KdiH

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90.0.e. Augsburg: Johann Bämler, 18.2.1480

Bearbeitet von Heidrun Stein-Kecks

KdiH-Band 9

Beschreibung:

2o, 100 Blätter, ohne Zählung (a–g10, h8, i12, k10), a1r leer, einspaltig, 25–28 Zeilen, Blocksatz, Incipit in Rotdruck.

Bildausstattung:

Veränderter Nachdruck der ersten Ausgabe Bämlers (Nr. 90.0.b.) mit Abweichungen der Holzschnittfolge: 72 Holzschnitte von 65 Stöcken, 74–85 × 105–118 mm, entsprechend ca. zwölf bis vierzehn Zeilen in der Höhe, in der Breite um zwei bis vier Zeichen eingezogen (zum Falz meist bündig mit dem Schriftspiegel). Textbeginn in Rotdruck. Neu ist ein dem Sorg-Meister (Schmid [1958] S. 56) zugeschriebener Einleitungsholzschnitt (a1v), 159 × 133 mm.

Bildthemen:

Bämler verwendet für seine zweite Ausgabe der ›Melusine‹ 52 der 56 für die erste Ausgabe 1474 (Nr. 90.0.b.) geschnittenen Formen, sechs davon in derselben Weise ein- bzw. zweimal wiederholt abgedruckt (a4r = b8r, b4v = g8v, b6v = d4r, b7v = d8r = e7r, b8v = e8r, c1r = i7r). Vier der ›Melusine‹-Formen von 1474 werden durch Neuschnitte ersetzt (b3r, c6v, h5v, m5v). Aus der eigenen ›Troja‹- Ausgabe (für c8r, d8r, e10v, f1r) von kurz nach dem 24.4.1474 (GW 07233) wurden vier Formen verwendet (vgl. künftig Stoffgruppe 130. Trojanerkrieg). Eine Hochzeitsszene, die Vermählung von Gyot und Florie (d6r), wird neu aus Günther Zainers Ausgabe des Rodericus Zamorensis, ›Speculum vitae humanae‹, deutsch, nicht vor 26.3.1475, nicht nach 1476 (GW M38511), 39r genommen. Die Provenienz des letzten Fremdholzschnitts, einen gekrönten König statt Geoffroy auf dem Sterbebett darstellend (k8v), konnte noch nicht ermittelt werden. Die im Titel angekündigte Geburt Geoffroys und weiterer zweier Söhne wird nicht mehr mit der Einschiffung von Uriens und Gyot verbunden, sondern wie auch in der Nürnberger Handschrift von 1468 (Nr. 90.0.5.), der die Bämler’schen Drucke auch sprachlich nahestehen (Behr [2014] S. 139–141), tatsächlich mit einer Kindbettszene (c6v) illustriert, der Geburt eines Sohnes des hl. Königs Melchior, übernommen aus der ›Historia beatissimorum trium regum‹, deutsch, des Johannes von Hildesheim in der Ausgabe Anton Sorgs (›Die Neue Ee‹, 7.10.1476, 20v, GW 09248, Nr. 59.13.a.). Für die Lehensnahme (b3r) wird ein aus dem ›Speculum humanae salvationis‹ Günther Zainers von 1473 (GW M43054, künftig Stoffgruppe 120.) entnommener Druckstock (88r), der eine ähnliche Drei-Figuren-Konstellation zeigt wie die ›Melusine‹-spezifische Bildtradition, bearbeitet. In einem weiteren Fall ersetzt Bämler die Darstellung der Klage Melusines und die Niederschrift ihres letzten Willens (h5v) durch einen Holzschnitt seiner eigenen Ausgabe des ›Speculum vitae humanae‹ in der Übersetzung Heinrich Steinhöwels von 1479 (GW M38507). Er zeigt einen Rechtsakt (e8v), der sich im rein männlichen Umfeld der Rechtsprechung abspielt, wiederum mit der Nürnberger Handschrift vergleichbar, in der der Akt der Lehensnahme in dieser juristisch anmutenden Weise wiedergegeben ist.

Die wichtigste Neuerung stellt der Einleitungsholzschnitt (a1v) dar. Im Hochformat zwei Drittel der Versoseite einnehmend, stellt er in der ikonografischen Tradition der Wurzel-Jesse-Darstellung für den Stammbaum Jesu die genealogische Rolle der Melusinenfigur heraus und lenkt damit die Leserezeption auf diese Bedeutungsebene des Textes. Als Zwitterwesen, auch im Hinblick auf ihr nicht erkennbares Geschlecht (Ott [2008] S. 222), erhebt sie sich frontal im Zentrum des Bildes aus dem sechseckigen Brunnenbecken, in dem der geschuppte Unterleib unter Wasser in einen schlangenartigen Schwanz übergeht. Als eine geborene Königin trägt sie eine Krone unter dem zweigipfligen Hennin. Neben ihrem Nabel entspringen zwei Stränge des Stammbaums, in dessen Ranken die Büsten von fünf ihrer Söhne platziert sind: Geoffroy mit dem Zahn, zwei gekrönte Könige, also Uriens und Gyot oder Reinhart, sowie Dietrich, der im Familienkloster für die Memoria sorgt, und der Erbe der väterlichen Grafschaft vom Forst, Reymond. Die vorgesehenen Namensbeischriften in Schriftbändern wurden nur bei melusina tatsächlich gedruckt. Auf einer Ebene mit Melusine sind ihre beiden Schwestern platziert: Meliora lugt mit dem Sperber über die Mauer des Schlosses, und Palestine thront auf der von Drachen bewachten Schatztruhe des Vaters auf einem Hügel, dem Berg Aragon. Diese Ikonografie wird vorbildlich für die Titelblätter der späteren ›Melusine‹-Ausgaben des 16. und mit Abwandlungen bis ins 18. Jahrhundert hinein (Nr. 90.0.g. und Nr. 90.0.h.).

Literatur:

GW 12660, vier Exx. nachgewiesen; ISTC im00478000. – Schmid (1958) S. 56; Veitschegger (1994) S. 115; Rautenberg (2006) S. 86–88; Vöhringer (2008) S. 340f.; Terrahe (2009) S. 51f.; Hespers (2010) S. 162–164; Stein-Kecks/Hespers/Feraudi-Denier (2012) S. 24f.; Bock (2014) S. 242.

Weitere Materialien im Internet:

GW

Abb. 123: Berlin, SMPK, Kupferstichkabinett, Sign. 2839a, a1v. Stammbaum mit Melusine als Ahnfrau.

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Abb. 123.