Bildprogramm finden sich an sechs weiteren Stellen in gleicher Weise mit roter Tinte geschriebene Überschriften, nach denen aber keine Illustrationen folgen.
Die Bilder (sowie die bildlosen Überschriften) befinden sich zu einem großen Teil vor Textpositionen, die auch in anderen Handschriften der ›Parzival‹-Überlieferung mit Gliederungszeichen (Initialen) als Großabschnitte gekennzeichnet sind. Bis auf eine Ausnahme (Bild auf 106r) sind alle diese Abschnitte auch in n und o mit Illustrationen versehen worden. Sehr wahrscheinlich stellt die Gliederung von m daher eine ursprünglichere Einteilung dar, die in n und o erweitert wurde.
Wie in den anderen Lauber-Handschriften auch bildet eine grün lasierte Fläche sowohl in Innen- als auch in Außendarstellungen den Untergrund der Szenerie. Die Figurendarstellung greift auf dieselben vielfältig einsetzbaren Typen zurück wie o (bei den männlichen Figuren dominieren ebenso wie dort ein bärtiger und ein lockenköpfiger Typus). Die Vorliebe für Personengruppen tritt jedoch weniger hervor als in o. Details der Umgebung werden durch einzelne Bäume oder Architekturversatzstücke angedeutet.
Ausführliche Bildthemenliste bei
Während das Programm der Überschriften in m weitgehend textbezogen und konkret ausfällt, begegnen in den bildlichen Umsetzungen zwar zum Teil ebenfalls handlungsbezogene Illustrationen, aber auch unspezifische, auf Zeremonialisierung und Entdramatisierung des Geschehens abhebende sogenannte Situationsetiketten (zum Begriff vgl.
Diese Mischung verdeutlicht ein genauerer Blick auf die Einzelszenen: Gleich die ersten drei Bilder zur Gahmurethandlung bieten etwa relativ stereotyp anmutendende Szenen (Beschenkung [7r], Ankunft [26r] und Kampf [37r]). Zu Beginn der ersten Parzival-Partie findet sich hingegen die mit deutlichem Textbezug gestaltete Darstellung von Parzival und Herzeloyde in der Einöde von Soltanie (77v). Auch die markante Illustration von Parzivals Begegnung mit der in der Linde sitzenden Sigune (160r) verweist (wie in den anderen Lauber-Handschriften auch) deutlich auf dem Text. Die weiteren drei Szenen zur ersten Parzival-Partie sind wieder recht allgemein gehalten: Blatt 106r zeigt die einzige Szene, die ausschließlich in m und nicht in n (Nr. 99.0.3.) und o (Nr. 99.0.2.) mit einer Darstellung versehen wurde. Diese soll laut Überschrift Parzivals Begegnung mit Gurnemanz wiedergeben und ist vom Maler als eher allgemeine Gesprächsdarstellung umgesetzt worden. Auf die ebenfalls allgemein gehaltene Darstellung von Parzival beim siechen Anfortas (144v) und die bereits genannte konkrete Sigune-Szene folgt schließlich die Illustration von Parzivals Kämpfen mit Segremors und Keie (179v), die in einer Rubrik zusammengezogen wurden. Hier wird die Überschriftenorientierung der Bilder besonders deutlich, denn auch im Bild sind (anders als dies dem Text entspricht) beide Gegner Parzivals abgebildet sowie der ebenfalls in der Überschrift erwähnte Gawan, mit dem Parzival im Anschluss zum Artushof aufbricht.
Die erste Gawan-Episode ist mit zwei Bildern (216v und 257r) relativ spärlich ausgestattet. Auffällig konkret sind dann die Bilder aus der zweiten Parzival-Partie. Anders als in n und o wird in der Eingangsrubrik von m (280v) das abstrakte Gespräch zwischen Erzähler und der personifizierten Frau Aventiure nicht zu einer Unterredung zwischen Gawan und Sigune umgedeutet. Die Illustration zeigt dementsprechend textnäher als dort lediglich Parzival und Sigune. Das darauffolgende Bild (289v) zeigt anders als in n und o den grauen Ritter in einer dem Text entsprechenden Weise, nämlich als Karfreitags-Büßer und nicht als Parzivals Gegner, wie dies in den Darstellungen von n und o sowie in der (nachträglich korrigierten) Rubrik von m annonciert wird. Auch die beiden Bilder, die Parzivals Unterredung mit dem Einsiedler Trevrizent wiedergeben (294v und 315v), erscheinen relativ konkret am Text orientiert.
Die sechs Bilder zur zweiten Gawan-Handlung (327v–425r) fokussieren auf Kampf und Repräsentation, zeigen aber immer wieder in Details Textbezug. Auffällig ist, dass die zentrale Aventiure von Schastel Marveile anders als in n (Nr. 99.0.3.) und o (Nr. 99.0.2.) im Überschriftenprogramm zwar zumindest erwähnt wird, aber nicht in naheliegender Weise in ein konkretes Bild umgesetzt wurde: Gezeigt wird zur entsprechenden Rubrik eine Frau am Fußende eines Bettes, in dem ein Mann liegt (359r). Dies lässt sich allenfalls als Darstellung des Ausgangs der Episode deuten (Pflege des verwundeten Gawan) oder stellt vielleicht ein Missverständnis bzw. eine Umdeutung in Hinblick auf das für die Aventiure zentrale Zauberbett dar.
Im Schlussabschnitt sind schließlich (wie in n) drei Kämpfe Parzivals (gegen Gawan [440v], Gramoflanz [456v] und Feirefiz [479r]), eine Empfangsszene (495v) sowie Parzivals Erlösung des Anfortas und die Erlangung der Gralwürde (517r) dargestellt, wobei das letzte Bild ähnlich wie in den beiden anderen Lauber-Handschriften auch in einer auffällig unspektakulären Weise als relativ unspezifische Gruppenszene ausgeführt worden ist.
Rot, Blau, Grün, Gelb, Rosa.
Archivbeschreibung Hermann Menhardt (1928); Handschriftencensus; Parzival-Projekt
Abb. 211: 289v. Parzival und der graue Ritter.