KdiH

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83.0.2. Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, FB 32001 (olim 16.0.9)

Bearbeitet von Nicola Zotz

KdiH-Band 8

Datierung:

1456 (88vb).

Lokalisierung:

Tirol/Südtirol (Innsbruck/Brixen?).

Besitzgeschichte:

Zur Bindung verwendete Streifen einer Urkunde weisen nach Brixen. 1561 hat sich C. P. (?) auf 36r eingetragen. 1824 ging die Handschrift als Geschenk des Gymnasiallehrers Benicius Mayr in den Besitz der Bibliothek über.

Inhalt: Die Kernsammlung (Text 1–57) geht über eine verlorene, illustrierte Zwischenstufe (Zwieržina [1930]) zurück auf die nicht illustrierte Wiener Handschrift Cod. 2885; die Innsbrucker Handschrift weist fast denselben Textbestand auf (elf Texte wurden ausgelassen und einer umgestellt [hier Nr. 3]).
1.–57. 1ra–88vb Kleinepiksammlung (i)
1. ›Studentenabenteuer‹ (1ra–3vb), 2. Hermann Fressant ›Hellerwertwitz‹ (3vb–7vb), 3. ›Das Schneekind‹ (8ra–b), 4. Konrad von Würzburg, ›Herzmaere‹ (8rb–10vb), 5. ›Die halbe Decke‹ (11ra–12ra), 6. ›Die Bärenjagd‹ (12ra–va), 7. ›Frau Seltenrain‹ (12va–13rb), 8. ›Berchta‹ (13rb–va), 9. ›Der Ritter im Hemde‹ (13va–b), 10. ›Die Wette‹ (14ra–va), 11. ›Pyramus und Thisbe‹ (14va–17ra), 12. ›Minner und Trinker‹ (17ra–18rb), 13. ›Die halbe Birne‹ (18rb–20vb), 14. ›Die Meierin mit der Geiß‹ (20vb–21va), 15. ›Der Sperber‹ (21va–23va), 16. Stricker, ›Das heiße Eisen‹ (23va–24va), 17. ›Adam und Eva‹ (24va–25rb), 18. Stricker, ›Der Käfer im Rosenhaus‹ (25rb–vb), 19. Stricker, ›Der Hofhund‹ (25vb–26ra), 20. Tannhäuser, ›Die Hofzucht‹ (26ra–27rb), 21. ›Der Ritter mit den Nüssen‹ (27rb–28rb), 22. ›Der betrogene Blinde‹ (28rb–vb), 23. Stricker, ›Der wahre Freund‹ (28vb–29va), 24. ›Das Gänslein‹ (29va–31ra), 25. Volrat, ›Die alte Mutter‹ (31ra–32rb), 26. ›Tor Hunor‹ (32rb–33va), 27. ›Der Minne Porten‹ (33va–35vb), 28. ›Der Schüler zu Paris‹ (36ra–39va), 29. ›Die Heidin‹ (39va–49rb), 30. Rüdeger der Hinkhofer, ›Der Schlegel‹ (49rb–55va), 31. Stricker, ›Das Bloch‹ (55va–58vb), 32. ›Gold und Zers‹ (58vb–60ra), 33. Stricker, ›Die eingemauerte Frau‹ (60ra–62ra), 34. ›Von einer Kröte‹ (62ra–va), 35. Stricker, ›Die drei Wünsche‹ (62va–63va), 36. Stricker, ›Der nackte Bote‹ (63va–64vb), 37. Stricker, ›Das erzwungene Gelübde‹ (64vb–66ra), 38. Stricker, ›Der Wolf und sein Sohn‹ (66ra–vb), 39. Stricker, ›Die Kupplerin‹ (›Die Käuflerin‹) (66vb–67bra), 40. ›Der schwangere Müller‹ (67bra–68ra), 41. Stricker, ›Die Martinsnacht‹ (68ra–69rb), 42. ›Wachtelmäre‹ (69rb–va), 43. Stricker, ›Der nackte Ritter‹ (69va–70rb), 44. ›Die Blume und der Reif‹ (70rb–va), 45. ›Fink und Nachtigall‹ (70va–b), 46. Stricker, ›Der einfältige Ritter‹ (70vb–71rb), 47. ›Des Vögleins Lehren‹ (71rb–va), 48. Stricker, ›Der Gast und die Wirtin‹ (71va–72rb), 49. Ruschart, ›Der Minne Klaffer‹ (72rb–76ra), 50. Sibote, ›Frauenerziehung‹ (76ra–80va), 51. ›Das Almosen‹ (80vb–81rb), 52. ›Der Striegel‹ (81rb–83va), 53. ›Pfaffe und Ehebrecherin‹ (83va–b), 54. ›Paternoster-Parodie‹ (83vb–84ra), 55. ›Ave-Maria-Parodie‹ (84ra–b), 56. Stricker, ›Des Gastes Hofzucht‹ (84rb–vb), 57. Konrad von Würzburg, ›Heinrich von Kempten‹ (84vb–88vb)
58.–59. 89ra–113vb Nachträge
Konrad von Stoffeln, ›Gauriel von Muntabel‹ (89ra–113va), Rudolf von Ems, ›Willehalm von Orlens‹, Fragment (113va–b)
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 114 Blätter (Bl. 67 doppelt gezählt; der letzten Lage fehlen vier Blätter, danach fehlen möglicherweise weitere Lagen), 295 × 210 mm (an allen Seiten beschnitten, oben wohl 20–30 mm), Bastarda, zwei Hände (I: Bl. 1–88, etwas später II: 89–113), zweispaltig, 42–53 Zeilen (Hand I) bzw. 36–40 Zeilen (Hand II), drei- bis vierzeilige rote, selten grüne oder hellblaue Initialen (45vb, 46rb, 70va–b, 77vb, 78rb), teilweise mit Schaftaussparungen, zweizeilige rote Lombarden, rote Überschriften, Rubrizierungen.

