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59.2.5. St. Gallen, Kantonsbibliothek, VadSlg Ms. 343c; VadSlg Ms. 343d

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

Um 1447–1452 (Wasserzeichendatierung Saurma-Jeltsch).

Lokalisierung:

Hagenau: Werkstatt Diebold Laubers.

Besitzgeschichte:

Ms. 343c, 6v Schildhalterin mit Wappen derer von Ehingen und Kappel verweist auf Heinrich Ehinger (1438–1479) und die 1455 mit ihm verehelichte Margaretha von Kappel (1440[?]–nach 1483); vgl. auch Einsiedeln, Stiftsbibliothek, Cod. 710 (Nr. 25.3.1. und 36.0.2.); nach Besitzeintrag Ms. 343c, Vorderdeckel, um 1600 im Besitz Jacob Studers (1574–1622), St. Galler Kaufmann, Ratsherr und Bibliothekar, der die Handschrift in St. Gallen einbinden und restaurieren ließ und der Vadiana schenkte.

Inhalt: Historienbibel Ib
Ms. 343c, 1r–268va Alte Ee
1r–5vb Register
6v Nachtrag: Wappenbild
7r Bild
7v–266rb Prosakompilation aus Historienbibel Ia und IIa

bis Kap. Von dem wissagen Thobias
darin: 218vb–223vb ›Hoheslied in Minneliedern‹ Et Reliqua Dich(!) kußte ir mynnencliche kuß …

266rb–266vb ›Antichrist‹ Daniel wissagt vnd spricht der ende crist kum von Tribu …
267r–268va ›Jüngstes Gericht‹ Daniel wissaget von dem Jüngsten tag …
Ms. 343d, 1r–116vb Neue Ee
1ra–5rb Register
5v Bild
6ra–116vb Prosaauflösung des ›Marienlebens‹ von Bruder Philipp
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, Ms. 343c: I–Ia + 272 Blätter (vor 2, 7, 8, 73 fehlen Blätter, unbeschrieben 6r, 269r–272v und Vorsatzblätter), Ms. 343d: I–Ia, II–III + 116 Blätter (vor 88, 110, 113, 115 fehlen Blätter, 116 ist defekt, Blatt 29 gehört hinter Blatt 37, Blatt 44 hinter 20; 72ra ist eine Textpassage – Heilung des Blinden von Jericho – geschwärzt; unbeschrieben nur die Vorsatzblätter), jeweils zwei Einzelblätter auf einen Falz geklebt, so dass daraus ein Bogen entsteht, 385 × 270 mm, zweispaltig, 32–39 Zeilen, Bastarda (Überschriften Textualis), ein Schreiber: Hans Ott, urkundlich zwischen 1427 und 1449 als Buch- und Wandmaler sowie als Schreiber bekannt (nennt sich Ms. 343c, 106r und 258v), abwechselnd rote und blaue Lombarden über vier bis fünf Zeilen, rote Unterstreichungen, Strichel, Überschriften, Kapitelzählung.

Schreibsprache:

elsässisch.

II. Bildausstattung:

167 erhaltene kolorierte Federzeichnungen, 120 (von ursprünglich ca. 122) zur Alten Ee, 47 (von ursprünglich ca. 49) zur Neuen Ee. Ein Maler: Hans Ott (auch: G). Eine Initiale: Ms. 343d, 7r M. – Wappen Ms. 343c, 6v von anderer Hand (Konrad: Konstanz um 1465/70, Saurma-Jeltsch: Meister H aus der Gruppe K der Lauber-Werkstatt, sechziger Jahre). Saurma-Jeltsch macht auf die Abhängigkeit der Wappenhalterin von einem Stich des Meisters E. S. (München, Graphische Sammlung, Inv. Nr. 10870) aufmerksam.

Format und Anordnung:

meist ganzseitig, gelegentlich mit wenigen Zeilen Text am oberen Rand (vorgesehen waren offensichtlich prinzipiell ganzseitige Zeichnungen, wenn der vorausgehende Text jedoch deutlich weniger als eine halbe Seite füllte, wurde von diesem Prinzip abgewichen), ungerahmt, in der Regel breiter als das Schriftspiegelformat, daher seitlich oft beschnitten, mit Bildüberschrift, die zugleich als Kapitelüberschrift fungiert, und Kapitelzählung dem Text eines Kapitels vorangestellt. – Die Initiale Ms. 343d, 7r über beide Spalten zwischen Überschrift und Textbeginn nimmt mehr als die Hälfte der Schriftspiegelhöhe und dessen volle Breite ein.

