36.0.4.Strasbourg, Bibliothèque nationale et universitaire, ms. 2929 (früher L germ. 721.4º)
Bearbeitet von Jeffrey F. Hamburger
KdiH-Band 4/1
Datierung:
Um 1365–1370.
Lokalisierung:
Straßburg.
Besitzgeschichte:
Die Handschrift stammt aus dem Johanniterhaus zum Grünen Wörth in Straßburg, ist aber nicht notwendig dort entstanden, wie oft behauptet wird. Während der Französischen Revolution gelangte sie in die Stadtbibliothek (Signatur: Cod. B 139). Zu den frühen Gebrauchsspuren gehören auch die Gebete auf 1r(Pater noster et Ave Maria. Gelobet Vnd gebenedict sij der werde namen [!] unsere herren iesu christi. vnd der hoh gelobten juncfrowe marien siner muͦter eweclichen an ande Amen. etc. + IESUS – MARIA. zarter minneclicher herre vnt vr⟨ouwe?⟩ ⟨…⟩ hertzen. Amen.), 7r(IESUS-MARIA Minneclicher herre christe ⟨…⟩ hertzen ⟨…⟩.) und 68r(Sprich eyn pater noster vnd Ave maria. Gelobt Vnd gebenediet sij der werde namen [!] vnsers herren iesu christi. vnd der von den juncfrownen vnd himmelkúnegin marien siner muter eweclichen an ende. Amen etc. IESUS. MARIA Minnenclicher herre vnd ⟨…⟩ jungfrawe ⟨…⟩ lieben), alle drei von derselben Hand als Antwort auf den ausdrücklichen Befehl, den Gott Elsbeth Stagel im Kapitel 45 gibt (Bihlmeyer S. 155,4–7: Und ir ward kund getan von gote: wer den namen also bi im truͤge und im teglich ze eren ein Pater noster sprech, dem woͤlte got hie guͤtlich tuͤn und woͤlti in begnaden an siner jungsten hinvart). Die Handschrift befand sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts in der alten Straßburger Bibliothek (Karl Schmidt: Studien und Kritik [1843], S. 1853 ff.). Becker (1914) S. 56 (der sich auf Witter, Cat. Cod. Mss. 1746, S. 19, bezieht) hält fest, daß die heute verlorene frühere Bindung auf dem Rücken noch die alte Signatur B 139 trug. Nach dem Tod von Franz Pfeiffer, der 1870 die Handschrift ausgeliehen hatte, wurde sie aus dessen Nachlaß von der Königlichen Bibliothek in Berlin erworben und mit der Signatur Ms. germ. Quarto 840 [acc. 9493] versehen (1r). Im März 1907 wurde sie von der Bibliothek in Straßburg für 600 Mark zurückgekauft (1r Stempel: Biblioth. Regia Berolinensi, durchgestempelt: abgegeben März 1907) und mit der neuen Signatur L germ. 721 4º versehen (1r).
Pergament von schlechter Qualität mit zuweilen sehr unregelmäßigen Blättern, 160 Blätter (moderne Foliierung des 19. Jahrhunderts mit Bleistiftkorrekturen), dazu je ein Vorsatzblatt aus modernem Papier vorne (mit dem Vermerk, daß die Blätter 84–98 zwischen 68 und 69 gehören und daß Blatt 88 an 83 anschließt) und hinten (mit dem Vermerk, daß die Handschrift im August 1973 neu gebunden wurde), 212–215 × 165–168 (165–170 × 126–133) mm, beschnitten, Textura, ein Schreiber (160vExplicit. Finis adest vere schriptor wult precium habere, rot), mit Ergänzungen und Korrekturen, 32–35 Zeilen. Lagenformel: 1 XII13 + 1 (8, Blattabschnitt zwischen 5–6), 1 XII26 + 1 (22, Blattabschnitt zwischen 17–18), 2 XII50, 1 XII63 + 1 (58, Blattabschnitt zwischen 57–58), 1 VIII72 + 1 [68 in der modernen Foliierung], Blattabschnitt zwischen 69–70), 1 X83 + 1 (75, Blattabschnitt zwischen 81–82), 1 IV87 (gehört zwischen 68–69, so daß 64–72 + 84–87 ursprünglich ein Sexternio mit einem zugefügten Einzelblatt ausmachten; auf 84r finden sich Spuren des Silbers von der Illustration auf 68v), 1 X97, 5 XII157, 1 II160 + 1 (158, eingeklebt), mit Lagenzählung i–xiii (157v) unten Mitte in der gleichen Tinte wie der Text geschrieben mit Ausnahme von v (rot), nicht vollständig (iv [50v] fehlt). Rubrizierung, Bildtitel, Inschriften, lateinische Namen (z. B. der Wüstenväter, 45r–46r), Monogramme (IHS), die Zählung von Textabschnitten (I–IV) am oberen Rand, Caputzeichen und Kreise um die Löcher im Pergament in Rot, Strichelung; grobe Durchstreichung von ausradierten Stellen (z. B. 47v–48r).
