KdiH

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29.4B.1. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 800

Bearbeitet von Norbert H. Ott

KdiH-Band 4/1

Datierung:

1533 (? Jahreszahl in der Illustration 6r).

Lokalisierung:

Nördliches Bayern (Nürnberg?).

Besitzgeschichte:

Aus dem Besitz von Moriz Haupt (1808–1874), der die Handschrift laut Eintrag Ir 1854 in Posen kaufte (Im J. 1854 aus Posen erworben / MHaupt), 1857 von der Königlichen Bibliothek erworben.

Inhalt:
1r–6v ›Rosengarten-Spiel‹, Fragment
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, sechs Blätter, falsch gebunden (recte: 4, 5, 1–3, 6), Reste einer alten Zählung (XI, XII, XIII) auf 1r, 2r und 3r, 415 × 275 mm, sorgfältige Kurrentschrift, zweispaltig, 23 bis 24 Zeilen, unterbrochen von zweizeiligen, einspaltig gemittelten Zwischenüberschriften in Fraktur, eine Hand, 4r zwei zweizeilige Leerräume für Initialen, sonst Abschnittsbeginn meist mit einzeiligen Versalien in Kurrentschrift, keine Rubrizierung.

Schreibsprache:

Oberdeutsch mit schwachen nordbairischen Dialektmerkmalen.

II. Bildausstattung:

Neun unkolorierte Federzeichnungen (1r, 1v, 2v, 3r, 4r, 5r, 5v, 6r, 6v), eine Hand.

Format und Anordnung:

Nahezu quadratische bis leicht hochrechteckige und zwei querrechteckige (5r, 6v) Federzeichnungen, von einfacher kräftiger Federlinie gerahmt, am Kopf (2v, 3r, 5r), am Fuß (1v, 6r) und in der Mitte (1r, 4r, 5v, 6v) der Seite, schriftspiegelbreit, etwa die Hälfte bis zwei Drittel des Schriftspiegels hoch, 5v fast ganzseitig. Namensbeischriften in Fraktur über den Figuren von anderer Hand als die zweizeiligen Fraktur-Zwischenüberschriften im Text, die als Sprechanweisungen für die folgenden zweispaltigen Spieltexte fungieren und auf den Bildseiten zuweilen auch als Bildunterschriften dienen (z. B. Anntwurt die Kúnigin dem Múnnich / Yllsan auf sein begern 1r, Hie Schaidt Kunigin Krimhillt die / Zwen fursten vnd gibt yedem ein Cranntz 2v, jeweils unter der Illustration und über der dazugehörigen Textpassage).

Bildaufbau und -ausführung:

Unkolorierte, allein auf die Wirkung der Linie angelegte Federzeichnungen von geübter Hand in der gleichen, auch für die Schrift verwendeten sepiafarbenen Tinte. Die Handlungsfiguren stehen auf einem etwa ein Viertel der Bildhöhe einnehmenden, mit runden Steinchen belegten Bodenstück, das am Horizont zuweilen von flachen Bergketten begrenzt wird; kein Pflanzenbewuchs als Hinweis auf den Rosengarten. Harte durchgezogene Umrißlinien, sparsame, kurze Parallelschraffen in den Schattenpartien der Gewandfalten und zur Modellierung der Figuren, sonst jedoch weitgehend Verzicht auf Binnenzeichnung. Etwas steife Figuren mit auch in den Kämpfen wie eingefroren wirkenden Bewegungen. Die Riesen unterscheiden sich maßstäblich deutlich von den kämpfenden Recken. Die Recken kämpfen mit Schwertern, die Riesen mit Stangen. Großer Wert wird auf die akribische Darstellung der luxuriösen, reich verzierten Plattenrüstungen und Turnierhelme gelegt. Durch die Beschränkung auf die Linie und den Verzicht auf Kolorierung haben die Illustrationen Ähnlichkeit mit zeitgenössischer Druckgraphik, vor allem mit Kupferstichen. Trotz der textlichen Verwandtschaft der ›Rosengarten‹-Dramatisierung mit der Fassung der Heldenbuch-Drucke (Nr. 29.3A.a.29.3A.c.) sind die Holzschnitte der Drucke Prüss, um 1479, Schönsperger, 1491, oder Gran für Knobloch, 1509, jedoch nicht Vorlage der Illustrationen. Krusenbaum/Seebald (2006) S. 101 f. machen auf Anklänge an Holzschnitte aus dem Umkreis Maximilians I. aufmerksam, etwa Burgkmairs Arbeiten für Maximilians ›Genealogie‹ oder das Figurenprogramm des ›Weisskunig‹ und des ›Triumphzugs‹. Der Gebrauchsumkreis der Handschrift wäre damit im Kontext des memoria-Konzepts Maximilians und seines Kreises zu verorten, sei es, um »die eigene Herrschaft mit einem Bildvorrat für die Selbstdarstellung auszustatten« (S. 104), vielleicht sogar »selbstironisch gebrochen« (S. 105), sei es im städtisch-patrizischen Umkreis in parodistischer Absicht als »Imitation« und »zugleich […] Umkodierung der omnipräsenten Maximilian-Ikonographie des Ruhmeswerks« (S. 107).

Bildthemen:

(in der korrekten Reihenfolge mit Nennung der Namensbeischriften): Kunig Gibich auf dem Thron fordert Kunig Schrutan zum Kampf gegen die Eindringlinge auf (4r), Hilliprant, vor einem Zelt stehend, ermutigt Hertzog Heym zum Kampf mit Schrutan (5r), Hertzog Heim von Soffoy schlägt Kunig Schrutan nieder (5v). Bruͤder Yllsan fordert von Krimhild 52 Rosenkränze (1r), Kunig gibich schickt Graff wallther von waxenstain zum Kampf (1v), Krimhillt überreicht Hertzog Dietleib von Steyer und Graff Wallther die Rosenkränze (2v), Kunig Gibich dankt Graff wallther für seinen Kampfesmut und schickt Graff Volkher von Alltzen zum Kampf (3r), Hertzog Hagen verabschiedet sich von dem auf dem Thron sitzenden Kunig gibich zum Kampf (6r), Hilliprandt fordert Eckart zum Kampf mit dem am Boden sitzenden Hertzog Hagen auf (6v).

Literatur:

Heinzle (1978) S. 31 f.; Ott (1984) S. 372, Abb. 11 (2v); Ott (1987a) S. 250, Abb. 3 (6v); Hansjürgen Linke: Versuch über deutsche Handschriften mittelalterlicher Spiele. In: Deutsche Handschriften 1100–1400. Oxforder Kolloquium 1985. Hrsg. von Volker Honemann und Nigel F. Palmer. Tübingen 1988, S. 527–589, hier S. 540 f., Abb. 24 (4r); Heinzle (1999) S. 173 f., Abb. 11 (2v); Simon (2003) S. 28 f. 206–208, Abb. 8 (2v). 9 (6v); Aderlass und Seelentrost (2003) S. 127–130, Abb. S. 128 (2v); Krusenbaum/ Seebald (2006) [alle Handschriftenseiten (S. 119–130) mit Transkription (S. 108–118)].

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 38: 5v. ›Rosengarten-Spiel‹: Hildebrand im Gespräch mit Heime.

Abb. 39: 6r. ›Rosengarten-Spiel‹: Heime schlägt Schrutan mit dem Schwert nieder.

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Abb. 38.
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Abb. 39.