KdiH

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77.6.1. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2765

Bearbeitet von Wolfgang Augustyn

KdiH-Band 8

Datierung:

Um 1385–1406.

Lokalisierung:

Wien.

Besitzgeschichte:

Die für Herzog Albrecht III. (1365–1395) ausgeführte Handschrift gelangte wohl über Herzog Wilhelm von Österreich (†1406) in den Besitz Kaiser Friedrichs III. (1452–1493) und mit anderen Codices seiner Bibliothek unter Kaiser Maximilian I. um 1500 in die Innsbrucker Burg. Sie wurde dann unter Erzherzog Ferdinand von Tirol (1529–1595) um 1594 (?) der Sammlung auf Schloss Ambras einverleibt und 1665 zusammen mit den übrigen Handschriften der Hofbibliothek in Wien übergeben (Signatur von Peter Lambeck [1663–1680]: 1r Ms. Ambras 61). Unter Kaiser Napoleon I. (1804–1814/15) 1809 nach Paris verbracht, seit 1815 wieder in Wien (MeSch II [2002] S. 149).

Inhalt:
1r–325v Wilhelm Durandus, ›Rationale‹
Mittelhochdeutsche Übersetzung eines anonymen Autors in Wien (Rabel [1992] S. 171 Anm. 1; in der älteren Literatur wurde der Augustinereremit Leopold Steinreuter [um 1340–1400] vermutet: Menhardt 1 [1960])
326r –327v Register zu den acht Büchern
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 330 Blätter und ein Vorsatzblatt (gestörte Blattfolge in Lage XIV und XXXV), 460–465 × 350–355 mm, kalligrafische Textualis von mehreren Händen (Schreiberwechsel bei Beginn jeder der 18 Lagen, teilweise auch bei Blättern mit Randschmuck), zweispaltig, meistens 50 Zeilen, rote und blaue Paragrafenzeichen von zwei Rubrikatoren (Wechsel analog zu den Schreiberwechseln), Cadellen und cadellenähnliche Verzierungen, rote und blaue Lombarden mit Fleuronné (2r).

Schreibsprache:

bairisch (österreichisch).

II. Bildausstattung:

316 Deckfarbeninitialen zu den Kapitelanfängen, meistens vier- bis fünfzeilig, am Beginn der Bücher elf- bis 15-zeilig, davon 139 historisierte Initialen, ferner neun Zierseiten mit Darstellungen zum Textbeginn und zum Beginn der Bücher I bis VII. Bei dem unter Herzog Albrecht III. um 1385 begonnenen und unter Herzog Wilhelm zwischen 1403 und 1406 vollendeten Schmuck der Handschrift lassen sich in Figurenstil und Rankenschmuck verschiedene Gruppen unterscheiden, die mindestens sechs Malern der sog. Hofminiatorenwerkstatt zugeschrieben werden (MeSch II [2002] S. 151–155 zum Dekor, S. 155–160 zur Händescheidung).

Format und Anordnung:

Die historisierten Initialen zeigen die dargestellten Akteure meistens in Halb- oder Dreiviertelfigur, ebenso die Figurenmedaillons in den Bordüren und die größeren Medaillons mit szenischen Darstellungen im Bas-de-page. Der Ausstattungsaufwand ist im letzten Drittel der Handschrift reduziert, einige Lagen enthalten keine Initialen mit figürlichen Darstellungen mehr, das achte Buch eröffnet nicht mehr eine Zierseite, sondern nur eine historisierte Initiale.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Deckfarbeninitialen im Binnenfeld und die Medaillons im Bas-de-page enthalten Architekturmotive oder historisierte Darstellungen. Der Grund der Initialen ist meistens einfarbig oder in Gold angelegt, entweder mit Mustern oder Deckweiß-Ranken verziert. Der Grund der Medaillons ist oft in dunklen Farben gehalten, um räumliche Tiefe anzudeuten, oder in Gold mit gemusterten, oftmals punzierten Flächen. Die Medaillons innerhalb des Rankengeflechts der Bordüre sind mit halbfigurigen Schriftzeugen besetzt (Engel, Propheten mit Schriftrollen, Apostel mit Büchern), ihr Binnengrund häufig mehrfarbig und gemustert.

Bildthemen:

Bei der Ausstattung der Handschrift wurden verschiedene Themenbereiche berücksichtigt, die entweder auf den Auftraggeber und die Entstehung der Handschrift verweisen (z. B. 1ra Herzog Albrecht III. mit den Vertretern der vier Fakultäten der Wiener Universität, 1r im Bas-de-page: vier Medaillons mit Szenen aus der Gründungsgeschichte der Wiener Universität), den Autor zeigen (2rb) oder im Binnengrund der Initialen den Text illustrieren. Letzteres geschieht durch die Wiedergabe des liturgischen Vorgangs, eines liturgischen Kleidungsstücks oder eines für die Liturgie wichtigen Orts oder Gegenstands, ferner von Personen des Alten oder Neuen Testaments (zum vierten Buch des ›Rationale‹, … von der mess und von iͤr zwͤgehoͤrung, und zum fünften Buch über das Stundengebet, aufgelistet bei MeSch II [2002] S. 164–166) und von Heiligen (zum sechsten und siebten Buch über die Feste des Kirchenjahrs, siehe S. 166–168).

