90.0.h. Straßburg: Johann Knobloch, 1516
Bearbeitet von Heidrun Stein-Kecks
KdiH-Band 9
4o, 84 Blätter, ohne Zählung, A8, B–C4, D8, E–F4, H–I4, K8, L–M4, N8, O4, P8; A1v und letzte Seite leer, einspaltig, 32 Zeilen (G6v und L2r 33 Zeilen), Blocksatz.
67 Holzschnitte von 67 Stöcken, A1r Titelblatt mit Titelholzschnitt, darüber dreizeiliger xylografischer Titel, zwei quadratisch gerahmte Initialen, Weiß in Schwarz.
Für die in der Höhe zwölf Zeilen einnehmenden, leicht querformatigen Holzschnitte werden die Formen von Knoblochtzer, 1491 (vgl. Nr. 90.0.c.) wiederverwendet, wobei die Textfassung eine Bearbeitung nach Hupfuff, 1506 (Nr. 90.0.f.) darstellt und damit der Augsburger Texttradition folgt (
Die Bildthemen entsprechen aufgrund der Wiederverwendung der älteren Druckstöcke der Heidelberger Ausgabe Knoblochtzers von 1491 und stehen damit in der Tradition Bernhard Richels (Nr. 90.0.a.) und dessen Nachfolge in Straßburg. Die bei Knoblochtzer 1491 unpassende Wiederholung der Trauungsszene von Anthoni und Christina mit Musik und Tanz für die stille Trauung Reinharts mit Esglantine nach dem Tod des Brautvaters wird durch eine passende Form ersetzt, die nach den älteren Ausgaben Knoblochtzers, 1477 und um 1482 (vgl. Nr. 90.0.c.) neu geschnitten wurde (G7r).
Der neu geschnittene Titelholzschnitt modernisiert formal die mit Bämler, 1480 (Nr. 90.0.e.) in Augsburg eingeführte und durch Hupfuff, 1506 (Nr. 90.0.g.) in Straßburg inhaltlich veränderte Ikonografie des Stammbaums. Der zu Hupfuff seitenverkehrte Neuschnitt passt die Komposition dem nahezu quadratischen Format an, dabei gewinnt die räumliche Disposition an Tiefe. Dazu trägt die stärkere Überschneidung des Turstbrunnens durch das Sperberschloss bei, ebenso die in der Größe einander angeglichenen, dynamischer im Bildraum agierenden und miteinander über Gesten kommunizierenden Figuren, die die wenigen verbliebenen Ranken des Stammbaums zum ornamentalen Beiwerk reduzieren. Die beiden Äste des Stammbaums entspringen nicht mehr dem Körper der Melusine, sie hält deren Enden vielmehr in beiden Händen. Ihre weibliche Gestalt wird betont, der eingerollte Wurm des Unterkörpers im Becken des Turstbrunnens mehr versteckt als gezeigt. Alles in allem bewirken die formalen Änderungen ein neues Bild der Melusine und lenken damit die Erwartung der Leserschaft auf die als edel und schön titulierte Protagonistin und ihre Geschichte.
VD16 M 4468und VD16 M 4469, ein Ex. nachgewiesen (vier Exx. bei
Wiederverwendung der Formen, seitlich ergänzt um Ornamentleisten, in:
- Straßburg: Georg Messerschmidt, 1539 (im VD 16 nicht verzeichnet;
Gotzkowsky [1991] I., 8.16;Veitschegger [1994] S. 110, Nr. 22).
Abb. 126: Wolfenbüttel, HAB, M: Lm 3a, A1r. Stammbaum mit Melusine als Ahnherrin.