Fünf sechs- bis neunzeilige Initialen mit textbezogenem Inhalt (2r, 3r, 42r, 82v, 84v); drei vier- bis siebenzeilige ornamentale Initialen: 88r (Bihlmeyer, S. 200,14: Erster Teil des ›Büchleins der Ewigen Weisheit‹), 136r (ebd. S. 326,4: ›Büchlein der Wahrheit‹), 148r (›Briefbüchlein‹), rot und blau mit Fleuronnée; kleinere rote Initialen, drei- bis fünfzeilig, am Anfang der Textabschnitte. Malerische Behandlung des Monogramms in Kapitel 4 (ebd. S. 16,11: sieben Zeilen, getrübtes Silber und Pinselgold gegen ein Feld von schraffierten roten Linien mit Blutstropfen unten im Rand), und des Wortes HERZENTRUT in Kapitel 41 (ebd. S. 140,7: zweizeilige Majuskeln in Rot und Silber).
Schreibsprache:
alemannisch mit leichtem elsässischen Einschlag (Hofmann [1969] S. 175).
II. Bildausstattung:
Elf kolorierte Federzeichnungen (1v, 8v, 22r, 28v, 57r, 62r, 65v, 67r, 68v, 82r, 109v), fünf sechs- bis neunzeilige Initialen (2r, 3r, 42r, 82v, 84v) und ein Monogramm (7r) mit textbezogenem Inhalt.
Fünf sechs- bis neunzeilige Initialen: 2r neunzeiliges I [bihlmeyer S. 3,1: ›Prolog‹] mit zwei gekrönten Engeln, die einen Wappenschild tragen, innerhalb eines IHS-Monogramms in einem Rosenkranz), 3r (sechszeiliges E [ebd. S. 7,1: ›Vita‹, erster Teil], oben IHS-Monogramm über einer Blume, unten Brustbild des dieners), 42r (sechszeiliges C [ebd. S. 96,5: ›Vita‹, zweiter Teil] mit Pelikan, die Jungen nährend), 82v (sechszeiliges E [ebd. S. 196,2: ›Büchlein der Ewigen Weisheit‹], Buchstabenkörper mit IHS-Monogramm links, von dem diener, der einen Rosenkranz trägt, umfaßt, 84r (siebenzeiliges S [ebd. S. 155,14: ›Vita‹, Kap. 46], oben ein Adler mit ausgespannten Flügeln, der nach der Sonne zum oberen Rand fliegt, unten ein kleinerer Adler, blühende Rankenzier an den äußeren und den unteren Rändern, zwei weitere Vögel).
Format und Anordnung:
Die Zeichnungen sind mit brauner Tinte am oberen und unteren Blattrand jeweils in der Mitte numeriert (i–xi). Die gleiche möglicherweise mit der des Textschreibers, der auch den Großteil der Bildinschriften schrieb, identische Hand notierte xj bilde auf der Vorderseite des Manuskripts (1r). Bihlmeyer ignorierte diese mittelalterliche Zählung und wies den Illustrationen stattdessen die Nummern 1 bis 12 zu, indem er die beiden Register der Zeichnung auf 67r als zwei getrennte Bilder (Nr. 8/9) zählte, obwohl auch zwei andere (Nr. 4: 28v und Nr. 12: 109v) in zwei Register geteilt sind. Mit Ausnahme von Bild Nr. 6 (62r), das auf einem sehr unregelmäßigen, schmal zulaufenden Stück Pergament unter fünf Textzeilen gesetzt ist, füllen alle Zeichnungen eine ganze Seite, werden von roten oder roten und ockerfarbenen Linien gerahmt und mit stilisierten floralen Motiven und Filigranmustern verziert; Teile der Zeichnungen wurden verwischt oder ausradiert, um Platz für Inschriften zu gewinnen. Gelegentlich durchschneiden die Figuren und die sie umgebenden Requisiten die Bildrahmen, die anscheinend erst nach Fertigstellung der Bildfiguren mit der gleichen braunen und roten Tinte angelegt wurden. Während einige Bilder sehr komplex und fein ausgeführt sind (Nr. 1, 5, 8/9–12), lassen andere (Nr. 3 und 7) große Teile des Pergaments leer. An der unteren Ecke von 67r vermerkt eine Notiz (dú obren bild hoͤren herab), daß ein früher Leser meinte, die beiden Bildteile seien verkehrt angeordnet.