Schreibsprache:

südbairisch.

II. Bildausstattung:

48 kolorierte Federzeichnungen von zwei Händen (Roland [2007] S. 290f.) und vier ausgerissene Bilder (zur Zählung der Illustrationen siehe unten Format und Anordnung).

Format und Anordnung:

Die ungerahmten Illustrationen sind meistens unter oder neben dem Schriftspiegel eingefügt; manchmal wurde vom Schreiber etwas Raum für ein Bild gelassen (bis zu elf Zeilen am Spaltenende, 49v beide Spalten verkürzt, 36rb Einrückung des Spaltenbeginns wie für eine Initiale).

Die Bilder sind nach folgendem Prinzip angebracht: je Text eine Illustration, jeweils auf der Seite des Textbeginns. Dabei können mehrere Darstellungen zusammen eine Illustration bilden, auch wenn sie an verschiedenen Stellen der Seite oder Doppelseite angebracht sind (zu Text 5: Knabe 10v + Großvater 11r, zu Text 11: Pyramus 14v + Thisbe 15r, zu Text 12: Trinker 17ra + Minner 17rb, zu Text 15: Nonne 21v + Ritter 22r, zu Text 30: alter Mann 49vo + Truhe mit Schlegel 49vu); andererseits können auf derselben Seite mehrere Illustrationen vorkommen, wenn hier verschiedene Texte beginnen (13v: Bilder zu Text 9 und 10, 70v: Bilder zu Text 45 und 46). In der vorliegenden Katalog-Beschreibung werden mehrteilige Darstellungen als eine Illustration gezählt, wenn sie sich auf denselben Text beziehen. – Manche Seiten sind teilweise ausgerissen (Bl. 39, 58, 66, 68); da auch diese Fehlstellen mit je einem Textbeginn korrespondieren, kann davon ausgegangen werden, dass es Bilder waren, die man ausgerissen hat (Reste einer Zeichnung auf 68r), so dass auch hier das Prinzip Bild bei Textbeginn befolgt wurde. Insgesamt folgen in dieser Handschrift fünf der 57 Texte nicht diesem Prinzip: Nr. 2, 17, 35, 54 und 55 hatten nie eine Illustration.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Figuren (selten: Tiere) sind auf den bloßen Papiergrund gezeichnet, selten treten Architekturelemente, Möbel oder Pflanzen hinzu, wenn sie für das Verständnis wichtig sind.

