103.2.1. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2718
Bearbeitet von Kristina Freienhagen-Baumgardt
KdiH-Band 10
Text: 12./13. Jahrhundert (Text); Illustrationen und Beischriften: 2. Hälfte 14. und 15. Jahrhundert, Vorsatzblatt (IIIv) um 1390, Nachsatzblatt (Iav) 14. Jahrhundert.
Bodenseegebiet (
Es sind keine Angaben zur mittelalterlichen Provenienz vorhanden. Die Signatur A.16. (IIIv) verweist auf die Bibliothek des Professhauses der Wiener Jesuiten im 17. Jahrhundert. Die Handschrift ist wohl vor 1756 in die Wiener Hofbibliothek gekommen (vgl. MeSch II [2002] S. 55).
1r–43v |
›Hoffmannsche Predigtsammlung‹
35 Sonn-, Feiertags- und Heiligenpredigten vom 1. Advent bis 5. Sonntag nach Trinitatis in gestörter Reihenfolge, fragmentarisch
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44r |
Abschrift einer Urkunde des Papstes Bonifaz IX.
Fragment
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Pergament und Papier, III + 44 + III Blätter (zwei nachträglich eingeklebte ganzseitige Federzeichnungen, beide wohl ursprünglich als Einbandspiegel verwendet [IIIv: heute als drittes Vorsatzblatt; Iar: heute als Nachsatzblatt nach Blatt 44, allseitig beschnitten, Schäden durch Rostfraß), 205 × 135 mm, gotische Buchschrift, drei Hände (I: 1r–8v, 31r–35v, 37r, Z. 5–43v; II: 8ar–30v; III: 36r–37r, Z. 4), dazu Nachtragshände mit Illustrationen und Beischriften, einspaltig, 26 Zeilen, rote Anfangsbuchstaben und rote Überschriften zu Beginn der Predigten, Predigtschlüsse zum Teil mit neumierten Rufen (siehe hierzu
bairisch-ostalemannisch (
Zwei kolorierte ganzseitige Federzeichnungen (IIIv, Iar), zwei Maler. Im Text elf einfache, bis auf 44v unkolorierte Zeichnungen von den Nachtragshänden, (unten auf 44r zudem ein Papstwappen neben der Papsturkunde).
Die nachträglich eingeklebten ganzseitigen Federzeichnungen rahmen heute den Text ein, indem sie auf neuen Vor- und Nachsatzblättern aufkaschiert sind. Die elf im Text nachgetragenen Illustrationen erstrecken sich über fünf bis sieben Zeilen und befinden sich am unteren Rand der jeweiligen Predigt, meist zu Textbeginn.
Das Hieronymus-Bild war wohl schon im 15. Jahrhundert Teil der Handschrift (detailliert hierzu MeSch III [2004] S. 138, zu Hieronymus siehe auch Stoffgruppe Nr. 51.15.). Hieronymus (nimbiert) ist im Begriff, dem Löwen den Stachel aus der Pfote zu ziehen. Er sitzt auf einer schlichten Thronbank und dominiert aufgrund seiner Größe die Szenerie. Über der grauen Kutte trägt er einen roten Mantel, auffallend ist die gekrümmte Krempe des Kardinalhutes (vgl. auch Hinweis auf Wien, Cod. 2875 [Nr. 51.15.5.] in MeSch III [2004] S. 140). Der Löwe befindet sich auf grünem Untergrund, der Landschaft andeuten soll. Modellierung durch Parallel- und Kreuzschraffuren. Die Darstellung zeigt einen ikonografischen Typus, der auf Traditionen aus dem böhmisch-mährischen Raum zurückgeht (vgl. MeSch III [2004] S. 139f. mit Hinweisen auf Einblattholzschnitte, Cgm 60 [Nr. 51.15.3.], Paris, ms. allem. 36 [Nr. 51.15.4.]); auch die Ausführung weist auf den mährischen Raum um 1390 (MeSch III [2004] S. 140).