Bildaufbau und -ausführung:

Hans Ott, der Ms. 343c, 106r signiert (258v nochmals nur mit Hans), scheint eigenständig nur die St. Galler Historienbibel sowie einen Band der Heidelberger Bibel (Cod. Pal. germ. 19) gestaltet zu haben. Stilistisch verwandt mit älteren Händen (v. a. B der Lauber-Werk-statt) zeigt er sich durchaus »fortschrittlicher«: differenziertere, kompliziertere Zeichnung, Binnengliederung durch Schraffen, Faltenwürfe und Kulissen ambitionierter, Vorliebe für kleinteiliges dekoratives Füllwerk, auch etwa für große ovale Blätter in Dreiergruppierung an Bäumen und Blumen. In der Figurenkonzeption Betonung des Volumens, runde volle Gesichter mit Kinngrübchen, kringelige Haartrachten. Charakteristisch für die Kolorierung: Das Bodenstück, das nach oben begrenzt wird durch ein vertikales Schraffenband, wird nicht nur flächig grün laviert, sondern durch grüne Pinselstriche für Gräser nach oben erweitert. Den unteren Abschluss bildet ein rosa kolorierter Balken. – Die Initiale Ms. 343d, 7r mit Akanthusaussparungen im Buchstabenkörper, gefüllt und umgeben mit reichem Fleuronnée (im Binnenraum auch Rautenmuster mit Vierpasspalmetten, einer Blütenrosette und Maiglöckchendekor), das sich als Filigranstab im Spaltenzwischenraum bis zum unteren Blattrand fortsetzt.

Bildthemen:

siehe Saurma-Jeltsch (2001) Bd. 2, S. 102–105, Bd. 1, S. 246–257 (Konkordanz); Rapp (1998) S. 259–264 (Teilkonkordanz). – Die Sankt Gallener Historienbibel dürfte das früheste Exemplar der Redaktion Ib sein. Aufgrund der nicht nur gegenüber der Bebilderung von IIa ausgeweiteten, sondern auch im Vergleich mit späteren Bildreihen zu Ib vielfach individuellen Bildauswahl vermutet Saurma-Jeltsch mit Landolt-Wegener (1963/64, S. 223) einen Auftraggeber mit besonderen Ansprüchen. Beispiele für einzelgängerische Motivgestaltungen nennt Saurma-Jeltsch (2001) Bd. 1, S. 133 Anm. 486, wobei eine punktuelle Nähe zu Weltchronikillustrationen (Architektur der Arche Noachs, des Philisterpalastes, den Simson einstürzt) kaum überzeugend für eine Abhängigkeit von einer Weltchronik als Vorbild in Anspruch zu nehmen sein dürfte. Die Dichte des Bildprogramms lässt auch an (bislang allerdings nicht festzumachende) Bezüge zur Historienbibelredakion Ia denken; individuelle Motivgestaltungen könnten aber durchaus ihre Ursache weniger in Vorbildern als im engen Textbezug haben, der den Maler zu eigenen Lösungen führte: So ist 343d, 23r zum Kapitel von der Auswahl Josefs als Bräutigam Marias abweichend vom Standardmotiv der blühenden Gerte dem Text folgend die Ankunft Josefs, mit einem (einfachen) Stab über der Schulter, am Tempel dargestellt; 77v ist zur Episode von Petrus und dem Zinsgroschen nicht Petrus als Fischer, sondern Petrus und ein weiterer Jünger mit den in den Fischen gefundenen Talern, im Gespräch mit Jesus und dem hinzutretenden Zöllner zu sehen.

Farben:

vorwiegend Grün-, Gelb- und Brauntöne, dazu Rosa, Rot und Blau (bröselig).

Literatur:

Scherrer (1864) S. 98 f. – Kautzsch (1895) S. 85 ff. u. ö.; Banz (1908) S. 238 ff.; Vollmer (1910) S. 236; Vollmer (1912) S. 85–87, Nr. 25; Lehmann-Haupt (1929) S. 144f.; Fechter (1938) S. 131 u. ö.; Landolt-Wegener (1963/1964) S. 225 u. ö., Taf. 50a (343d, 48r). 52a (343d, 57v). 53f (343d, 61r). 54a (343d, 49r). 54b (343d, 45r). 54c (343d, 53r). 54d (343d, 55r); Stedje (1968) S. 106 (Hs. Sg); Traband (1982) S. 88; Stamm (1983) S. 133f.; Peter Wegelin: Kostbarkeiten aus der Vadiana St. Gallen in Wort und Bild. St. Gallen 1987 (Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vadiana St. Gallen 16), S. 43–50; Saurma-Jeltsch (1992/1993) S. 330, Abb. 7 (343c, 29r). 9 (343c, 6v); von Bloh (1993) S. 266–268 u. ö., Abb. 30 (343c, 6v). 31 (343c, 7r); Rapp (1994); Die Karlsruher Passion. Straßburger Malerei der Spätgotik. [Ausst.Kat. Karlsruhe] Stuttgart 1996, S. 36. 228 f., Taf. 15.2 (343d, 85r); Konrad (1997) Nr. KO 70, S. 309 f. mit Abb. (6v); Rapp (1998) S. 83–86, Nr. 3.2.16. u. ö., Abb. 23 (Textseite 343d, 89r); Saurma-Jeltsch (2001) Bd. 1, S. 146 f. u. ö., Bd. 2, S. 102–105, Nr. 70–71, Abb. 273 (343c, 7r). 132 (343d, 6r), Taf. 31 (343c, 6v); Sum Jacobi Sangallensis. Die Sammlung des bibliophilen Kaufmanns Jakob Studer (1574–1622) in der Vadiana. [Ausst.Kat. St. Gallen 2001]. Bearb. von Rudolf Gamper unter Mitarbeit von Gertraud Gamper und Fredi Hächler. St. Gallen 2001, S. 26. 48f., Abb. S. 24 (343c, 97r). S. 25 (343d, 49r).

Abb. 7: Ms. 343d, 77v. Petrus und der Zinsgroschen.

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Abb. 7.