KdiH

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96a.0.2. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 1121 Helmst.

Bearbeitet von Sarah Glenn DeMaris

KdiH-Band 9

Datierung:

Ende des 15. Jahrhunderts (Ziegeler [2004] Sp. 413).

Lokalisierung:

Norddeutschland.

Besitzgeschichte:

Aus ursprünglich elf selbständigen Heften im Augustiner-Chorfrauenstift Steterburg gefertigt und gebunden. Nachdem Herzog Julius die Reformation in Braunschweig-Wolfenbüttel einführte, kam die Handschrift im März 1572 (Eingangsvermerk auf der Rückseite des Vorsatzblatts) über dessen persönliche Büchersammlung zuerst an die Universität Helmstedt und 1815 weiter an die Herzog August Bibliothek.

Inhalt:
Teil I 1r–27v
1. 1r–27v Allegorie der weißen Lilie als Anweisung zur Keuschheit
um 1507 in Braunschweig als De wytte lilien der kusckheyt mit soß bladen/ wo sick eyne warafftighe yunkfrouwe holden scal von H[ans] D[orn] zusammen mit vier weiteren Texten gedruckt [A3v–A8v]
Teil II 28r–35r
2. 28r–33v Begegnung der innigen Seele mit Maria und dem Jesuskind
3. 34r–35r Drei Gebete
Teil III 37r–55r
4. 37r–54r Text zu Alanus de Rupe, ›Psalterium Virginis Mariae‹ (?), deutsch
vgl. von Heinemann 3 (1888) S. 66, Nr. 3
5. 55r Gebet an die Mutter Maria
Teil IV 56r–95v
6. 56r–95v Katharina von Alexandrien, ›Conversio‹ und ›Passio‹, deutsch
Teil V 96r–99v
7. 96r–99v Johann von Paltz, ›Die sieben Pforten oder Feste der Mutter Gottes‹
Exzerpte aus der Vorrede und dem 1. Fest (Fest der unbefleckten Empfängnis), stark verkürzt und umgeordnet (Lange van Ravenswaay/Windhorst [1989] S. 328:29–340:8), mit kurzem Auszug aus Johann von Paltz, ›Die himmlische Fundgrube‹ (Laubner/Urban [1989] S. 208:22–209:4)
Teil VI 100r–107r
8. 100r–107r ›Der eren tafel‹
Teil VII 108r–114v
9. 108r–114v Van der crucedraghinge vnses leuen herren Jhesu Christi
Teil VIII 116r–120r
10. 116r–120r Eyn nütte lere
Teil IX 122r–142v
11. 122r–138v ›Hoheliedauslegung An Hymmel vnde an erden
12. 139r Credo in spiritum santum … vitam eternam
13. 139v–141v Betrachtungen über das Sterben
14. 141v–142v Oratio Pater pacis amator
Teil X 143r–144v
15. 143r–144v Legende von Christus und einer Jungfrau
Teil XI 146r–153v
16. 146r–147r Wie man die Versuchungen des Teufels überwinden soll
17. 147r–153v Geistliche Ermahnungen und Legenden
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier (Teil II Pergament), 153 Blätter (ursprünglich elf selbständige Teile), 148 × 102 mm (kleinste Lage) bis 160 × 115 mm (größte Lagen, auch Teil II), Bastarda und Textura, mehrere Hände (Teil II: Textura, eine Hand), alle Teile einspaltig, Teil II mit 14–16 Zeilen (28r–33v) und 17–18 Zeilen (34r–35r), Teil II mit zweizeiligen roten Lombarden, einer dreizeiligen G-Initiale mit Buchstabenkörper in Rot und Blau und hellbraunem Fleuronné im Buchstabeninneren (28r), roten Überschriften, Alinea-Zeichen, Strichelung und Zeilenfüllung, weitere Teile sehr unterschiedlich, manche reichlich mit Lombarden, Strichelung und Unterstreichungen rubriziert, andere ganz ohne Rubrizierung.

Schreibsprache:

niederdeutsch.

II. Bildausstattung:

Zwölf kolorierte Federzeichnungen (28r, 28v, 29r, 29v, 30r, 30v, 31r, 31v, 32r, 32v, 33r, 33v), eine Malerin, wohl eine Stiftsfrau.

Format und Anordnung:

Alle zwölf kolorierten Federzeichnungen befinden sich im unteren Register der jeweiligen Seite und umfassen etwa fünf Zeilen (32 × 80 mm). Die sehr feinen Striche, die den Schriftspiegel abgrenzen, versehen die Bilder mit einer Art Rahmen unten und an den beiden Seiten.

