52.2.1. London, The British Library, Add. 15689
Bearbeitet von Nicola Zotz
KdiH-Band 6
1508/09.
Bamberg.
Auftraggeber und Erstbesitzer war die Bamberger Domkustorei, die das Heiltumsbuch im Zusammenhang mit der Bamberger Heiltumsweisung von 1509 anfertigen ließ; 1513/14 wurde im Auftrag der Domkustorei ein illustriertes Heiltumsbuch gebunden, wobei es sich vermutlich um diese Handschrift handelte (
2r–36r | Bamberger Heiltumsbuch |
Papier, [6] + 36 + [6] Blätter (unbeschrieben: 1r–v, 34v, 35r, 36v; Vor- und Nachsatzblätter nicht foliiert), 480 × 330 mm. Bastarda, eine Hand, tabellarisch zweispaltig (links Illustrationen, rechts Text), Beischriften unterschiedlich lang (zwei bis 17 Zeilen).
ostfränkisch.
Zwei ganzseitige lavierte Federzeichnungen (Ritter mit Georgsbanner 35v und Prozession mit Heinrichsschrein um und in den Bamberger Dom 36r), ferner (teilweise mehrteilige) lavierte Federzeichnungen von 135 Reliquiaren in 130 Tabellenfeldern.
Sehr regelmäßig in zwei (nicht durchgehend gleich breiten) Spalten angelegt, wobei die linke Spalte die Illustrationen und die rechte den dazugehörigen Text enthält; Doppellinien grenzen die Tabellenfelder von-einander ab. Die Handschrift enthält ein bis drei Illustrationen pro Seite, was zu der auffälligen Größe der Bilder führt (kaum weniger als 140 mm, häufig ca. 200 mm hoch, etliche Bilder ganzseitig). Die Beischriften sind so kurz, dass in der Textspalte häufig Raum freigeblieben ist, was die großzügige Anlage der Handschrift unterstreicht. Sie benennen das jeweilige Heiltum, also das Gefäß (selten unter Angabe von dessen Material) und die eigentliche Reliquie. Die zwei ganzseitigen lavierten Federzeichnungen am Ende der Handschrift waren ursprünglich ohne Beischrift; eine nicht viel spätere Hand hat auf 35v eine Beischrift nachgetragen. Die Zeichnung auf 36r in einfachem Rahmen.
Die Reliquien und Reliquiare stehen jeweils für sich (kein Boden, keine Andeutung von Raum, keine Schatten). Plastische Effekte, z. B. bei den über Tragestangen geworfenen, sich wellenden Mänteln, den Füßen der Monstranzen oder gewölbten Bergkristall-Scheiben, entstehen durch perspektivisch verkürzende Zeichnung und den Einsatz von Lavierung und Farbschattierung (nicht aber durch Federstrichelung). Im Unterschied zur Drucktradition fällt die (auch durch die Größe ermöglichte) genauere Darstellung von Details auf, so beispielsweise der Krabben an den Fialen oder der auf den Gefäßen abgebildeten Figuren. Der Duktus ist durch stimmige Proportionen und sichere Linienführung gekennzeichnet, insbesondere in der charakterisierenden Ausgestaltung der Gesichter (Gesichtsform und Kopfhaltung, Mimik und Ausdruck). Die Zeichnungen stehen in der Tradition Albrecht Dürers;
Der Bannerträger auf 35v steht, ähnlich den Reliquiaren, in keinem erkennbaren Raum. Die Illustration der Heinrichsprozession auf 36r hingegen arbeitet den Bamberger Domplatz deutlich heraus: Die sich um den Dom nach rechts vorne windende, nach links abknickende und schließlich zurück in den Dom mündende Prozession verleiht dem Bild Lebendigkeit und Tiefe. Die Schrein-Träger gehen im Gleichschritt, sind ansonsten aber in Körperbau und -haltung, Kleidung und Gesichtszügen individuell gestaltet.
Das Heiltum ist nach den Gängen geordnet, in denen es bei den Weisungen traditionell gezeigt wurde (auch wenn die Gänge, anders als in der Drucktradition, nicht genannt sind): Banner, Mäntel, Schwerter (2r–3v), Monstranzen (4r–18r), Gefäße (18v–21r), Armreliquiare (21v–23r), Büsten, Statuetten und weitere Armreliquiare (23v–29r), Schreine (29v–31r), Kreuze (31v–33v), Kana-Krüge (34r).
Wie aus dem Vergleich mit der vorangehenden Drucktradition hervorgeht, sind die Reliquien und Reliquiare offenbar nach den Originalen in situ abgezeichnet worden, während der Holzschneider des Drucks von Hans Mair (52.2.a.), auf dem auch die späteren Drucke aufbauen, die Stücke auf der Basis der Beischriften imaginiert hatte. So ist Einn Cleide … dar Innenn der heilig Sant keyser heinrich ritter wordenn ist (2v) in der Drucktradition als Harnisch, in der Handschrift hingegen als textiles Stück dargestellt; ein Kokosnussreliquiar, in der Beischrift als monstrantzen bezeichnet, ist in den Drucken als gotische Monstranz mit Fialen und Figurenbesatz dargestellt; erst in der Handschrift (6v) ist die Kokosnuss erkennbar.
Dennoch steht auch die Handschrift eindeutig in der durch den Mair-Druck von 1493 begründeten Tradition, wie die tabellarische Seitengestaltung und die ganzseitige Darstellung der Heinrichsprozession zeigt (anders
laviertes Braun, Gelb, Grau, Blau (für Edelmetalle und Bergkristall), deckendes Blau, Rot, Grün, Schwarz (für Münder, Textilien und Edelsteine).
Taf. 52.III: 36r. Heinrichsprozession um und in den Bamberger Dom.
Abb. 52.1: 2v. Mantelreliquiare.