KdiH

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97.3.4. London, The British Library, Add. 15686

Bearbeitet von Sarah Glenn DeMaris

KdiH-Band 9

Datierung:

Bald nach 1400 (Brett-Evans [1960] S. 139); Bilder erst kurz vor 1480 ausgeführt (siehe Einleitung zur Untergruppe 97.3.).

Lokalisierung:

Villingen.

Besitzgeschichte:

Die Handschrift wurde im Klarissenkloster Villingen (Bickenkloster) verfasst: Exsplicit (!) regula sancte clare virginis in villigen (30v) und wahrscheinlich im Freiburger Klarissenkloster bebildert (siehe Einleitung zur Untergruppe 97.3.), wonach die Handschrift wieder im Bickenkloster war. Die British Library erwarb sie 1846 vom Berliner Buchhändler Adolf Asher (auf der Innenseite des Vorderdeckels: Purchased of A. Asher, 24. Jany. 1846).

Inhalt:
2r–30v Urban IV., ›Urbanistinnenregel‹
Augsburger Fassung
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament (Vorsatz- und Nachsatzblatt Papier), I + 34 + I Blätter, 190 × 145 mm, Textura, eine Hand, einspaltig, drei Hauptinitialen in Deckfarben und mit Rankenwerk in Deckfarben und Blattgold (2r, 12v, 22r), zweizeilige rote und blaue Lombarden (abwechselnd am Anfang der Kapitel), Cadellenverzierung an unteren Blatträndern in schwarzer Tinte mit entweder roter oder blauer Füllung, rote Überschriften, rot durchstrichene Majuskeln und Absatzzeichen.

Schreibsprache:

alemannisch mit schwäbischem Einschlag (Brett-Evans [1960] S. 138).

II. Bildausstattung:

Acht ganzseitige oder fast ganzseitige Deckfarbenminiaturen (1r, 1v, 30v [die letzten sechs Zeilen der Regel füllen das obere Drittel der Seite], 31r, 31v, 32r, 32v, 33r). Eine Malerin, Sibylla von Bondorf (1r), Klarissenschwester in Freiburg und Straßburg (St. Klara auf dem Werth).

Format und Anordnung, Bildaufbau und -ausführung:

1r (135 × 104 mm): Rechts im Bild sitzt Maria und stillt das nackte strampelnde Kind. Sie trägt ein malvenfarbiges Kleid und einen blauen, rotgefütterten Mantel. Links sitzt der hl. Ägidius, Schutzpatron stillender Mütter, in blauem Gewand mit schmalen, weißen Borten an den Ärmelstulpen, am Kragen und am unteren Saum, in der rechten Hand einen langen silbernen Stab, mit der linken Hand zieht er einen Pfeil aus der Brust eines blutenden Hirsches. Alle drei mit silbernem Nimbus und blondem, lockigem Haar, bei Ägidius tonsiert, bei Maria lang. Zwischen und hinter den Figuren noch eine blonde, kleine Person, wohl keine Ordensschwester, die die Szene betrachtet. Ihr Kleid ist malvenfarbig mit weißen Punkten; mit den Armen hält sie vor der Brust ein silbernes Objekt in der Form eines τ (?), Symbol der Franziskaner; in den Händen ein kleines rundes Objekt (Hostie?). Alle vier Figuren mit rosigen Wangen und Lächeln. Die Szene spielt in einem Garten mit grünem Laub, großen roten Früchten und kleinen Gänseblümchen; im Hintergrund ein geometrisches Muster in roten Farbtönen. Über den Köpfen von Ägidius und Maria ein Spruchband mit roter Schrift: Sancta et in maculata virginitas quibus te laudibus referam nescio quia quem celi. Das Ganze rot und grün umrahmt, unter dem Rahmen in Rot: Hec pictura est a sorore Sibilla de bondorff orate deum pro ea.

