KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

39.3.1. Wien, Kunsthistorisches Museum, KK 5014

Bearbeitet von Rainer Leng

KdiH-Band 4/2

Datierung:

Ca. 1440–1450.

Lokalisierung:

Süddeutschland (Österreich?).

Besitzgeschichte:

Nach Ausweis des Dedikationsbildes 1r möglicherweise für Kaiser Friedrich III. (1440–1493) angefertigt (71v u. ö. rot-weißes Banner, 73v Reichsadler, 78r Belehnungsszene), jedoch innerhalb der wenigen Zeugnisse über den Buchbesitz Friedrichs III. nicht nachweisbar, Dedikationsbild auch teilweise Sigismund mit Entstehung der Handschrift vor 1433 zugewiesen; Eingang in die Ambraser Sammlung nicht datierbar, nach dem Aussterben der Tiroler Linie 1665 beim Abtransport der übrigen Ambraser Codices verheimlicht, daher zunächst in Ambras verblieben und erst 1806 zum Schutz vor den anrückenden Franzosen nach Wien gebracht, dort in die Sammlungen des Kunsthistorischen Museums anstatt in die Hofbibliothek eingegliedert.

Inhalt:
1r–119v Anonymus, ›Kriegs vnnd Pixenwerch‹

1r Widmungsbild, der kniende Autor überreicht einem thronenden Herrscher (Friedrich III.?) sein Buch, über dem Kopf des Herrschers Wappen mit einköpfigem Reichsadler, in der Rahmenleiste die Wappen von Mainz, Trier, Sachsen und Pfalz

1v–7v Gewinnung und Läuterung von Salpeter: 1v Salpeterprobe (wie München, Cgm 600 [siehe Nr. 39.1.6.], 1v), 2r Pulverprobe durch Abbrennen, 2v Laugenprobe, 3v Abschaben von Salpeter an Mauern, 4v Salpetergewinnung aus der Natur (ähnlich Wien, Cod. 3069 [siehe Nr. 39.1.10.], 55r), 5r Filtrieren von Salpeter, 5v Salpeter an Mauern, 6r Mahlen einer Pulverprobe (ähnlich Wien, Cod. 3069, 57v), 6v Umfüllen von Laugenbottichen, 7r Auswringen eines Filtriertuchs, 7v Gewinnung von Salpractica (wie Wien, Cod. 3069, 56r)

8r Schuß aus einer einfachen Karrenbüchse auf eine Befestigungsanlage

8v Gewinnung von Salpractica (wie München, Cgm 600, 8v)

9r–11r Kriegstechnik zu Wasser: 9r Doppelgeschütz auf Schiff (wie Wien, Cod. 3069, 34r), 9v Sperrung eines Wasserlaufs mit Haken (wie München, Cgm 600, 22r), 10r Brücke, 10v Schiff mit Tretrad, 11r wasserbetriebener Bohrer

12r–14v Geschütz- und Befestigungswesen: 12r Dreifachgeschütz (wie München, Cgm 600, 12r), 12v Unfall beim Abfeuern eines Geschützes mit zahlreichen Toten und Verstümmelten, 13v Benetzen eines Holzvorbaus mit einer brennbaren Flüssigkeit (wie München, Cgm 600, 14v), 14r Durchqueren eines Flußes, 14v stationärer Armbrustspanner

15r–27r Herstellung von Pulver und Pulverbestandteilen (mit Einmischungen): 15r Schläuche, 15v Destilliergerät, 16r Doppelarmbrust, 16v Steigzeug, 17r Klotzherstellung mit Lehre, 17v–20r Salpeterbehandlung, Pulvermischen, Vorratshaltung, Pulverkneten, verschiedene Destilliergeräte (Übereinstimmungen mit Wien, Cod. 3069 und München, Cgm 600), 20v fahrbarer Schild, 21r Pulverbereitung, 21v Steigleiter, 22r Umfüllen einer Flüssigkeit, 22v fahrbarer Schutzschild, 23r–24v Ansetzen, Filtrieren und Sieden von Laugen, 25r Steigzeug, 25v Werkstattszene, 26r Transport per Pferd, 26v Winde für Brunnen, 27r Einlegen von Tüchern in (Salpeter?-)Lauge