Der kodikologische Befund des Manuskripts ist, besonders hinsichtlich der Bilder, außerordentlich komplex. Es geht um die Frage nach dem Stellenwert der Illustrationen, die ungleich und unregelmäßig verteilt sind: Sind sie (1) relativ getreue Kopien von Vorlagen, analog zu den einzelnen Textteilen, die man zumindest ihrem Konzept, wenn auch nicht unbedingt der Ausführung nach, Seuse selbst zuschreiben kann; sind sie (2) eine Überarbeitung des ursprünglichen Bildprogramms oder (3) ein originäres Bildprogramm, das erst für dieses Manuskript und ohne Verbindung zu Seuse als Bild-Autor oder -Inspirationsquelle geschaffen wurde?
Altrock/Ziegeler (2001) haben S. 169 f. gefolgert: »Da nahezu sämtliche Bilder in A [der Straßburger Handschrift] auf Einzelblättern aufgetragen worden und entsprechende Verfahren des Schreibers zu beobachten sind, den Seitenspiegel im Anschluss an das Bild zu wahren, bedeutet dies, dass die Bilder der Vorlage von A, die mit Recht als ›originalnah‹ gilt, sehr wahrscheinlich en bloc zusammengebunden und der Hs. inseriert gewesen sind, so wie dies noch jetzt in P [der Pariser Handschrift] zu beobachten ist.« Selbst wenn man die Tatsache beiseite läßt, daß das Pariser Manuskript nicht den gesamten Text der ›Vita‹, geschweige denn des gesamten ›Exemplars‹ überliefert, bringt die Argumentation von Altrock und Ziegeler verschiedene Schwierigkeiten mit sich, von denen einige oben in der Einleitung bereits diskutiert wurden. Zum einen sind nur vier (8v, 22r, 57r, 67r) der elf Zeichnungen, die über eine ganze Seite gehen, auf Einzelblättern eingefügt (wie übrigens auch eine einzelne Textseite: Blatt 75). In jedem dieser Fälle war ein Textstück, das unmittelbar vor oder nach dem Bild auf demselben Blatt gestanden hatte, ausradiert und durch dieselbe Hand neu auf derjenigen Seite des Blattes geschrieben, die nicht für die Illustration verwendet wurde. So waren z. B. auf 9r alle Zeilen mit Ausnahme von dreien ausradiert, dann auf 8r Wort für Wort neu geschrieben worden, so daß sie nun vor dem Bild auf 8v stehen. Dasselbe Verfahren kann auf 21v beobachtet werden (wo die letzten fünf Textzeilen sowohl ausradiert als auch mit roter Tinte durchgestrichen, dann auf 22v neu geschrieben worden waren – und auf das Bild auf 22r folgen), auf 56v (wo alle außer den ersten zwölf Textzeilen ausradiert und auf 57v reproduziert worden waren, und auf 66v (wo elf Textzeilen inklusive der roten Überschrift, der Initiale und des Textbeginns von Kapitel 45 ausradiert und auf 67v neu erstellt worden waren). Drei dieser Einfügungen (8v, 22r, 67r) ermöglichen es, Bilder (Nr. 2, 3 und 8) in der Mitte eines Kapitels und unmittelbar auf die Passagen, die sie illustrieren, folgend, zu plazieren. Im einzigen anders gelagerten Fall einer nachträglich eingefügten Illustration steht das betreffende Blatt (57r: Bild 5) zwischen zwei Kapiteln. Von den Bildern, die nicht auf Einzelblättern inseriert wurden (1v, 28v, 62r, 65v, 68v, 82r, 109v = Nr. 1, 4, 6–11), stehen alle außer Nr. 6 (62r) und 8/9 (67r) am Ende eines Kapitels. Auch ein Blatt ohne Illustration (75rv = Bihlmeyer S. 179,5–180,13 [›Vita‹ Kap. LI] ist ein eingefügtes Einzelblatt. Überdies sind die Rasuren nicht auf die Stellen beschränkt, an denen Bilder eingefügt wurden: Mitten im Kapitel 36 (Bihlmeyer S. 110,20) waren die letzten zehn Zeilen von 47v und die erste von 48r ausgelöscht worden, wahrscheinlich auf Grund eines Schreiberfehlers, und der leere Raum wurde mit grober Schraffierung in roter Tinte ausgefüllt. Eine weniger aufdringliche Korrektur wurde auf 57v (Bihlmeyer S. 131,5 f.) vorgenommen, wo der Schreiber irrtümlich einen halben Satz kopierte (Der bruͦder kam zuͦ dem diener der weisheit mit grossem), bevor er bemerkte, daß er eine Zeile übersprungen hatte.
