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90.0.2. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 143

Bearbeitet von Heidrun Stein-Kecks

KdiH-Band 9

Datierung:

Wohl nach 1468 (Ende 15. Jahrhundert: Schneider [1958] S. 13; um 1462–1465: Eichenberger/Runschke [2012/2013]).

Lokalisierung:

Westliches Bodenseegebiet (Raum Konstanz).

Besitzgeschichte:

Ein eigenhändiger Eintrag auf dem Hinterspiegel verweist auf Anna von Neuneck, Gemahlin Georgs I. von Ow-Hirrlingen († 1473), als Erstbesitzerin. Sie notierte auch den Inhalt des Buches (Ir) und hinterließ weitere Spuren ihrer Lektüre. Im 18. Jahrhundert im Besitz der Bibliothek in Meßkirch, von dort in die Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek in Donaueschingen, Cod. 143, bezeugt durch Einträge (Ir, 131v, 132r) des Hofbibliothekars Johann Baptist Müller (zwischen 1803 und 1814; Gantert [2003] S. 138), Signaturschild und Bibliotheksstempel; nach dem Ankauf durch das Land Baden-Württemberg (1994) gelangte die Handschrift in die Badische Landesbibliothek Karlsruhe (Heinzer [1995] S. 312–319).

Inhalt:
1. 1r–132v Thüring von Ringoltingen, ›Melusine‹
Handschrift D, Klasse II (Schneider [1958] S. 13f.)
2. 133r–135r Wappenbilder des Hauses Lusignan
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, I + 135 Blätter, 282 × 207 mm, Bastarda von einer Hand, einspaltig, 21–32 (überwiegend 26–29) Zeilen, Rubrizierung von Schreiberhand: Tituli mit aufwendig verschnörkelten W-Initialen, 68 Fleuronné-Initialen zum Kapitelanfang über vier bis neun Zeilen (meist fünf bis sechs Zeilen), alternierend in Rot und Braunschwarz mit Besatz in der Gegenfarbe und gelben Lavierungen.

Schreibsprache:

südalemannisch mit oberrheinischen und schwäbischen Elementen (Eichenberger/Runschke [2012/2013]).

II. Bildausstattung:

Freiräume für 67 nicht ausgeführte Illustrationen; fünf kolorierte Federzeichnungen mit je einem Wappenbild und Schriftband (133r–135r).

Format und Anordnung:

Die 67 vorgesehenen Illustrationen sollten in der Regel gut drei Viertel der Seite von oben einnehmen. Darunter ist Platz für meist fünf bis sechs Zeilen des neuen Textabschnitts mit einer jeweils ebenso hohen, sorgfältig ausgeführten Fleuronné-Initiale. Die Tituli in Rot stehen nicht bevorzugt über den Bildern auf der Seite ganz oben, sondern sind in den überwiegenden Fällen in großzügige Weißräume der jeweils vorhergehenden Seite platziert. Die insgesamt sehr großzügige und regelmäßige Einrichtung des Textes und die aufwendige Ausführung der Initialen sprechen eher gegen eine Frühdatierung an den Anfang der bekannten Überlieferung, wie sie zuletzt auf der Basis der Wasserzeichen sowie des originalen Einbands vorgeschlagen wurde (Eichenberger/Runschke [2012/2013]; Welterfahrung und Innovation [2015]).

Bildthemen:

Die vorgesehene Bilderfolge entspricht der Nürnberger Handschrift 4028 (Nr. 90.0.5.), auch die von den Erstdrucken teilweise abweichenden Formulierungen der Tituli stimmen inhaltlich (nicht immer wörtlich) mit ihr überein. Charakteristisch für diese in den Augsburger Drucken in reduzierter Form übernommene Ikonografie sind die Illustrationen zum Bau des Schlosses Lusignan, die Fertigstellung des Baus zusammen mit der Geburt des ersten Sohnes sowie Kindbettszenen, die die im Titel genannten weiteren Geburten verbildlichen. Auf die Darstellungen Nr. 29 und 30 sowie Nr. 63 des Baseler Richeldruckes (Nr. 90.0.a.) wird dagegen wie in allen überlieferten Bilderhandschriften verzichtet.