27v–28v Flechtwand; Wirkungsweise, Aufbau und Materialgewinnung

29r–48v Vermischtes: 29r Laden eines Legestücks, 30v Überqueren eines Flußes, 31r Kramläden, 31v Steigeisen, 32r Kriegsschiff, 32v Pumpe, 33rv Steigzeug, 34r großes Hebezeug mit Treträdern, 34v Haarwaschszene, 35rv Fußeisen und Drahtschlingen gegen Pferde, 36v–37r Schutz von Mauern durch Holzverbauung oder Flechtwerk, 37v Laden einer großen Klotzbüchse aus Holz (?), 38v Schuß mit glühenden Kugeln (ähnlich München, Cgm 600, 20r), 39r Anlegen von Pferdezaumzeug (?), 39v wechselseitig öffnende Türen an Befestigungsanlage, 40r Halseisen (ähnlich Quarg [1967] 126r), 40v Kampfwagen, 41r Sprengbombe, 41v Pumpe, 42r Brücke, 42v Hebezeug, 43r Verteidigung eines Turmes, 43v Kriegsschiff, 44r Pulverbereitung, 44v Faß mit Steinen wird gegen Angreifer gerollt, 45r Lunten als Zeitzünder, 45v Steigzeug, 46r Blide, 46v Hunde vergiften (?), 47v–48r Schirme und Schutzhütte

49r–58v Kampf- und Belagerungsszenen zu Fuß, zu Pferd oder zu Schiff, in Feldschlacht oder bei Belagerungen (darunter 50v Baum zum Abkehren von Mauern wie Wien, Cod. 3069, 43v)

59r Katzen mit an den Schwänzen befestigten Brandsätzen

59v Heerlager vor einer ummauerten Stadt

60r Turm auf Rädern

60v Abwehr von Pfeilen durch Flechtwerk

61r Tauben mit Brandsätzen

63r–76r Mehrfachgeschütze auf stabilen Bocklafetten (meist nach ähnlichen Vorlagen wie München, Cgm 600 und Wien, Cod. 3069, vgl. Leng [2000a] S. 32f.), eingeschoben 68v Mange, 71v Bote mit österreichischem Wappen und Absagebrief an einem Stecken, 71r, 74r, 76r Fechtszenen

77rv Kampfwägen ähnlich ›Bellifortis‹, Quarg (1967) 19v. 20v

78r–87r Vermischtes: 78r Belehnungsszene, 78v Transport einer Büchse über einen Fluß, Pulverbereitung, Steigzeug, 82r Kran hebt Kämpfer auf einen Turm (wie Wien, Cod. 3069, 30v), 84r Armbrust (ähnlich München, Cgm 600, 18v), Belagerungsszenen, Holzspalten, Geschoßwickeln, 87r Brücke mit Falle.

87v–88v Steigzeug (ähnlich Wien, Cod. 3069, 45r)

88v–103r Verschiedene Kampf- und Belagerungsszenen, meist mit Feuerwaffen, 91r (Igel ähnlich Wien, Cod. 3069, 28v), 91v–103r Kampfszenen, Erstürmung einer Burg mit Steigzeug, Einsatz von Feuerwaffen, meist Abbildungen aus Wien, Cod. 3069 entlehnt

103v Herausziehen von Pfählen mit einem starken Hebelbaum

104r Zwei Gewappnete rauben einen Mann aus

104v–110v Illustrationen zu Arbeitsprozessen aus der Werkstatt eines Büchsenmeisters: Abmessern, Pulvermachen, Salpetersieden, Mischen, Büchsenladen, Herstellung von Feuerpfeilen (106v mit Modeln, 110rv Fertigung von Rohlingen auf der Drechselbank und Zusammensetzen der Formteile)

111r–118v Verschiedene Kampfszenen, Belagerung einer Burg, Einsatz von Feuerwaffen, verschiedene Versuche des Einsteigens und deren Abwehr, Brücken, Sprengen von Mauerwerk

119r Halseisen mit drei eingespannten Gefangenen (wie München, Cgm 600, 18r)

119v Dreifachgeschütz wie oben 12r (wie München, Cgm 600, 12r)

I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 5 + 119 + 18 Blätter (fünf Vor- und 18 leere und nicht foliierte Nachsatzblätter, moderne Bleistiftfoliierung 1–119), 280 × 195 mm, textlos.

II. Bildausstattung:

238 kolorierte Federzeichnungen 1r–119v, von höherer Qualität nur 1r, die weiteren Zeichnungen entweder nach raschen Meistervorzeichnungen oder von diversen, jedenfalls sehr homogen arbeitenden Gesellen; nach Grassi (siehe unten Literatur) stammt die Handschrift aus einem unbekannten süddeutschen Buchmaleratelier.