1v (140 × 100 mm): Links und rechts stehen Franziskus und Klara (beide mit Nimbus) mit vier proportional kleinen Klarissen dazwischen. Franziskus ist barfuß und tonsiert und trägt eine braungefütterte, blaue Kutte mit schmalen weißen Borten am Kragen und am unteren Saum und ein Zingulum mit drei Knoten. Ein Riss in der Kutte entblößt eine blutende Wunde in der rechten Brust. In der rechten Hand, auch mit blutender Wunde, hält er ein rotes Buch; in der linken Hand ein Kruzifix, dessen Christusfigur einen Nimbus hat. Von dem Kreuz wächst grünes Laub. Klara trägt einen blauen Mantel mit weißgepunkteten Borten, einen schwarzen Schleier und eine weiße Haube. Sie hält ein rotes Buch in der linken Hand und eine große Monstranz mit Hostie in der rechten. Die kleinen Schwestern halten die Hände vor der Brust in Gebetshaltung. Oben ein Spruchband, über dem ein Gesicht mit Nimbus (Gottvater) schwebt: Ego vos elegi ut eatis et fructum afferatis et fructus vester maneat (Io 15,16, die letzten drei Worte außerhalb des Rahmens). Eine Taube mit Nimbus fliegt nach unten. Ein zweites Spruchband schwebt vor Klara: Ich bin din eigen du wellest in gott frölich zeigen. Die Szene spielt in einem Garten mit grünem Gras und Gänseblümchen; der Hintergrund mit Palmettenmuster in roten Farbtönen; das Ganze rot und grün umrahmt. Alle fünf Nimben in Silber (Blattsilber?). Diese Miniatur ist einer weiteren Sibylla-Miniatur ikonografisch sehr ähnlich (Leipzig, Deutsches Buch- und Schriftmuseum, Klemm-Sammlung I, 104, 13r [Nr. 51.9.2.]; Bodemann [2007] S. 438, Abb. 3).

30v (100 × 100 mm): Christus als guter Hirte hält ein weißes Schaf über der rechten Schulter. Auf dem linken Arm trägt er eine proportional kleine Frau mit langem blondem Haar. Christus trägt ein grüngefüttertes, lila Gewand mit gelb-schwarzen Borten am Kragen und weißen Borten am Saum. Beide Figuren sind barfuß, Christus mit Nimbus. Oben rechts schweben drei blonde Engel in Gebetshaltung mit grünen, roten und lila Flügeln und Kleidung. Unten rechts kniet eine proportional kleine Klarisse vor Christus in Gebetshaltung. Die Szene spielt in einem Garten mit grünem Laub, roten Früchten und Gänseblümchen. Rechts eine Gruppe eingezäunter Schafe; der Himmel wird mit blau-weißen horizontalen Streifen angedeutet; alles rot umrahmt. Ein Spruchband mit roter Schrift fließt von unten links bis zu den schwebenden Engeln: congratulamini michi omnes quia in veni ovem que perierat te deum laudamus (Lc 15,6). Diese Miniatur ist zwei weiteren Sibylla-Miniaturen ikonografisch sehr ähnlich (Karlsruhe, Cod. Donaueschingen 437, 142r [Nr. 43.1.79.] und St. Paul im Lavanttal, Stiftsarchiv, Cod. 2/2, 45v [Nr. 43.1.170.]; Winston-Allen [2007] S. 437, Abb. 3 und S. 491, Taf. 17).

31r (135 × 93 mm): Zwei stehende Figuren werden durch Spruchbänder über ihren Köpfen identifiziert: links der hl. Bernhardin von Siena (Sanctus bernhardinus), rechts Klaras leibliche Schwester Agnes (Sancta angus soror Sanctem Clare virgin). Bernhardin trägt eine blaue Kutte mit weißen Borten und ein Zingulum mit drei Knoten; Agnes mit blauem, lilagefüttertem Mantel mit weißen Borten, einem Zingulum mit drei Knoten, einem schwarzen Schleier und weißer Haube. Bernhardin trägt ein rotes Buch in der rechten Hand, in der linken Hand sein Siegel: ein rundes blaues Objekt mit dem Christus-Monogramm IHS in Rot, von dem gelbe Sonnenstrahlen ausgehen. Agnes hält ein rotes Buch in der linken Hand und einen blauen Blumenstrauß (Lilien?) in der rechten. Sie stehen im Garten mit Gras und Gänseblümchen; der Hintergrund ein geometrisches Muster in roten Farbtönen mit goldenen Punkten. Unten zwischen den zwei Figuren ein rotes Wappen mit drei Feldern, je mit blauen Blumen (Lilien?). Das Ganze in Grün und Rot umrahmt.

