KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

93.1. Jan van Ruusbroec, ›Die geestelike brulocht‹, oberdeutsch

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 9

Von dem Hauptwerk des niederländischen Mystikers Jan van Ruusbroec (1293−1381), ›Die geestelike brulocht‹ (›Die geistliche Hochzeit‹), das kurz vor 1350 entstand, existieren in mittelniederländischer Sprache zwei Redaktionen und 36 Textzeugen, davon sind 13 vollständig. Es wurde bereits um 1350 auch am Oberrhein bekannt und ins Alemannische übersetzt, wohl durch Vermittlung Johannes Taulers (in Straßburg oder Basel; vgl. Ampe [1992] Sp. 449; Warnar [2002]; Warnar [2007] S. 133f.). Nach der Aussage im ›Großen deutschen Memorial‹ der Johanniterkommende vom Grünen Wörth (siehe Nr. 44.2.1.; 122r) sandte Ruusbroec selbst den »Gottesfreunden im Oberland« seinen Text. Die ebenfalls zeitgenössische lateinische Übersetzung von Wilhelm Jordaens (um 1355/60) ist auch als Druck (Paris, 1512) überliefert und fand später durch die Gesamtausgabe des Laurentius Surius (Köln, 1552) weite Verbreitung; daneben schuf auch Geert Groote um 1375 eine lateinische Fassung. Zu den Ruusbroec-Handschriften im Überblick vgl. Jan van Ruusbroec (1981) S. 120−133, zur ›Brulocht‹ S. 110−112.

Die mystische Lehre des Werkes, das dem Aufbau eines scholastischen Sermo folgt, handelt, ausgehend von einem biblischen Spruch aus dem Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (Sehent, der brútegoͮm kummet, gont vs ime engegene, Mt 25,6) von den drei Lebensformen (dem tätigen, dem inneren und dem kontemplativen, schouwenden Leben), die den traditionellen drei Stufen des mystischen Aufstiegs entsprechen. Vgl. zum Inhalt Ruh (1996) S. 18−20, 30−46; Ruh IV (1999) S. 46−49; Warnar (2007) S. 101–120.

Die alemannische Übersetzung ist in fünf erhaltenen oberdeutschen Handschriften ganz, in sieben weiteren teilweise überliefert; außerdem gibt es Auszüge unter dem Namen Rulman Merswins in drei Handschriften, darunter das oben genannte ›Große deutsche Memorial‹ (122r−130r, Nr. 44.2.1). Drei weitere Straßburger Handschriften sind als verloren bezeugt. Eichler (1969, S. 30−40) nimmt an, dass der Ursprung der ›Brulocht‹-Übersetzung im Straßburger Gottesfreundekreis zu suchen ist; möglicherweise ist Merswin selbst deren Übersetzer.

Eine der vollständigen deutschen Handschriften ist mit einigen Schmuckinitialen, darunter mit einer figürlichen Initiale ausgestattet, deren Textbezug jedoch nicht eindeutig ist. Eine weitere Handschrift ist nur in ihrem Hauptteil, einer Bibelübersetzung, mit reichem Bildschmuck versehen (Zürich, Ms. Car. VIII 3, siehe Nr. 6.2.6. und Nr. 14.0.23.). Sie überliefert im Anschluss daran die ›Brulocht‹-Übersetzung in Teilen, kombiniert mit weiteren geistlich-mystischen Texten; dabei wird ›Von den vier bekorungen‹ einem heiligen einsidel und priester zugeschrieben, womit hier Ruusbroec gemeint ist, während der Text anderwärts aber auch unter dem Namen Taulers überliefert ist (vgl. Eichler [1969] S. 31f. Anm. 10); diese Textgruppe der geistlichen Traktate enthält nur zwei Illustrationen, eine zu Beginn der ›Geistlichen Hochzeit‹ mit der Darstellung zweier Menschen in Andachtshaltung vor einem Altar; ein weiteres Bild bezieht sich auf das zwischen die beiden Ruusbroec-Teile geschobene kurze Textstück über die Eucharistie nach Thomas von Aquin. Ein Autorbild oder ein differenzierterer Textbezug findet sich jedoch in der deutschen Überlieferung nicht.

In einigen niederländischen Handschriften dagegen wird Ruusbroec selbst mit Schreibtafel unter einem Baum im Wald dargestellt, über ihm die Taube des Hl. Geistes; dies entspricht der Beschreibung seines Biografen Pomerius, wonach Ruusbroec seine Inspirationen in der Einsamkeit des Waldes empfing und dort zunächst auf einer Wachstafel festhielt. Die kleinere Figur des an einem Schreibpult sitzenden jüngeren Kanonikers auf demselben Bild interpretiert Warnar (2007, S. 124f.) nicht als Schreiber, sondern als eine zweite Darstellung des Autors Ruusbroec, der seine Notizen danach auf Pergament stilistisch ausarbeitet. Vgl. die beiden voneinander abhängigen farbigen Pergamentminiaturen Brüssel, ms. 19295−97, 2v, Anfang 15. Jahrhundert., und Gent, Hs. 693, 5v, um 1480; ferner spätere Bildzeugnisse. Abb.: Jan van Ruusbroec (1981) Vorsatzblatt, Beschreibungen S. 383−385, zwei Miniaturen des 17. Jahrhunderts S. 362, 410; Ruh IV (1999) Schutzumschlag, S. 39; Peters (2007) S. 38, Farbabb. 14; Warnar (2007) S. 121−125, Einbandabb., Fig. 15 und 5 (Titelblatt des Druckes von 1624). Diese Autordarstellung wird in den deutschen Handschriften nicht aufgegriffen.

Editionen:

Mittelniederländisch: Poukens/Reypens (1944) S. 101−249; Alaerts (1988) (mit der lateinischen Übersetzung von Surius und moderner englischer Übersetzung). – Lateinische Übersetzung: Schepers (2004). – Mittelhochdeutsche (alemannische) Übersetzung: Eichler (1969) S. 81−226. – Neuhochdeutsche Übersetzung: Schaad-Visser (1987).

Literatur zu den Illustrationen:

Jan van Ruusbroec (1981); Ruh IV (1999) S. 26–82; Warnar (2003); Warnar (2007).