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70.2.2. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 2021

Bearbeitet von Bernhard Schnell

KdiH-Band 7

Datierung:

Um 1460 (Wasserzeichen).

Lokalisierung:

Bayern (Regensburg?).

Besitzgeschichte:

Erworben vom Antiquariat Karl & Faber, München (1938).

Inhalt:
1. 1v–176r Johannes Hartlieb, ›Kräuterbuch‹
2. 178r–181r ›Meister Alexanders Monatsregeln‹
181v Aderlassmann (ganzseitige Federzeichnung mit Verweis auf die Lassstellen des folgenden Textes), siehe auch Stoffgruppe 87. Medizin
3. 182r–183r ›Vierundzwanzig-Paragraphen-Text‹
4. 183r–v ›Von der Zeit des Aderlasses‹
5. 183v ›Lob des Aderlasses‹, unvollständig
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, I + modern gezählte 183 Blätter (Bl. 6 [Text: Maulwurf, Bild: Fuchs] und ein Blatt nach Bl. 183 fehlen mit Textverlust), 285 × 215 mm, Bastarda von einer Hand, marginal Korrekturen, Notizen und Rezepte von mehreren Händen des 16. Jahrhunderts, einspaltig, 5–33 Zeilen, Bild- und Textüberschriften sowie die Lombarden (ein bis zwei Zeilen) in Rot.

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch.

II. Bildausstattung:

168 ganzseitige und vier durch Textüberhang des jeweils vorauf gehenden Kapitels kleinere (53v Camphora, 63v Electerium, 134v Porrum, 139v Raphanus) gerahmte Abbildungen der Drogen in lavierten Federzeichnungen; 125v leerer Rahmen, die folgende, für den Text vorgesehene Seite blieb unbeschrieben.

Format und Anordnung:

Wie generell im Werk stehen die ganzseitigen Bilder auf den Versoseiten und gehen dem Text stets voran.

Bildaufbau und -ausführung, Bildthemen:

Sowohl die Tiere als auch die Pflanzen erscheinen in einem perspektivisch angelegten zweifarbigen doppelten Bilderrahmen. Gelegentlich reichen die Tiere bzw. Pflanzen in den Rahmen hinein.

Im Gegensatz zum Anholter Illustrator, dessen Bilder in vier Ebenen gegliedert sind, wählt der Maler der Berliner Handschrift, wie bei den Illustrationen in den anderen Handschriften, einen zweiteiligen Aufbau. Die Kräuter, Sträucher und Bäume entwachsen einem planen grünen Bodenstück, einer stilisierten grünen Wiese. Am Anfang wird diese grüne Zone noch mit stilisierten Grasbüscheln verziert, aber sehr bald hört diese Art der Ausschmückung auf und erscheint im weiteren Verlauf nur noch sporadisch. In anderen Handschriften, wie etwa in Linz, wird dieses Verfahren noch länger durchgehalten. Der Hintergrund und der obere Teil des Bildes werden nicht bemalt und erscheinen daher in Weiß. Analog wird bei den Wasserpflanzen verfahren. Hier wird der Bodenstreifen durch blaue Wellenlinien ersetzt, um so ein Gewässer, den Lebensraum der Droge, anzudeuten. Anders sind die Maler dagegen bei den Tieren vorgegangen. Die Vierbeiner, stets in Seitenansicht und den Kopf nach links gerichtet, stehen zwar auch auf einem grünen Bodenstück, aber sie sind in einer Landschaft situiert. Felsen, Bäume oder Gewässer deuten uns ihren engeren Lebensbereich an. Nur in der Berliner Handschrift steht der Elefant (9v) auf dem Bildrahmen. Es fehlt das grüne Rasenstück, und auch die Landschaft wird nicht skizziert; möglicherweise wurde das Bild nicht fertig ausgemalt.

Die Darstellung der pflanzlichen Drogen in ihrer vollen Gestalt, d. h. mit ihrem Wurzelstock, wurde in Hartliebs ›Kräuterbuch‹ nur bei etwas mehr als 20 Prozent der Pflanzenillustrationen realisiert, und zwar überwiegend, aber keinesfalls ausschließlich dort, wo die Pflanzenwurzel als Heilmittel Verwendung findet (z. B. filipendula 72v, genciana 80v, galanga 81v, mandragora 109v) oder Teil des Pflanzennamens ist (z. B. engelwurz 13v, stalwurz 14v, holwurz 18v).

