KdiH

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85.6.2. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 3974

Bearbeitet von Wolfgang Augustyn

KdiH-Band 9

Datierung:

Zweites bis drittes Viertel des 15. Jahrhunderts. Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹: um 1430/35 und um 1450.

Lokalisierung:

Regensburger Raum?

Besitzgeschichte:

Erstbesitzer war der Schreiber I, von dem der größte Teil der Handschrift stammt. Möglicherweise befand sich der Codex im Besitz eines Zisterzienser- oder Zisterzienserinnenklosters. Auf Besitzer im 16. Jahrhundert deuten verschiedene Einträge hin, so 321v Geor. Eysen anno 1533 (Georg Eisen aus Haugstorff bei Wien, 1522 an der Wiener Universität immatrikuliert? Schneider [1991] S. 507). Spätestens im 18. Jahrhundert in der Benediktinerabtei St. Emmeram in Regensburg, nach der Säkularisation 1811/12 nach München verbracht und seitdem in der Staatsbibliothek.

Frühere Beschreibungen der Handschrift siehe Nr. 9.1.12., Nr. 16.0.15. und Nr. 37.1.15.

Inhalt: lateinisch-deutsche Sammelhandschrift (Grubmüller [1975], Schneider [1991] S. 504–519), darin u. a.:
91v–113r Franz von Retz, ›Defensorium inviolatae virginitatis Mariae‹, lateinisch und deutsch
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 323 Blätter, 295 × 205 mm, neun Schreiber, Bastarda, einspaltig, durchschnittlich ca. 33 Zeilen.

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch.

II. Bildausstattung:

42 Exempel aus Altem Testament, Geschichte, Sage und Legende sowie aus der Natur sind ausgewählt, wobei die Beischriften und Verse den Inhalt der Darstellung erklären, außerdem 92v eine Darstellung der Geburt Christi.

Format und Anordnung:

Jeweils in einem gerahmten Medaillon ist eine in mehreren Farben (Rot, Grün, Braun, Gelb, Blau) lavierte Federzeichnung wiedergegeben.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Federzeichnungen zeigen die Akteure der Handlung, Landschaft und architektonische Motive sind meistens auf das für das Verständnis Notwendige beschränkt. Einige Male wurde die Handlung in einen Innenraum verlegt, was nur an den fluchtenden, aufwendig gemusterten Fußböden erkennbar ist.

Bildthemen:

92r ein Hirte mit einer Herde weidender Schafe, 93r ein Paar mit Rosen, 93v König Cyrus von Persien (Lyrus [!] rex Persarum) wird von der Hündin eines Hirten gesäugt, 94r Vogel (Charadrius, der durch die Stellung seines Kopfes anzeigt, ob ein Kranker gesund wird oder stirbt) auf dem Bett eines Kranken, 94v Sturzregen und Muscheln mit Perlen, 95r versteinerter Mensch, 95v Bärin, die durch die Nase gebiert, mit Jungen, 96r fünf Phönixe, 96v Winzer im Weinberg (der aus Eichenzweigen besteht), 97r Vogelschar fliegt um einen polygonalen Zentralbau, 97v Gastmahl (des Xerxes), 98r Löwen mit Jungen, 98v ein Strauß steht neben seinen Eiern, die von den Strahlen der Sonne ausgebrütet werden, 99r zwei Bauern stehen auf dem Feld, vom Himmel regnet Korn herab, 99v zwei Edelleute zersägen einen Stein, bei dem ein Königsbildnis zum Vorschein kommt, 100r ein brütender Vogel steht über seinem Nest mit Eiern, 100v Danaë im Turm empfängt den Goldregen, 101r eine Jungfrau fängt ein Einhorn, 101v Edelmann kniet vor einem Gelehrten, 102r eine Stute entfacht Wind in Kappadokien, 102v Jungfrau und Eisvogel, 103r Phönix, 103v ein Schiff wird von einem Magnetfelsen angezogen, 104r Vogelnest in einem Fluss (bei Lübeck wurde im Meer ein versteinerter Ast mit einem Nest mit versteinerten Vögeln gefunden, vgl. Albertus Magnus, ›De mineralibus‹ I,1–7), 104v ein (während des Zweiten Punischen Kriegs) sprechender Ochse, 105r die Vestalin Tuscia trägt zum Beweis ihrer Unschuld in einem Sieb Wasser aus dem Tiber zum Tempel der Vesta, 105v die Vestalin Aemilia entzündet mit ihrem Schleier das Feuer der Vesta im Tempel, das sie erlöschen ließ, 106r Arion im Schiff, 106v zwei Männer vor einem Tempel, 107r an einem Baum wachsende Vögel (Carbas), 107v ein in einem Tempel schwebender Altar, 108r Seleukos, 108v ein Kalb kommt aus Wolken herab, 109r der entzündete Asbeststein (lapis albesto) erlischt nicht mehr, 109v Zwillinge auf dem Schoß der Mutter öffnen zwei Türschlösser, 110r der aus der Stadt Toulouse (Tholosa) fließende Strom verwandelt sich in Blut, 110v aus Wolken regnet es Stacheln herab, 111r der Pelikan nährt seine Jungen mit seinem Blut, 111v zwei Männer versuchen Feuer an einen Turm zu legen (ein aus Lärchenholz gebauter Turm des Alpenkastells Larignanum konnte bei der Belagerung durch Caesar nicht in Brand gesetzt werden; vgl. Isidor, ›Etymologiae‹ 17,7,44), 112r Circe und die in Tiere verwandelte Schiffsbesatzung, 112r eine junge Frau mit einem Schiff (die Vestalin Claudia beweist ihre Keuschheit, indem sie mit ihrem Gürtel ein im Tiber festgefahrenes Schiff der Göttin Kybele wieder fahrbereit macht; Augustinus, ›De civitate Dei‹ 21,6), 112v zwei Vögel (Bonasa) küssen sich, 113r mehrere Männer um einen Brunnen (ein Brunnen in Schweden verwandelte alles in Stein, das in ihm versenkt wird; Albertus Magnus, ›De mineralibus‹ I,1,7).

Literatur:

Vetter (1968) Sp. 500; Schneider (1991) S. 504–519; Schneider (1994) S. 57.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 16: 105r. Die Vestalin Tuscia trägt zum Beweis ihrer Unschuld in einem Sieb Wasser aus dem Tiber zum Tempel der Vesta.

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Abb. 16.