Diese verschiedenen Brüche und Rasuren lassen kein eindeutiges oder konsequentes Muster und keine klare Zielsetzung erkennen. Verschiedene Entstehungsmöglichkeiten von größerer oder geringerer Plausibilität sind denkbar. Nach der ersten wäre der Text von einer nicht illustrierten Vorlage abgeschrieben oder kompiliert worden; die Bilder wären erst danach auf Grund späterer Überlegung eingefügt worden. Diese Annahme verliert durch einige Umstände an Wahrscheinlichkeit. Sechs der elf Zeichnungen im Straßburger Manuskript lassen kein Anzeichen einer Veränderung ihrer ursprünglichen Position erkennen. Außerdem bezieht sich der Prolog zum ›Exemplar‹ – neben anderen Hinweisen auf Illustrationen im Text – auf die himelschen bilde, dú hier vor und na stand (Bihlmeyer S. 4,24), was mit der Verteilung der Bilder vor und nach dem Prolog, wie sie im Straßburger Manuskript erhalten ist, übereinstimmt. Die Wortwahl des Prologs spricht auch gegen Altrocks und Ziegelers Vorstellung, daß die ursprüngliche Fassung zwar illustriert gewesen sei, jedoch mit einer Bilderfolge en bloc. Eine zweite, ebenfalls nicht unproblematische Möglichkeit wäre, daß Schreiber und Illustrator getrennt gearbeitet haben und ihre Ergebnisse nur notdürftig aufeinander abgestimmt wurden. Die Bildinschriften wurden zwar zum größten Teil vom selben Schreiber wie der Text eingetragen, aber erst nach Vollendung der Bilder, und Rasuren und Zusätze (s. u.) lassen erkennen, daß sie anschließend verändert und sorgfältig ausgearbeitet wurden. Theoretisch könnten zwar Schreiber und Illustrator nach je verschiedenen Vorlagen und/oder Anweisungen gearbeitet haben. Gegen diese Hypothese sprechen jedoch wie gegen die erste die sechs Zeichnungen auf den integrierten Blättern. Eine dritte Möglichkeit bestünde in einem kleineren Illustrationsprogramm der Ursprungsfassung, so daß die Bilder auf den sekundär eingefügten Blättern nicht einfach Änderungen, sondern Zusätze darstellten.
Eine vierte, aber auch nicht unbedingt endgültige Möglichkeit wäre, daß der Schreiber wiederholt die richtige Plazierung der Bilder übersehen hat, besonders im ersten Drittel des Manuskripts, wo die Rasuren gehäuft auftreten. Obwohl er sich offensichtlich getreu an die Besonderheiten seiner Vorlage hielt, ist erkennbar, daß er nachlässig war, wenn es um die korrekte Abfolge von Textblöcken ging. Das Ergebnis war eine Abschrift, die ihrer autoritativen Vorlage nur unzureichend gerecht wurde. Der Schreiber hätte die übersehenen Bilder ungefähr an den richtigen Stellen auf Einzelblättern einfügen können. Stattdessen hat er jedoch große Textblöcke ausradiert, so daß die übersehenen Bilder seiner Vorlage ungefähr an der richtigen Stelle eingefügt werden konnten. Obwohl ein solches Vorgehen ziemlich große und unschöne Leerstellen zur Folge hatte, hätte es genau dem Respekt gegenüber dem originären ›Exemplar‹ entsprochen, den der Prolog fordert (Bihlmeyer S. 4,29 ff.).