Gelegentlich gibt es bei den Abbildungen Hinweise auf den natürlichen Lebensraum der Pflanzen, wie z. B. ambra (12v), das auf der Meeresoberfläche schwimmt, agaricus (29v), ein Pilz, der am Stamm einer Tanne wächst, barba Iovis (32v), die auf Hausdächern gedeiht, oder nenufar (118v) und cirpus (42v), Seerose und Binse, die aus einem Gewässer herauswachsen. Diese Hinweise sind sehr allgemeiner Art. Sie lassen daher keine Schlüsse zu, ob hier der Illustrator den Text zu Rate gezogen hat. Dies ist auch bei den nicht winterharten mediterranen Gewürzpflanzen wie Basilikum (30v) und Majoran (114v) der Fall, die in einem Holzfässchen wachsend dargestellt werden. Produkte, die aus Pflanzen gewonnen werden, wie Kampfer oder diagridi (58v), der Saft der Purgierwinde, tropfen aus dem Baumstamm bzw. aus den Blüten, castorium (48v), die Drüsensäcke des Bibers, und firnis (168v) hängen, in Ballen zusammengebunden, zum Austrocknen an den Ästen eines Baumes. Eine Abbildung fällt aus der Reihe: Im Kapitel über den Bernstein (98v) zeigt sie einen mit weißem Tuch ausgeschlagenen Verkaufsstand, auf dem mehrere Bernsteinketten feilgeboten werden. Diese originelle Darstellung wird auch in der Heidelberger, Wiener und Wolfenbütteler Handschrift überliefert, während die Anholter und Linzer Illustrationen davon abweichen und sie durch einen Baum ersetzen, der allerdings in den beiden Textzeugen völlig unterschiedlich dargestellt wird; die Abbildung fehlt in der Nürnberger Handschrift.

Die zahlreichen Diskrepanzen zwischen Text und Bild wird man auf mangelhafte oder falsche Bildvorlagen zurückzuführen haben, so, wenn beispielsweise im Text die Aloe als Saft eines Krauts beschrieben wird, die Illustration hingegen einen Baum zeigt, aus dessen abgeschnittenem Ast eine rote Flüssigkeit sprudelt (28v), oder wenn bedegar, ain dornig stauden, als breitstämmiger Baum (34v) dargestellt wird. Für derlei Unstimmigkeiten, die sich durch alle Handschriften ziehen, wird man den Zeichnern nur eine geringe Schuld zuweisen dürfen, haben sie doch nur getan, was ihre Aufgabe war: die Vorlage zu kopieren. Variationen und zunehmende Schematisierung der Bildinhalte, die in den einzelnen Handschriften zu beobachten sind, lassen sich, ähnlich wie in der Textüberlieferung, durch fehlerhaftes Abzeichnen oder individuelle Zusätze der Zeichner erklären. Wollte ein Zeichner mit Hilfe des Texts etwaige Fehler seiner Bildvorlagen korrigieren, so war ihm das nur in sehr beschränktem Maße möglich, denn nur in einem Viertel aller Kapitel finden sich – zudem noch sehr spärliche – Hinweise über das Aussehen der Drogen. Für den Kopisten der Berliner Handschrift liegt freilich der Verdacht nahe, dass er den Text dafür nicht nutzte, sondern eher seiner Bildvorlage folgte. Andernfalls hätte er wohl beispielsweise die Blüten des Dillkrauts (16v) nicht rot, sondern gelb eingefärbt, die Blätter der Gartenmelde (artiplex 21v) weiß gesprenkelt oder der Drachenwurz (dragonthea 59v) als ein nater gesprenkelt gemalt oder die Melonen (citrullus 43v) grün, so wie es der Text will, nicht aber zweifarbig grün/rosa bzw. grün/gelb dargestellt.

Farben:

Grün, Braun, selten: Blau, Rosa, Rot, Ockergelb, Lila, Weiß, Grau und Schwarz.

Literatur:

Spyra (2005) S. 335–337; Hayer/Schnell (2010) S. 38–40.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XLVIIIa: 44v. Alpenveilchen.

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Taf. XLVIIIa.