62a.3. ›Visio Philiberti‹
Bearbeitet von Kristina Freienhagen-Baumgardt
KdiH-Band 7
In dem wohl in England entstandenen Streitgedicht sieht der Einsiedler Philibertus (der Name nach dem heiligen Philibert [auch Fulbert] von Jumièges) in einer Vision, wie die Seele eines reichen Mannes zum Körper des Verstorbenen zurückkommt, um ihm seine Sündhaftigkeit vorzuwerfen. Das folgende Streitgespräch über die Frage, wem die Schuld an der Sünde zuzuschreiben sei, und über das Schicksal der armen Seelen in der Hölle endet damit, dass die Seele von zwei Teufeln abgeholt wird. Das Werk ist überaus häufig überliefert und in mehrere Volkssprachen übertragen worden. In der lateinischen Überlieferung finden sich in mehreren Handschriften Illustrationsfolgen, die den Dialog zwischen Leib und Seele ins Bild setzen (Budapest, Országos Széchényi Könyvtár, Cod. lat. 242, 10r–23r; Erlangen, Universitätsbibliothek, MS. 542, 291v–299v; London, Wellcome Library, MS 49, 51r–51v [siehe Nr. 9.1.9.]; München, Cgm 3974, 60r–65v [siehe Nr. 9.1.12. u. ö.]; Brno [Brünn], Městský archiv, Cod. 105, 1r–13r; hierzu
Erst im späteren 15. Jahrhundert gibt es Bildbeigaben zu einer Vollübersetzung der ›Visio Philiberti‹ ins Deutsche: Zur oberdeutschen Reimpaarfassung C (auch: ›Der Seele Klage‹), in der die Erzählung durch einen Gebetsanhang auf die Verehrung Mariens hingeführt wird, entstehen unabhängig voneinander vereinzelte kolorierte Federzeichnungen in der Handschrift Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2880 (Nr. 62a.3.1.) und ein Holzschnittzyklus zum – wohl aus der Umgebung Johann Geilers von Kaysersberg veranlassten – Druck von Martin Flach in Basel (Nr. 62a.3.a.). Im Zentrum des gedruckten Zyklus stehen wie in der lateinischen Tradition, jedoch wohl von ihr unabhängig, die Dialogstationen, die nun aber verknüpft sind mit Darstellungen des zunehmenden Verfalls des Körpers. Dagegen sind die dilettantischen Zeichnungen im Fragment einer deutlich älteren Abschrift der ›Klage‹ (Frankfurt, Universitätsbibliothek, Ms. germ. oct. 17, 2r: Fratze und Vogel, 2v Fratze mit korbartigem Kopfputz?) wohl kaum Rest einer intentional auf den Text bezogenen Illustration, sondern eher beiläufige Verzierungen des Schreibers, der auch sonst an Verseingängen kleine Fratzen und andere ornamentale Ergänzungen anbringt. (Zur späten, mit einer Illustration versehenen Überlieferung im ›Vergänglichkeitsbuch‹ des Wilhelm Werner Graf von Zimmern [Autographum 1554, Stuttgart, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen A III 54, 50r] siehe Nr. 9.3.1., dort noch unter dem Besitzstand Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek; ferner: Das Vergänglichkeitsbuch des Wilhelm Werner von Zimmern. Eine Bilderhandschrift der Frühen Neuzeit [Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen A III 54] in Abbildung und Transkription. Hrsg. von