Format und Anordnung:

Alle Zeichnungen durchgehend in kräftigen rot-braunen Rahmen von ca. 190 × 140 mm, außen durch einfache Tintenlinie begrenzt, innen eine Perspektivität andeutende Doppellinie, Einstichlöcher an den vier Ecken sind teilweise noch sichtbar; anhand der Übermalungen des Rahmens ist zu ersehen, daß die Rahmen zuerst angelegt wurden; alle Zeichnungen verbleiben innerhalb der Rahmen, lediglich ein Tretkran 95r ragt mit zwei Auslegern über den Rand.

Bildaufbau und -ausführung, Bildthemen:

Rationelle Arbeit eines Buchmalateliers, Meisterarbeit nur 1r unter Verwendung von Pinselgold, Blattgold, Lichterhöhungen durch Deckweiß und feine Federführung; sonst Vorzeichnungen schwungvoll ausgeführt, Architektur, Personen und Geräte meist nur umrißartig gezeichnet; wenig Binnenzeichnung, nur leichte Schraffuren, stereotype Gesichtszüge, oftmals »Kugelköpfe«, Rüstungen stereotyp mit minimalen Details, bei Frauengewändern und bei aufwendigeren Gewändern der Büchsenmeister reicherer, rasch skizzierter Faltenwurf; Kolorierung ebenfalls rasch und rationell durchgeführt, bei Personen und Geräten oft nur wenige Striche zur Hervorhebung von Konturen oder Gewandfalten, Bodenflächen mit oft hoher Horizontlinie grün flächig bis deckend, teils mit stilisiertem Pflanzenwuchs, Himmel mit horizontaler Pinselführung nach unten dünner werdend koloriert; hervorgehoben lediglich rot und gelb deckend mit dünnem Pinsel gezeichnete Flammenzungen; Vorlagen weitgehend identisch mit Zürich, Ms. Rh. hist. 33b (siehe Nr. 39.3.2.); auffällig wie auch dort ist der Rückgriff auf technische Zeichnungen der Büchsenmeister, die in szenische Kontexte übertragen wurden, um den hochrangigen Adressaten ohne technische Detailinformation Anwendungsweise und taktische Vorzüge der dargestellten Geräte oder Techniken zu verdeutlichen.

Farben:

Rot, Grün, Blau, Gelb, Deckweiß, Pinselgold, Blattgold.

Literatur:

Thomas/Gamber (1976) S. 65f. – Jähns (1889) S. 263; Hall (1979) S. 21. 133; Bert S. Hall: Der Meister sol auch kennen schreiben und lesen: Writing about Technology ca. 1400–ca. 1600 A. D. and Their Cultural Implications. In: Early Technologies. Ed. by Denise Schmandt-Besserat. Malibu 1979 (Invited Lectures of the Middle East at the University of Texas at Austin III), S. 53; Volker Schmidtchen: ›Pixen, Kriegsrüstung, Sturmzeug und Feuerwerch‹. In: 2VL 7 (1989), Sp. 711f. (mit Korrekturen Volker Schmidtchen: ›Streitbuch‹. In: 2VL 9 [1995], Sp. 402); Giulio Grassi: Eine kriegstechnische Bilderhandschrift aus dem Spätmittelalter im Besitze der Zentralbibliothek Zürich, Lizentiatsarbeit Historisches Seminar Zürich 1994 (in der Zentralbibliothek unter Signatur Ms Z I 408), dort S. 6 Bildkonkordanz zu ZBZ, Rh. hist. 33b; Otto Freydenegg-Monzello (Hrsg.): Schatz und Schicksal. Steirische Landesausstellung 1996. Graz 1996, S. 42; Grassi (1996) S. 200f., Abb. 2; Leng (2000a) S. 32f.; Leng (2002) Bd. 2, S. 225ff. u. ö., Abb. Taf. 11 (1r). Taf. 12 (110r, 49r). Taf. 13 (2r, 5r), Bd. 2, S. 315–318; Leng (2004a) S. 92, Abb. 3.2 (29r, 110r); Sigismundus (2006) S. 399f. Abb. S. 400 (1r); Heiliges Römisches Reich (2006) S. 479f. Abb. S. 478 (1r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XVIIIb: 45r. Anonymus, ›Kriegs vnnd Pixenwerch‹: In Salpeter- oder Schwefellösung getauchte und an Stöcken aufgewickelte Lunten als Zeitzünder.

Abb. 83: 17r. Anonymus, ›Kriegs vnnd Pixenwerch‹: Anfertigung von Büchsenklötzen mit Hilfe einer Lehre.

39.3.1._Taf._XVIIIb.jpg
Taf. XVIIIb.
39.3.1._Abb._83.jpg
Abb. 83.