Keine der angesprochenen Möglichkeiten ist vollauf befriedigend, so daß das Bildprogramm der Handschrift in seiner Genese paradoxerweise partiell ein Geheimnis bleibt, trotz der reichen Informationen, die der Text selbst in Bezug auf seine eigene Entstehung enthält.
Bildaufbau und -ausführung:
Die Vorbehandlung des für die Bilder vorgesehenen Pergaments war unterschiedlich: Die sieben Bilder, die über einer Linierung gezeichnet wurden (Nr. 4, 6, 7, 8/9–12), stehen auf integrierten Blättern, während die restlichen (Nr. 1–3, 5, 8) mit Ausnahme von Nr. 1 (1v) auf eingefügten Einzelblättern gezeichnet sind, die, von Einstichen an den äußeren Ecken abgesehen, ohne weitere Vorbehandlung sind. Die Bildinschriften, darunter einige in Versen, wurden, wie es scheint, erst nach Fertigstellung der Bilder eingefügt. Auch diese Inschriften, von denen viele in Kästchen aus roter oder brauner Tinte eingeschlossen sind, wurden eingehend redigiert und verändert. Die Bilder 1, 2, 4 und besonders 5 verraten Rasuren nicht der Bilder selbst (in denen allerdings einige Vorstadien erkennbar sind), sondernd der Inschriften, die fast zur Gänze von derselben Hand wie der Rest des Textes geschrieben sind. So sind etwa auf 1v (Nr. 1) unten links der zweite Teil der Inschrift, die Hiob zugeordnet wird, beginnend mit Der welt minne, und in der unteren linken Ecke die unmittelbar angrenzenden Worte Sapiens est ordinare, die sein Gegenüber Aristoteles spricht, über einer Rasur geschrieben. Auf 8r wurde ein Teil der Überschrift von Bild 2 (8v) ausradiert (Diz nagend bilde bewiset eins wolanuahenden menschen raizzlich gesuͦche […] gerartlichen trost) und dann in eher brauner Tinte zu […] nach gerartlichen trost korrigiert. Auf 8v (Nr. 2) finden sich Spuren von Rasur am oberen Rand über dem Bild, und im Bild selbst wurden beide Inschriften (Er hat mich vnd ich in minneklich vmbuangen des stan ich aller creaturen ledig vnd bin [mit in] vnbehangen und Der diener der Ewigen wisheit) zum Teil über Rasuren eingefügt. Auf 28r (Nr. 4) wurde die Zahl iiii in der Mitte des oberen Rands, außerhalb des Rahmens, über einer Rasur geschrieben. Auf 57r (Nr. 5) wurden die Worte mit essich vnd mit gallen, wellen wir in renken mit schallen in der Mitte rechts von einer anderen Hand in einer blasseren braunen Tinte über einer Rasur hinzugefügt. Die unmittelbar darunter stehende Inschrift, einen hingeworfenn schelmen sol nieman klagen, wan sol in dvsas vntier lassen gnagen, ist zwar von der Haupthand geschrieben, jedoch auf Rasur. Auf 62r (Nr. 6) ist das erste Wort der Überschrift, Disvas, ebenfalls über einer Rasur geschrieben (der letzte Buchstabe wurde von anderer Hand oder jedenfalls in anderer Schrift, auch in Rot, hinzugefügt). Auf 68v (Nr. 10) wurde die Inschrift, die die weibliche Hauptfigur, Die ewige wisheit, identifiziert, in brauner Tinte über ein paar ausradierten Worten in Rot geschrieben. Auf 82r (Nr. 11) wurde der Rahmen in Form einer roten Linie am oberen Rand ausradiert, um für zwei Inschriften oben Platz zu gewinnen (links Diz ist der ewigen gotheit wisloses abgruͤnde, daz weder anvang hat noch kein ende, rechts Diz ist der personen driheit in wesenlicher einikeit, von dem cristus gelob seit), die von derselben Hand wie alle anderen geschrieben sind. Auch auf 109v (Nr. 12) wurde der Rahmen am oberen Rand ausradiert, um einer Inschrift – von der gleichen Hand – Platz zu machen (Alles liden wenden tuͦt Der Jesus treit in sinem muͦt).