Deutlich lassen sich die beiden beteiligten Zeichner unterscheiden: Die Figuren des ersten (1r–13v, 28r–29v) wirken steif und leicht unproportional, die Gewänder fallen gerade und sind nicht binnenstrukturiert, wie überhaupt den Zeichnungen etwas Statisches anhaftet. Die Gesichter sind unbewegt und ähneln einander stark. Insgesamt sind diese Zeichnungen von grober Linienführung und flächiger Kolorierung. Deutlich feiner sind die Illustrationen des zweiten Zeichners (ab 14v, mit Ausnahme von 28r–29v), die sich durch Schattierungen in der Zeichnung und plastischen Farbauftrag (auch koloriert nur er die Gesichter), eine differenzierte Beweglichkeit der Figuren und aussagekräftige Mimik und Gestik auszeichnen. Auch wenn sich die beiden Hände recht deutlich unterscheiden, haben sie offensichtlich nach demselben Prinzip gearbeitet (siehe oben, Format und Anordnung, und unten, Bildthemen), so dass ein Werkstattzusammenhang anzunehmen ist. Im hinteren Teil der Handschrift (ab 60r) ist die Händescheidung nicht mehr eindeutig vorzunehmen (Zusammenarbeit?).

Ein Teil der Zeichnungen ist mit Buchstaben durchgezählt worden: a (14v) bis y (55v) (o fehlt). Diese Minuskeln befinden sich nur neben Zeichnungen der zweiten Hand (Überlegungen zu ihrer Bedeutung und zur Zusammenarbeit von Schreiber und Zeichnern bei Zotz [2014] S. 366–368).

Bildthemen:

Eine Liste der Bildthemen bei Wolf (1972) S. 29–31.

Abweichend von Wolf sind folgende Illustrationen zu deuten (vgl. ausführlich Zotz [2014] S. 363–365): Der Knabe mit der Armbrust auf 10v bezieht sich nicht auf das (auf dieser Seite endende) ›Herzmaere‹ (dessen Bild ist das Herz in der Schale auf 8v), sondern gehört gemeinsam mit dem im Bett liegenden Alten auf 11r zur ›Halben Decke‹. Die Bilder auf 13v sind als zwei getrennte Illustrationen aufzufassen: Links stehen ein Knappe, der einem jungen Mann an das Gewand fasst (bezieht sich auf ›Der Ritter im Hemde‹), rechts weisen zwei Männer auf eine Kirche (zum Märe ›Die Wette‹).

Es lassen sich drei Typen von Bild-Text-Beziehung unterscheiden: a. Bild als Gattungsmarkierung, b. Bild als symbolhafte Verdichtung eines kennzeichnenden Elements und c. Bild als Darstellung einer kennzeichnenden Szene des Textes (vgl. hierzu Zotz [2014] S. 369–372). Für Typ a gibt es nur ein Beispiel, nämlich das Autorbild eines Lehrers zu Tannhäusers didaktischem Text ›Die Hofzucht‹ (26r). Als Typ b ist ein Großteil der Darstellungen einzuordnen (38), etwa das Herz in der Schale zu Konrads von Würzburg ›Herzmaere‹ (8v), eine alte Frau mit Rosenkranz zu Volrats ›Die alte Mutter‹ (31r), ein Zweig mit zwei Vögeln zu ›Fink und Nachtigall‹ (70v) oder eine Frau mit Kanne und Becher zu Strickers ›Der Gast und die Wirtin‹ (71v). Vermutlich ist es kein Zufall, dass die Überschriften der Texte oft ein ähnliches Merkmal der Geschichte herausgreifen wie die Bilder, vgl. etwa Daz ist daz hercze mare (8rb), Daß már von der alten múter (31ra), Von dem vinckhen vnd von der nachtigal (70va) bzw. Von der leytgebin (71va). Denn es ist davon auszugehen, dass sich die Zeichner bei der Auswahl der Motive an den Überschriften orientierten (auch wenn man in mehreren Fällen nachweisen kann, dass sie die Erzählungen kannten, etwa beim mar von dem chafer [25rb], wo die zwei Käfer, der Geschichte entsprechend, auf Blumen sitzend dargestellt sind). Außerdem verfolgen die Illustrierungen in dieser Handschrift einen ähnlichen Zweck wie die Überschriften, nämlich die Geschichten schnell auffindbar und identifizierbar zu machen (die zu Beginn der Texte angebrachten Bilder dienen in dieser Handschrift, die kein Inhaltsverzeichnis aufweist, deutlich als Findehilfe); insofern lag es offenbar nahe, sowohl bei den Überschriften als auch bei den Bildern auf Prägnanz und Wiedererkennbarkeit zu setzen.