31v (137 × 95 mm): Zwei stehende Figuren werden durch Spruchbänder über ihren Köpfen identifiziert: links der hl. Antonius von Padua (Sanctus anthonius de padua), rechts der hl. Ludwig, Erzbischof von Toulouse (Sanctus ludwice regis episcopi). Der tonsierte Antonius trägt eine graue Kutte mit weißen Borten und hält ein rotes Buch in der rechten Hand und einen blauen Blumenstrauß (Lilien?) in der linken. Ludwig trägt einen grünen, lilagefütterten Mantel mit gelb-schwarzen Borten, darunter eine blaue Kutte, und eine braune Mitra. Er hält einen braunen Bischofsstab in der linken Hand und ein rotes Buch in der rechten. Unter den Füßen ist Gras mit Gänseblümchen. Hinter ihnen ein geometrisches Muster in roten Farbtönen mit goldenen Punkten. Das Ganze in Rot und Grün umrahmt.

32r (135 × 95 mm): Zwei stehende Figuren werden durch Spruchbänder über ihren Köpfen identifiziert. Links ist Heinrich II. (Sanctus Heinricus bitt gott vir uns) und rechts eine hl. Elisabeth (Sancta Elisabet regina), möglicherweise Königin Elisabeth von Portugal und nicht ihre Großtante Elisabeth von Thüringen, die zwar Königstochter war, aber nicht Königin. Der gekrönte Heinrich mit Nimbus trägt einen roten, grüngefütterten Mantel mit gelb-schwarzen Borten, darunter ein malvenfarbiges Gewand und ein Zingulum mit drei Knoten, seine Schuhe spitz und rot. In der linken Hand hält er eine Kirche mit Turm, in der rechten ein Zepter. Er hat blondes Haar und einen blonden Vollbart. Die Königin, auch gekrönt und mit Nimbus, trägt einen blauen, rotgefütterten Mantel mit einem malvenfarbigen Gewand darunter. Ein Zingulum ragt unter dem Mantel heraus. Sie trägt einen weißen Schleier und hat langes blondes Haar. In der rechten Hand trägt sie ein Kruzifix: Nägel, blutende Wunden und Nimbus werden am Kruzifix und an der Christus-Figur detailliert dargestellt. In der linken Hand hat sie ein gelbes flammenartiges Objekt (Fackel?). Unten Gras und Gänseblümchen, hinter ihnen wird der Himmel mit blauen horizontalen Streifen angedeutet. Das Ganze rot umrahmt.

32v (135 × 100 mm): Der hl. Bonaventura sitzt auf einer Bank an einem Schreibtisch, beide Möbelstücke in Braun und Gelb und beide architektonisch dargestellt, mit zweistöckigem Format (Schreibtisch) und rundbogigen Fensteröffnungen in Lila, Grün oder Rot. Ein Spruchband über ihm: Beatus bonauentura cardinalis. Bonaventura dreht sich nach links zum Schreibtisch, hält eine Feder in der rechten Hand und einen Griffel in der linken und schreibt in ein Buch. Er trägt einen roten, grüngefütterten Mantel und einen grünen Kardinalshut. Hinter dem Schreibtisch steht ein Baum mit roten Früchten, über dem Jesus als Halbfigur mit blondem Haar und blutenden Wunden an den Händen schwebt. Er ist von rosa und weißen Blumen umgeben und schickt eine weiße Taube mit Nimbus und mit einem Spruchband (sapienas [?]) im Schnabel zu Bonaventura hinunter. Der Hintergrund blau und das Ganze rot umrahmt.