In Anbetracht der geringen Zahl illustrierter Handschriften aus dem Elsaß des 14. Jahrhunderts, die noch existieren, gibt es wenig Vergleichsmaterial für die Bilder. Unter den Vergleichsobjekten mit am besten geeignet sind die Figuren in der kolorierten Zeichnung der Fassade des Straßburger Münsters (Strasbourg, Musée de l’Œuvre Notre-Dame, Inv.-Nr. 5), die 1360–1370 datiert wird, vgl. Recht (1980). In Stil noch näher stehen jedoch die lavierten Zeichnungen, die das ›Speculum humanae salvationis‹ in Paris, Bibliothèque nationale de France, ms. lat. 511, illustrieren (vgl. François Avril et Claudia Rabel avec la collaboration d’Isabelle Delaunay: Bibliothèque nationale de France. Manuscrits enluminés d’origine germanique. Tome 1. Paris 1995, Nr. 159, S. 179–182, Abb. CXLIV–CXLV), die Avril und Rabel ins Elsaß oder in den deutschen Südwesten lokalisieren und auf etwa 1370–1380 datieren.
Bildthemen:
Disú bild bewisent der Ewigen wisheit mit der sele geischlich gemahelschaft, 1v (Nr. 1: 1v); Diz nagend bilde bewiset eins wolanuahenden menschen raizzlich gesuͦche nach gerartlichen troste, 8r (Nr. 2: 8v); Diz nagend bild meinet eins wolzuͦnemenden menschen vͤbigen durpruch, 22r (Nr. 3: 22r); Dis nagende bilde mit dem rerarselohtem ringe betútet mengerlai liden in den ein warer gotesfrúnd muͦss beweret werden, 28r (Nr. 4: 28v); Diz nagende erbermklich bilde zerarget den strengen vndergang etlicher vserwelter gotes frúnden, 56v (Nr. 5: 57r); Disú nagenden bild gebend ze versten die trostlichen vnderlibi die got sinen lidern vnderwilent lat werden, 62r (Nr. 6: 62r); Diz nagend bild lert den menschen wie er nuzzberlich sol liden, 65r (Nr. 7: 65v); Diz nagenden bild bewisent aller gotlidender menschen himelschen trost in zit vnd ir gross ere vnd loblich wirdekaiut die sú son besizen in ewikkait, 66v (Nr. 8/9: 67r); Diz nagend bild zerariget wie ein úberuolles herz gotes das selb och gern gemeinsamet vil andren menschen, 68r (Nr. 10: 68v); Disú nagendú bild bezeichnent der blossen gotheit iewesentheit in perserarnlicher driheit vnd aller creaturen us vnd wideringeflossenheit vnd zerargent den ersten begin eins anuahenden menschen vnd sinen ordenlichen durpruch des zuͦnemens vnd den allerherarhsten vsasberswank vsasberweslicher volkomenheit, 81v (Nr. 11: 82r); Diz nagenden bilde meinent ein suͤsses trerarsten mit himelschen worten aller truigen herzen, 109r (Nr. 12: 109v).
Taf. XIV: 7r. Heinrich Seuse, ›Das Exemplar‹: Der diener vor dem Gekreuzigten und dem Jesuskind / Der diener zwischen dem Schmerzensmann und einem Engel, daneben zwei lidende menschen.
Abb. 76: 22r. Heinrich Seuse, ›Das Exemplar‹: Maria und das Jesuskind geben dem diener zu trinken.
Abb. 77: 28v. Heinrich Seuse, ›Das Exemplar‹: Seuse mit Engel im Kreise seiner Brüder, Anna und der Engel.
Abb. 78: 7r. Heinrich Seuse, ›Das Exemplar‹: IHS-Monogramm.
Abb. 79: 67r. Heinrich Seuse, ›Das Exemplar‹: Der diener empfängt von Engeln himmlische Tröstung; der diener wird mit den Ritterinsignien belehnt.
Abb. 80: 82r. Heinrich Seuse, ›Das Exemplar‹: Der mystische Weg.