Warum fünf der Texte ohne Illustration blieben (siehe oben Format und Anordnung), kann nicht geklärt werden. Es ist aber festzuhalten, dass alle fünf keine prägnante, leicht in ein Bild zu überführende Überschrift haben. Dies gilt besonders für die drei parodistischen, also nicht-narrativen Texte (Nr. 17, 54 und 55; vgl. etwa die Überschrift zu der Predigtparodie Nr. 17: Ain gute predig stat hier geschriben [24va]), aber auch für die zwei klassischen Mären (Nr. 2, Überschrift: Hie hebt sich an die helbert wiczß [3vb]; Nr. 35, Überschrift: Ain már von drein wúnschen [62va]). Andererseits hatte der Zeichner an anderen Stellen durchaus Ideen für abstrakte Darstellungen, etwa die verschlungenen Hände in einem Kranz zu Nr. 27 (Das ist der minne porten [33va]).

Neun Fälle gehören zu Typ c, etwa Nr. 5 (›Die halbe Decke‹), wo die zentrale Szene der Begegnung zwischen Großvater und Enkel festgehalten ist, die zur Beendigung der schlechten Behandlung des Großvaters führen wird, oder Nr. 16 (Strickers ›Das heiße Eisen‹), wo dargestellt ist, wie der Ehemann mit dem Eisen in den Händen vor seiner Frau kniet. Mitunter sind in den Illustrationen auch komplexe Szenen eingefangen, wie etwa bei Nr. 36 (Strickers ›Der nackte Bote‹). Erzählt wird, wie ein Bote den Gastgeber seines Herrn sucht, um ihm etwas auszurichten; weil er erfährt, dass dieser sich im Bad befindet, zieht er sich aus (nicht wissend, dass die voll bekleidete Familie sich nur deswegen im Bad aufhält, weil dort geheizt ist). Als er das Bad betreten will, wird er von einem Hund angegriffen, dessen er sich zwar mit einem Badewedel erwehren kann, was aber dazu führt, dass er rückwärts in das Bad eintritt. Dass er damit der Familie seinen nackten Hintern zuwendet, wird als schlimme Beleidigung empfunden und bestimmt den Fortgang der Geschichte. Die Illustration zeigt den nackten Boten vor dem strohgedeckten Haus, aus dessen leuchtend roter (außen angebrachter) Esse Dampf aufsteigt. Mit einem Wedel wehrt er sich gegen den von rechts herbeilaufenden Hund; im Hauseingang steht ein bärtiger Mann, wohl der Wirt, der ebenfalls nackt dargestellt ist (ein Lapsus des Zeichners).

Farben:

Grün, Rot, Braunviolett, Grau, Braungelb, Rosa, Hellgrün, Blau.

Faksimile:

Wolf (1972).

Literatur:

Hermann (1905) S. 103f.; Stehmann, HSA; Sandbichler/Sandbichler (1999) S. 154–157. – Zwieržina (1930); Wolf (1972) S. 11–31; Delbono (1976); Roland (2007) Kat. 187; Zotz (2014) S. 358–372; Dahm-Kruse (2018) S. 234–239, 244–246.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 191: 17r. Trinker und Minner.

Abb. 192: 63v. Der nackte Bote wehrt den Hund ab.

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Abb. 191.
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Abb. 192 (Detail).