KdiH

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51.6.1. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 60

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 6

Datierung:

Um 1460.

Lokalisierung:

Schwäbisch.

Besitzgeschichte:

Seit spätestens 1550 im Besitz Ottheinrichs: Einband Jörg Bernhardts mit Wahlspruch und Monogramm. 1623 aus der Heidelberger Hofbibliothek in die Vatikanische Bibliothek gelangt, 1816 an die Heidelberger Universitätsbibliothek zurückgegeben.

Vgl. auch zur Handschrift Nr. 9.1.7., Nr. 51.26.1. und Nr. 105.0.2. (aktualisiert).

Inhalt:
1. 1ra–100ava Historienbibel IV

unvollständig

2. 100avb–117va Irmhart Öser, ›Brief des Rabbi Samuel‹
3. 117vb–118va ›Spruch der Engel‹ Uns engel wundert all geleich mit Exempel ›Vom Tod des Sünders‹
4. 118va–126vb ›Memoria improvisae mortis‹, deutsch
5. 127ra–142vb Ps. Nikolaus von Dinkelsbühl, ›Speculum artis bene moriendi‹, deutsch
6. 142vb–144ra ›Vom Nutzen der Messe‹
7. 145ra–156vb ›Fegfeuer des heiligen Patricius‹

siehe Nr. 51.26.1.

8. 157r–v Biblische Geschichten (Noah, Simson, Lot)
9. 157ar–184r ›Sankt Brandans Meerfahrt‹, oberdeutsche Prosafassung

Haug (1978): Fassung P

10. 184ara–189vb Eusebius-Brief zum Leben des heiligen Hieronymus, deutsch

vgl. Erika Bauer: ›Hieronymus-Briefe‹. VL 3 (1981), Sp. 1233–1238, hier Sp. 1236

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 194 Blätter, gezählt 1–189 (fehlerhaft, zu ergänzen sind: 23a, 85a, 190*–191* (Blattbestand unvollständig und verbunden: die Blätter 1, 3, 29 sind Reste eines Quinternio, vor Blatt 4 fehlt eventuell eine weitere Lage, Blatt 2 gehört vor Blatt 34, ein weiteres fehlendes Blatt vor 34), 288 × 218 mm, 1r–156v und 184r–189v zweispaltig, 27–30 Zeilen, 157r–184r einspaltig, 42–44 Zeilen, Bastarda, ein Schreiber, rote Überschriften, Strichel, Lombarden über zwei bis sechs Zeilen (gelegentlich fehlend), nur ausnahmsweise über elf Zeilen (163v); zuweilen mit einfachem Fleuronnée (152v, 161v).

Schreibsprache:

(nord-)schwäbisch (Zimmermann: »mit alemannischen und südrheinfränkischen Formen«).

II. Bildausstattung:

Rankeninitiale 1rb und 138 kolorierte Federzeichnungen, eine Hand (Wegener [1927] erwägt zwei Zeichner). – 33 Zeichnungen zu Text 9: 157ar, 157av, 159r, 159v, 160r, 160v, 161r, 162r, 163r, 164r, 164v, 165v, 166v, 167v, 168r, 168v, 170r, 171r, 171v, 172v, 173v, 174v, 176r, 176v, 177r, 177v, 179v, 181r, 181v, 182v, 183r, 183v, 184r; dazu Bildfreiräume: 158v (ganzseitig), 175r, 180v, 183v (initialenartig eingerückt). Mit Ausnahme von 167r (D-Initiale über 16 Zeilen: blaues D gefüllt mit blau/grünblau/violettblauer Farbkomposition, in grün-hellgrünem Rahmen) sind vorgesehene Initialen nicht ausgeführt (158r, 170r, 173r). – Namenbeischriften in den Illustrationen nicht von Schreiberhand. Von späteren Benutzern stammen die Skizzen des pfälzischen Wappens 144v, Judas und Belial 173r und Brandan im Schiff 180v, sowie der Eintrag 175v Peter schmid(?) sol mir […].

Format und Anordnung:

Der Faszikel 157–184 setzt sich mit einspaltiger engzeiliger Textanlage und besonders großem Format der Bilder vom Rest der Handschrift ab – auffallend die unregelmäßige Beschriftung des Spiegels, zwischen den Absätzen und vor und nach einem Bild bleibt oft viel Schriftraum frei, was den Anschein erweckt, als sei eher der Text in die Bildzwischenräume eingepasst worden als umgekehrt. Die Bilder in einfacher linearer Federstricheinfassung ca. 2/3 bis 34 einer Seite umfassend (ca. 180 × 160 mm), z. T. auch größer (ausnahmsweise auch ganzseitig, z. B. 184r: 240 × 160 mm), nur gelegentlich kleiner (153ar und 183v: 115 × 160 mm).