33r (144 × 100 mm): Der stehende Christus mit Hostie in beiden Händen vor seiner Brust ist Mittelpunkt des Bildes. Von der Hostie wächst grünes Laub straußartig nach rechts hinaus. Christus, mit langem blondem Haar, trägt einen lila, grüngefütterten Mantel mit schmalen weißen Borten über einem blauen Gewand. Eine kleine weibliche Figur in rotem Kleid mit weißen Blümchen und einem Gürtel kniet zu seinen Füßen und umarmt sein rechtes Bein. Sie hat langes blondes Haar und schaut hinauf zu Christus. Oben links im Bild schwebt eine braune Monstranz mit einem Spruchband daneben rechts: Ego sum lux mundi. Ein zweites Spruchband etwas darunter: Ego sum via veritas. Direkt darunter erstreckt sich eine braune Leiter vom mittleren linken bis zum mittleren oberen Bildrand. Das braune zweiflügelige Himmelstor steht offen. Links unter der Leiter steht ein lila Brunnen aus drei Schalen, die obere und die untere mit Zinnen umrandet. Aus der mittleren Schale ragen drei gelbe Röhren heraus. Blaues Wasser fließt aus den Röhren in die untere Schale und in einen lila Becher, der vor dem Brunnen steht. Aus der oberen Schale wächst grünes Laub, worauf eine Taube mit silbernem Nimbus sitzt, direkt darüber ein Spruchband: fons vite et misericordie. Ein weiteres Spruchband schwebt von dem Brunnen bis hinter den Christuskopf: Domine semper da michi panem hunc. Das Spruchband geht an der anderen Kopfseite weiter bis zum oberen rechten Eck des Bildes: Ego sum vitis vera. Unten rechts im Bild befinden sich drei große Blumen in Weiß, Rot und Lila, alle mit gelber Mitte. Ein Spruchband über den Blumen: Ego sum flos camp[i] und darunter: granum frumenti.

Bildthemen:

Klarisse Sibylla von Bondorf schmückte mehrere Handschriften mit insgesamt über 170 Miniaturen. Darunter sind einige, die eine enge Ähnlichkeit zu den Miniaturen in Nr. 97.3.4. aufweisen. Bodemann (2007, S. 200f.) und Winston-Allen (2007, S. 190–193) bieten Überblicke über ihr Werk, aber es fehlt eine Monografie.

Obwohl nachträglich hinzugefügt (siehe Einführung zur Stoffgruppe Nr. 97.3.), haben Sibyllas acht Miniaturen trotzdem eine Beziehung zum Regeltext, wenn auch nicht unmittelbar physisch oder inhaltlich. Sechs der acht Miniaturen stellen Ordensleute als Hauptpersonen dar: Bernhardin von Siena, Antonius von Padua, Erzbischof Ludwig von Toulouse und Bonaventura waren alle Franziskaner, Agnes war Schwester in San Damiano, und Königin Elisabeth war Drittordensfrau. Franziskaner gab es noch nicht, als Heinrich lebte, aber der König dient als frommes Pendant zur Königin Elisabeth. Nur die erste (1r) und letzte (33r) Miniatur weicht davon ab, bei denen Christus und keine Ordensleute die Hauptrolle spielt. In der ersten Miniatur ist er noch ein stillendes Kind am Anfang seines irdischen Lebens. In der letzten ikonografisch reichen Miniatur weisen Hostie, Lebensbrunnen und Himmelsleiter auf das Ende seines irdischen Lebens hin. Die zwei Miniaturen stellen die Menschwerdung Gottes dar, was die Voraussetzung für die drei franziskanischen Orden schafft. (Ohne diese Handschrift bespricht Kaufmann [2006, S. 119] die heilsgeschichtliche Bedeutung der Himmelsleiter mit Christus als Himmelstor.)

Vier der Miniaturen stellen kleine Figuren dar, die die Perspektive der Leserin vertreten sollen. Die kleinen Figuren sind entweder Klarissen (1v, 30v) oder blonde Mädchen in weltlicher Kleidung (1r, 30v, 33r). Auch in anderen von Sibylla geschmückten Handschriften kommen diese Figuren vor. Winston-Allen (2009, S. 143–145) nennt sowohl die weltliche Figur wie auch die kleine Klarisse anima oder Seele.

Farben:

Rot, Blau, Grün, Lila, Gelb, Braun, Weiß, Malvenfarbe, Silber.

Literatur:

Priebsch 2 (1901) S. 135f., Nr. 157. – Brett-Evans (1960) S. 137–139; Bodemann (2007) S. 438, Abb. 1 (2r), S. 492, Taf. 18 (1r); Winston-Allen (2007) S. 436f., Abb. 1–2 (33r, 30v); Winston-Allen (2009b) S. 225, Abb. 4 (1r); Heiland-Justi (2010) S. 5, Abb. 1 (1r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 198: 1v. Hl. Franziskus und hl. Klara mit Klarissen.

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Abb. 198.