Bildaufbau und -ausführung:

Trotz des kleinen Formats gelingt es der Künstlerin, feine Details hervorzuheben. Augenlider, Faltenwurf der Kleidung und einzelne Federn in den Flügeln des Engels werden sorgfältig mit der Feder gezeichnet; geschickter Einsatz der Farbtöne erzeugt Schattierung, vor allem in der Kleidung der beiden Frauen. Trotzdem bleiben die Bilder überwiegend flächig; nur die Krippe (nicht aber der Thron Mariens) zeigt plastische Tiefe. Natur- und Architekturelemente verweisen nicht auf den Ort des Geschehens; vielmehr scheint die Szene gleichzeitig im Freien und innerhalb der Herberge stattzufinden. Verschiedene Blumensorten (darunter Rosen, Enziane, Lilien, eine Kandelaber-Königskerze), Bäume und eine Kochszene mit Pfanne am offenen Feuer deuten auf Vorgänge im Freien hin. Der in fast allen Bildern sichtbare Thron Mariens sowie die Krippe mit Ochs und Esel verweisen dagegen auf die Herberge im Stall. Zwei der zwölf Bilder weisen Spruchbänder auf. Im ersten (28r) schweben über der Szene drei Engel, die vor sich ein Spruchband halten: gloria in excelsis deo. Das zweite Bild (28v) enthält zwei Spruchbänder, je links und rechts von der jungen Frau: Eines identifiziert sie (de ynnighe sele), das andere gibt die Äußerung (ghif my dyn kint) wieder, die im Text direkt darüber steht (Gyf maria mek dyn kynt).

Bildthemen:

Die Szene ändert sich nur wenig von einem Bild zum nächsten: Zu sehen sind die thronende Maria mit dem Kind, rechts ein meist musizierender Engel und links die bittende ynnighe sele, die als junge Frau mit hellgrüner, weltlicher Kleidung und einem Blumenkranz im Haar dargestellt ist. (Kruse [2016] S. 207 sieht in der jungen Frau eine Novizin, weil eine historisierte Initiale in einer weiteren Steterburger Handschrift [Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 1128 Helmst., 50r] eine Novizin mit ähnlicher Kleidung und ähnlichem Haarschmuck zeigt.) Maria mit gelbem Nimbus trägt einen blauen Mantel und sitzt meistens auf einem braunen Thron. Als neugeborenes Kind wird Jesus entweder nackt oder in Windeln (weißes Tuch mit roten Riemen) gezeigt, stets mit rot-gelbem Nimbus. Der Engel trägt weiß (manchmal hellgrün), die Flügel sind grün und gelb (links) sowie rot und gelb (rechts). Alle vier Figuren haben blondes Haar, Engel und Kind sind gelockt.

Obwohl die Szene sich kaum ändert, variiert die Handlung von Bild zu Bild und spiegelt jeweils den darüberstehenden Text. Auch die Attribute des Engels sind jeweils anders. Nachdem er im ersten Bild eine große, schmale, brennende Kerze und im zweiten ein Weihrauchfass trägt, spielt er in den nächsten zehn Bildern zehn verschiedene Musikinstrumente: Laute, Harfe, Portativ, Fiedel, Zither, Hackbrett, Glocken am Stab, Triangel mit zwei Klirrringen, Schellen an Riemen und Handglocken. Während die drei weiteren Figuren aufeinander einwirken und reagieren, steht der Engel abseits und fungiert als himmlischer Chor.

Das letzte Bild (33v) schließt die Handlung mit einer Szene der Zufriedenheit ab: Maria und die Seele geben sich die Hand, das Kind liegt gewickelt in der Krippe mit geschlossenen Augen, Ochs und Esel stehen dahinter. Zunächst unerklärlich ist aber eine weitere Figur, die zum ersten Mal im Bildprogramm erscheint: ein Mann mit rotem Hut und rotem Mantel, einen Hirtenstab haltend. Es ist Josef, der die Seele und Maria betrachtet. (Kruse [2016] S. 210 identifiziert den Mann als Hirten.) Josefs unerwartete Erscheinung – er kommt auch im Text nicht vor – ist nur durch eines der drei nachfolgenden Gebete zu erklären. Zwei der Gebete, das eine an Maria und das andere an die Engel, haben einen klaren Bezug nicht nur zum vorangehenden Text, sondern auch zum ganzen Bildprogramm. Demgegenüber hat das mittlere Gebet an Josef (O du alder hilgheste iosep ek bidde dek … [34v]) keinen Bezug zum Text. Der Bezug zum Bildprogramm entsteht lediglich durch das einzige Bild am Ende der Bilderreihe. Es liegt nahe, dass die Malerin Josef im letzten Augenblick noch zum Bild hinzufügte, um eine Verbindung zum nachfolgenden Josefsgebet herzustellen. Dass er proportional kleiner als die zwei Frauen und der Engel dargestellt wird, spricht ebenso dafür, wobei es sich auch um den Bedeutungsmaßstab der Josefsfigur im Vergleich zu den anderen Figuren handeln könnte.

Farben:

Grün, Rot, Blau, Gelb, Braun.

Literatur:

von Heinemann 3 (1888) S. 65–67. – Rosenkränze und Seelengärten (2013) S. 293, Abb. S. 112 (30r), 293 (31v, 32r); Bilder lesen (2015) S. 55, Abb. S. 54 (30v); Kruse (2016) S. 206–210, Abb. S. 396, 398, 400, 402 (alle zwölf Bilder, Schwarzweiß), Farbabb. 414–417 (alle zwölf Bilder).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 181: 33r. Maria bereitet Essen für das Kind vor.

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Abb. 181.