Darstellungen zu Akteuren, Orten und Gegenständen der Liturgie illustrieren vor allem die Texte in Buch I bis III, u. a. Buch I (Von der chirchen und iren tailen oder stukchen): 1v in vier Medaillons die Schlüsselübergabe an Petrus durch Christus als Bild für die durch diesen legitimierte Autorität des kirchlichen Amts, dann Sakramente, jeweils in einem Kirchenraum (Taufe eines Kindes in einem Taufbecken, Firmung von Kindern durch einen Bischof; Priesterweihe durch einen Bischof), 2r in vier Medaillons weitere Sakramente (Priester mit Stola assistiert der Eheschließung zweier Brautleute; Kanoniker mit Almuze nimmt einem vor ihm Knienden die Beichte ab; Priester spendet die Kommunion; Priester spendet einem Sterbenden die letzte Ölung), 4rb Initiale D: Innenraum einer Kirche, Initiale D: Außenansicht einer Kirche, 8rb Initiale D: Altar mit Altartüchern, 9rb Initiale D: ein Vorhang an einer Stange, 14vb Initiale D: Glocke, 16rb Initiale N: Kirche mit Friedhof, 17vb zur Kirchweihe Initiale V: Choransicht einer Kirche, 22vb zur Altarweihe Initiale N: Altar mit Triptychon, 29ra Initiale V: Kleriker mit grüner Almuze hält mit verhüllten Händen einen Kelch empor. – Buch II (Daz ander puech von den diennern und den chirchleichen orden und iren ampten): 36ra zum Cantor Initiale E: Kleriker in Pluviale mit Birett, 36va zum Psalmsenger Initiale S: Kleriker mit Buch, 36vb zum Ostiarier Initiale D: Torwächter mit Stab und Tasche neben einem Turm, 36vb zum Lektor Initiale D: Kleriker mit Buch, 37ra zum Exorzist Initiale E: Kleriker in Superpellizeum mit zurückgeschlagener Almuze und Buch, 37rb zum Akolythen Initiale A: Kleriker mit Kerze und Handglocke, 38ra zum Diakon Initiale D: Diakon in blauer Dalmatika, 39va Von dem priester: Initiale D mit Halbfigur in weitem Mantel und Kopfbedeckung (Aaron?), 40rb Initiale D: Bischof in roter Kasel, mit Pontifikalhandschuhen, Mitra, Stab und Buch. – Buch III (… von der wat der pischoff vnd der priester vnd der andern dyͤnner ...): 42r in der Bordüre in der Mitte der Papst mit Tiara, Kasel, Pallium, Pontifikalhandschuhen, Ferula und Buch, 43vb Initiale D: Anlegen des Amikts, 44rb Initiale N: Anlegen der Albe, 44vb Initiale D: Anlegen des Zingulum, 45ra Initiale N: Anlegen der Stola, 45vb Initiale D: Anlegen des Manipels über dem linken Unterarm, 46ra Initiale A: Halbfigur eines Priesters in violetter Kasel, 47va Initiale V: Halbfigur mit Amikt und Brustkreuz, Anlegen des Zingulum über Albe und Stola; 47vb Initiale N: Bischof beim Anlegen der Dalmatika, 48ra Initiale D: Diakon mit blauer Dalmatika, Amikt und Buch, 49ra Initiale D: Bischof mit roter Kasel, Mitra, Pontifikalhandschuhen, Stab und Buch, 49rb zur Mitra Initiale D: König David mit Krone und Schriftband (Ps 8,6), 50rb Rubrica von dem fingerleyn Initiale D: Bischof mit grüner Kasel, Mitra, Pontifikalhandschuhen, Ring, Stab und Buch, 50va Initiale D (zum Text, in dem der Stab des Moses als Vorbild des bischöflichen Pedum erklärt wird): Moses mit Stab, 51vb Bischofsstab mit Sudarium, 51rb Bischof mit dunkelblauer Kasel, Pallium, Mitra, Pontifikalhandschuhen und Stab, 53ra zu den liturgischen Farben Initiale V: Priester in weißer Kasel mit Aspergill, 54va Priester in weißer, gegürteter Albe mit Buch und Aspergill.

Farben:

Altrosa, Violett, Grün, Blauviolett und helles Orange, Rot, Braunrot, Gelb, Hellgrün, Blattgold auf hellbraunem oder weißem Bolus, Pinselgold. Auch bei der Farbgebung der historisierten Initialen und Medaillons lassen sich verschiedene Gruppen unterscheiden, die in zeitlicher Abfolge der Ausführung des Buchschmucks durch verschiedene Hände zugeordnet werden können (MeSch II [2002] S. 152–155).

Faksimile:

Fingernagel (2001).

Literatur:

Unterkircher (1957) S. 84; Menhardt 1 (1960) S. 269f.; Unterkircher 1 (1969) 1. Teil: S. 56, 2. Teil: S. 199, Abb. 199 (2r); MeSch II (2002) Textbd. S. 149–178, Nr. 31 [Andreas Fingernagel], Tafel- und Registerbd. Farbabb. Nr. 19–26, Abb. Nr. 139–167 (1r, 30r, 42r, 57r, 163r, 274v, 310r, 30v, 4r, 42r, 37v, 43v, 37r, 51r, 79r, 83r, 97v, 92v, 155v, 191v, 194v, 158v, 222v, 198v, 240v, 265r, 308v). – Buijssen 2 (1966) S. [27]–[41], 369 (Abb. 57r); Zumkeller (1966) S. 324, Nr. 663; Buijssen 1 (1974) Taf. 1–2 (1r, 4r); Ruh (1978) Sp. 291; Steer (1980) Sp. 246; Haider (1983) Nr. 9.05; Knapp (2004) S. 203; Bruckner (2009b) S. 39–41.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 134: 22vb. Initiale N: Altar mit Triptychon.

Abb. 135: 47v. Figuren beim Anlegen liturgischer Kleidung.

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Abb. 134.
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Abb. 135.