Bildaufbau und -ausführung:

Der Hauptteil des Bildzyklus stellt Brandan mit Begleitern als Gruppe auf dem Schiff oder an Land in Konfrontation mit den Protagonisten der Reiseepisoden dar. Schauende Reisegruppe wie geschaute Wunder meist vom Bildrand überschnitten, somit das Gesamtmotiv unabgeschlossen. Eine Sonderstellung haben die beiden (fragmentarisch erhaltenen) Eingangsbilder 153ar: Brandan allein, statuarisch mit seinen Attributen Abtsstab und Buch, und 153av: Brandan allein, das Buch verbrennend (nur in diesen Darstellungen ist Brandan nimbiert), sowie das Schlussbild 184r: in steiler Draufsicht blickt der Betrachter in einen durch Bogenrahmen abgeschlossenen Kirchenraum, in dem Brandan die Messe liest. – Zeichnerisch eher dilettantisch und auf die Darstellung der Protagonisten beschränkt, Bildtiefe wird (auch wenn gelegentlich ein Landschaftshintergrund angedeutet ist [176r]) nicht erreicht. Räumliche Elemente (Bauten, Mobiliar) völlig unperspektivisch, Figurenbildung sterotyp, flächige Gesichter mit Hakennasen und fermateartigen Augen, meist im Halbprofil. Sehr nachlässige, flächige Lavierung mit viel freistehendem Papiergrund. Modelliert wird lediglich durch Pinselstreifen entlang der Konturen. Charakteristisch das blassrosafarbene Inkarnat, das wie ein Gesichtsschleier die untere Hälfte der Gesichter bedeckt.

Bildthemen:

(Bildthemenkatalog Bodemann/Zaenker [1993] S. 27 f.): Rahmenbildend die Darstellungen Brandans mit dem Buch von den Wundern Gottes (157ar), das er ungläubig verbrennt (157av), und mit dem neuen Buch von den selbst erlebten Wundern Gottes (184r). Dazwischen, angefangen mit dem Aufbruch (159r) und endend mit der Rückkunft Brandans (183v), in linearer Reihung die Episoden der Meerfahrt. Themenauswahl weitgehend wie München, Cim. 102 (Nr. 51.6.2.), wobei einem Heidelberger Bild dort durch Separierung des Teilmotivs ›Brandan, seine Begleiter, das Schiff‹ fast regelmäßig zwei Bilder gegenüberstehen. Dabei gibt es kleine Umakzentuierungen: München, Cim. 102 hat an zwei Stellen, an denen die Heidelberger Handschrift nur eine Illustration führt (›Das irdische Paradies‹ 164r, ›Multum bona terra‹ 173v), nicht nur je eines, sondern je zwei Bildpaare; umgekehrt werden die beiden Münchner Bildpaare ›Brandan mit Buch/Brandan verbrennt das Buch‹ sowie ›Begegnung mit den Zwitterwesen/Brandan schreibt‹ in Heidelberg durch ebenfalls je zwei Bilder statt nur eines repräsentiert (157ar/157av und 176v/177r). Eventuell waren in der Heidelberger Handschrift Erweiterungen des Bildzyklus’ geplant, die nicht ausgeführt wurden (Bildfreiräume siehe oben, 175r mit Inschrift parter).

Farben:

sehr eingeschränkte gedeckte Palette; gedämpftes Grün, mattes durchscheinendes Mittelbraun, Schwarz, Grau, Ockergelb, Blau, Violett.

Literatur:

Bartsch (1887) S. 16 f., Nr. 36; Zimmermann (2003) S. 173–175. – Wegener (1927) S. 59; Mittler/Werner (1986) S. 106 f., Nr. 24 mit Abb.; Sollbach (1987) mit 16 Abb.; Bodemann/Zaenker (1993).

Anmerkungen:

Zu den Illustrationen der Texte 3 und 4 siehe Nr. 9.1.7.; zu den Texten 1 und 2 siehe die Stoffgruppen 59 und 105; zu Text 7 siehe unten Nr. 51.26.1.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 51.12: 164r. ›Sankt Brandans Meerfahrt‹: Das irdische Paradies.

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Abb. 51.12.