Einzigartig sind die fünf nach dem Ende des ›Melusine‹-Textes eingefügten ganzseitigen Wappenbilder, die über Beischriften mit den Romanfiguren verbunden werden. An erster Stelle (133r) steht das alt vnd recht Wappen der Herrschaft von Lusignan, ein achtmal geteilter Schild in Blau und Silber. Es folgt das Wappen der Könige von Zypern, das hier als das Wappen des Uriens beschrieben wird (133v): Der bekrönte Schild zeigt das Heroldsbild der Lusignan belegt mit einem goldbewehrten, gold bekrönten, roten Löwen mit goldenem Halsband. Dasselbe Wappen wird unverändert (die unterschiedliche Größe beider Löwen geht auf die wenig gekonnte Ausführung zurück) für den König von Armenien, hier Gyot, wiederholt (134r). Das vierte Wappen (134v) steht für das Herzogtum Luxemburg und hier für Anthoni; abweichend von den überlieferten Luxemburger Wappen wird der gold bewehrte rote Löwe mit goldenem Halsband nach links dargestellt, was in den Lusignan-Wappen eine Entsprechung bei Gottfried I. finden kann. Schließlich das Wappen der grauen von der marck jn Franckenrich (135r), also der Grafschaft La Marche, das im Spruchband mit keiner Romanfigur verbunden wird. Dies mag daran liegen, dass dem betreffenden Sohn Gedes, der keine Aventüre zu bestehen hat, in der Erzählung weniger Aufmerksamkeit zuteil wird. Die Heraldik gibt Rätsel auf: Der neunmal geteilte Schild in Blau und Silber, belegt mit drei Sparren in Rot über Eck gespalten, entspricht dem Wappen der La Roche bzw. Rochefoucauld, die sich ihrerseits auf Hugo I. von Lusignan zurückführen und mit den Parthenay-L’Archevêque – deren Wappen zeigt statt der Sparren einen roten Schrägrechtsbalken – durch Heirat verbunden sind. Das Wappen mag damit auch auf den Auftraggeber der Coudrette-Fassung der ›Melusine‹, Guillaume de Parthenay, und seine eigene Beziehung über die weibliche Linie zum Haus Lusignan verweisen oder mit dem Auftraggeber der Handschrift verbunden sein (Wappen von Auftraggebern finden sich in einer verlorenen Jean d’Arras-Handschrift: Colwell [2012] S. 295f.).

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Die Wappenbilder rücken die dynastische Bedeutung der ›Melusine‹ in den Vordergrund und bestätigen kraft der Autorität der heraldischen Zeichen zugleich die historische Authentizität der erzählten Geschichte. Diese und weitere Besonderheiten lassen Rückschlüsse auf individuelle Ansprüche der Auftraggeber an die Handschrift und deren Rezeption des Textes zu. Bestimmt für die nur durch eine gemeinsam mit ihrem Gemahl, Georg I. von Ow-Hirrlingen, für die Pfarrkirche zu Hirrlingen getätigte Jahrtagsstiftung nachgewiesene Anna von Neuneck (Ottmar [1974] S. 291; Ottmar [1995] S. 22), wird die Rolle der Hauptfigur als Ahnfrau des mächtigen Geschlechts und Mutter der tapferen und ehrenhaften Söhne hervorgehoben, die sich damit als Identifikationsfigur für die Erstbesitzerin anbietet. In den Benutzerspuren und Bemerkungen zum Text gibt sich Anna von Neuneck als schreibkundige und emotional beteiligte Leserin zu erkennen. Sie fasst den Inhalt mit ausschließlichem Fokus auf die Mutterschaft zusammen: Wie es Mellusina vnd iren kinden erganen jst find man jn disen buͦch (Ir); sie erschrickt über die Greueltat des Geoffroy und kommentiert: O Geffroÿ was hast dú getan (78v), und sie personalisiert die Federprobe auf dem Nachsatzblatt: Ich Bin aúch da (135v).

Farben:

braunschwarze und rote Tinte, gelbe Lavierung; Wappen: Blau, Rot, Gelb, Weiß.

Literatur:

Barack (1865/1974) S. 144f. – Schneider (1958) S. 13; Backes (2004) S. 107; Welterfahrung und Innovation (2015) S. 50–53.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus, Manuscripta Mediaevalia

Abb. 116: 134r. Wappen für Gyot, König von Armenien.

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Abb. 116.