38.6.1. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 582
Bearbeitet von Rainer Leng
KdiH-Band 4/2
Nach Lecküchners Angaben 1478 erarbeitet und am 19. Januar 1482 fertiggestellt: Composita Est materia illa per dominum Johannem Leckuchner tunc temporis plebanus in Herczogaurach anno domini MºCCCº septuagesimo octavo. Sed ist liber scriptus est et completus anno 80 secundo in vigilia sancti Sebastiani etc (216v).
Nordbayern (Herzogenaurach?).
Die Handschrift wurde von Lecküchner für Kurfürst Philipp den Aufrichtigen von der Pfalz (1476–1508) angefertigt (1r), hat den Widmungsempfänger aber nicht erreicht; von Superintendent zu Burglengenfeld Johan Tettelbach 24 Augusti 1579 (vorderer Innendeckel) an Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg (1547–1614) geschenkt, von Neuburg durch Kurfürst Johann Wilhelm (1658–1716) zusammen mit der Bibliothek von Jülich-Berg nach Düsseldorf verbracht (Düsseldorfer Signatur I 167 Iv, eingetragen in Cbm Cat. 555, S. 130, J. C. Silbermann, Inventarium librorum Bibliothecae in Aula ducali Dusseldorpii 1664), 1731 nach Mannheim verbracht, 1803 in die Münchener Hofbibliothek eingegangen.
1r–216v |
Hans Lecküchner, ›Kunst des Messerfechtens‹
›Das ist herr Hannsenn lecküchner von Nurenberg künst vnd zedel ym messer dy er selbs gemacht vnd geticht hatt den text vnd dy auslegung dar vber dem hochgeporen fursten vnd herren hertzogen philippen phalczgraffen Bey reyn Erczdruckseß vnd kurfürst und herczog yn Bayern. Dy vor rede. [O]B dw wilt achten / Messer vechten betrachten‹ |
Papier, I + 216 Blätter (moderne Foliierung, springt von 144 auf 146), 300 × 207 mm, Bastarda von einer Hand; ob die Selbstnennungen (1r, 216v) auch auf ein Autograph Lecküchners schließen lassen, ist fraglich (
nordbairisch.
414 kolorierte Federzeichnungen von der Hand eines »Michel Wolgemut sehr nahestehenden Meisters« (
120–200 mm hohe, halbseitige Zeichnungen über die ganze Seitenbreite unter den Kommentaren mit direktem Bildbezug (26v hie lertt der meister, etc.); aus nachträglich den Bildbezug aufnehmenden Kommentaren wie Item das vntten gemalt stett Ist nichts wedeuttig etc. (97r) ist zu schließen, daß zunächst die Bilder gefertigt und dann der Text unter Prüfung der Wechselbeziehung nachgetragen wurde.
100–120 mm große Kämpferpaare im Voll- oder Halbprofil in variierten Stellungen mit dem langen Messer, meist vor Horizontlinie auf durch Lavierung angedeutetem Rasengrund, Schattenwurf durch leichte Schraffuren angedeutet, Höhe der Linie auf gegenüberliegenden Seiten angepaßt; Rasengrund gelegentlich mit idealisiertem Pflanzenwuchs, Steinen oder Landschaftshintergrund (95r, 96v, 97r, 99v, 112v, 132r, 160r, 161r; 50r Wolken); sämtliche Kämpfer ungewappnet mit enganliegender Kleidung und Schnabelschuhen, Kleidung durch Knöpfe, Schraffuren, Applikationen und angedeutete Stickereien verziert (142v u. ö. bekröntes Herz), durchgehend sehr feiner Federstrich, inkonsequente Individualisierungsversuche durch Wiederholung von Kleidungsdetails bzw. Kopfbedeckungen oder Physiognomie und Barttracht, jedoch selten über mehr als drei Bildfolgen; Figurenkomposition statisch, jedoch mit gutem Sinn für Stellungen und Proportionen; Gesichtszeichnungen, Haar- und Barttracht teils feiner, gelegentlich auch gröbere bis karikaturhafte Züge: »häßliche Köpfe und Galgengesichter« (
Ocker, Rosé, Rot, Gelb, Braun, Grau, Blau.
Taf. VIII: 28v. Hans Lecküchner, ›Kunst des Messerfechtens‹: Kampf mit dem langen Messer.
Abb. 35: 91v. Hans Lecküchner, ›Kunst des Messerfechtens‹: Brettspiel als Überlegenheitsgestus.