Das Kanonbild zeigt vor braunem Hintergrund Christus (ohne Dornenkrone) am Kreuz zwischen Maria und Johannes, rechts fragmentiert ein kniender Mann (geistlicher Stifter? vgl. MeSch II [2002] S. 57) mit Spruchband (miserere mei deus). Der Leib Christi blutet aus einer Vielzahl von Wunden, aus der Seitenwunde und den Handwunden fließen Blutströme zu Maria und Johannes (zu derartigen Kanonbildern vgl. auch Nr. 103.7.1.). Johannes (grüner Nimbus, rotes Untergewand und grünem Mantel) scheint sein Haupt mit der Rechten zu stützen, in der Linken hält er ein blutbeflecktes Buch. Maria (grüner Nimbus, grünes Untergewand und roter Mantel) hebt die gefalteten Hände zum Kreuz auf. Der Farbauftrag ist flächig ohne Schattierungen, Falten werden durch aufgezeichnete Striche markiert. Stilistische Merkmale wie der V-förmige Faltenwurf bei Marias Mantel und »schräge, flächige Manteldrapierung bei Johannes« (MeSch II [2002] S. 57) wirken altertümlich. Auch wenn es sich um »eine sehr grobe Zeichnung« (MeSch II [2002] S. 57) handelt, gelingt es dem Maler doch die Gesichter der Heiligen ausdrucksstark zu gestalten. Ähnlich wie bei dem Kanonbild in Berlin, Ms. germ. quart 22 (Nr. 103.7.1.) geben die runden Köpfe und kleinen Münder Maria und Johannes einen kindlichen Ausdruck. Nur wenige Farben werden verwendet.
Bei den elf Illustrationen zum Predigttext handelt es sich um dilettantische unkolorierte Federzeichnungen, die dem Leser wohl Orientierung innerhalb der Sammlung geben sollen. Sechs Illustrationen zeigen Bildbeischriften (31r, 34v, 35r, 35v,38v, 41v), die ein sehr ungeübter Schreiber hinzusetzt, der immer wieder auch – ebenfalls unterhalb des Textes – kurze Zusammenfassungen des jeweiligen Predigtinhalts bietet. Die Illustrationen wirken skizzenhaft, ohne räumliche Einbettung und perspektivische Ausgestaltung, mit schwarzer Tinte sind nur die Konturen des jeweiligen Motivs gezogen. Darüber hinaus dienen lediglich Rahmenlinien und »Zierfortsätze« an den lateinischen Zitaten als »Dekor« (MeSch II [2002] S. 56).
Die ganzseitigen Federzeichnungen zeigen den hl. Hieronymus mit dem Löwen (IIIv) und ein Kanonbild (Iar). Ein konkreter Text-Bezug lässt sich nicht festmachen, da keine thematisch zutreffende Predigt in der fragmentarisch überlieferten Sammlung erhalten ist. Detaillierte Zusammenstellung der Bildthemen in den Predigten, die einen eindeutigen Text-Bild-Bezug erkennen lassen, in MeSch II (2002, S. 56): Standkreuz (8r, zu Des heiligen chrevz tag), Evangelist Johannes (?), Martyrium (8av), Kronen der Hl. Drei Könige (10v), aufgegangener Samen in Form eines Grasbüschels (18r), hl. Paulus (31r), hl. Andreas (34v), hl. Nikolaus (35r), Krippe mit Christuskind und Esel (35v), hl. Margarete mit dem Drachen (38v), vier Schafe (40v), Apostel Paulus (41v). Die Randzeichnungen greifen jeweils ein bekanntes Element aus der Predigt heraus, so beispielsweise vier Schafe (davon ein schwarzes) zum Gleichnis vom verlorenen Schaf oder der aufgegangene Samen zum Gleichnis vom Sämann. Die Heiligen sind mit den bekannten Attributen gezeigt. Kein Bezug zum Text lässt sich bei den Randzeichnungen auf 5r (Tier unbestimmt), 21r (Lilie), 23r (sternartiges Signum) und 44r (Christus auf dem Ölberg) erkennen.
Grün, bräunliches Rot, Ockergelb, Braun.
Abb. 22: 35v. Krippe mit Christuskind und Esel.