KdiH

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90.0.b. Augsburg: Johann Bämler, 2.11.1474

Bearbeitet von Heidrun Stein-Kecks

KdiH-Band 9

Beschreibung:

2o, 100 Blätter, ohne Zählung (a–d8, e12, f–m8), einspaltig, 26–28 Zeilen, Blocksatz mit Ausnahme der vier Seiten des äußeren Bogens der Lage e (e1 und e12), zwei gedruckte Schmuckinitialen, gedruckte Konturlombarden über drei Zeilen am Anfang des neuen Textabschnitts (e1v Freiraum), wenige mit Maiglöckchenfüllung (Buchstabe D).

Bildausstattung:

72 Holzschnitte von 64 Druckstöcken, davon 56 für diese Ausgabe geschnitten, von denen sechs wiederholt werden, einer davon zweimal (a3r = c1r, b5v = h7v, b7r = e1r, b8v = e5r = f2r, c1v = f3r, c4r = k8r), acht passende Fremdholzschnitte aus Drucken der eigenen Offizin, davon fünf (c5r, c8r, d8r, e10v, f1r) aus der nach dem 23.4.1474 abgeschlossenen ›Hystori wie Troya die kostlich stat erstoret ward‹ (GW 07233, ISTC ic00775900; vgl. künftig Stoffgruppe 130. Trojanerkrieg) und drei (d1v, e12v, d4r = d6r) aus dem am 28.6.1473 fertiggestellten ›Alexander‹ (GW 00884, ISTC ia00403000, Nr. 3.3.a.), 78–85 × 105–118 mm, d. h. ca. zwölf Zeilen in der Höhe, in der Breite beidseitig drei bis fünf Zeichen schmäler als der Satzspiegel, Rahmung mit schmaler Doppellinie; a1a zwei gerahmte, geschlossene Doppelkonturinitialen: D (Incipit, fünf Zeilen) und S (Vorrede, sechs Zeilen), übernommen aus dem ›Alexander‹.

Die querrechteckigen, knapp halbseitigen Holzschnitte folgen in der Regel direkt auf den Titulus, überwiegend am Beginn der Seite, aber auch am Fuß des Satzspiegels ausgerichtet oder mitten zwischen zwei Textabschnitten platziert. Es zeigt sich, dass Wiederholungen und Wiederverwendungen nicht nur in numerischer Hinsicht als Bereicherung der Bildgeschichte im Vergleich zum Richel-Druck eingesetzt werden (vgl. Nr. 90.0.a.).

Die Fremdholzschnitte werden dem nach der Bämler’schen Offizin benannten Reißer, dem Bämler-Meister (Schmid [1958] S. 35–38; vgl. Augustyn [2017] S. 66f., 69, 71), zugeschrieben, an dessen Formen sich die ›Melusine‹-Schnitte durchaus orientieren und von dem sie Detailformen übernehmen. Sie entfalten durch räumliche Disposition der Kompositionen und miteinander kommunizierende und agierende Figuren narrative Qualität.

Als mögliche Druckvorlage für die Textfassung wird von Habermann (2006, S. 110) die Nürnberger Handschrift 4028 (Nr. 90.0.5.) wahrscheinlich gemacht (vgl. Schneider [1958] S. 25: »Kontamination aus den Fassungen U und T«, also den Handschriften Nürnberg, Hs 59160 [Nr. 90.0.6.] und Straßburg, ms. 2265). Die Bilderfolge stimmt besonders an den von Richel abweichenden Stellen mit der 1468 datierten sowie den anderen in dieser Hinsicht verwandten Handschriften überein. Allerdings setzt Bämler Fremdholzschnitte ein, wo die Nürnberger Handschrift Miniaturen zeigt, die aber bei Richel fehlen, nämlich zu Melusines Bautätigkeit und den Geburten der Söhne; zudem findet Bämlers bezeichnende Umstellung der Holzschnitte zur Anschuldigung und zur Ohnmacht Melusines in der Nürnberger Handschrift zwar eine Entsprechung, die Miniaturen zeigen aber eine abweichende, eigenständige Bildform, die in den Holzschnitten nicht übernommen wird. Dies spricht gegen eine Verwendung der Nürnberger Handschrift 4028 als Vorlage für die einzelnen Holzschnitte, wobei konzeptionelle Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen in signifikanten Details beide verbinden.

Bildthemen:

Die Veränderungen der Bildfolge im Vergleich mit dem Richel-Druck betreffen spezifische Textpassagen. Im Anschluss an die mit sieben Holzschnitten besonders ausführlich dargestellten Hochzeitsfeierlichkeiten der Protagonisten fügte Bämler zwei weitere ein, die – in direktem Textbezug – mit dem Bau des Stammschlosses Lusignan (als Wiederholung des Wiederaufbaus von Kloster Maillezais) und der Geburt des ersten Sohnes (Fremdholzschnitt) die Bedeutung Melusines als Ahnherrin betonen. Die Geburt des zweiten Sohnes wird durch einen bei Richel nicht ausgewiesenen Titulus hervorgehoben, blieb aber ohne Holzschnitt. Dafür wird ein Richels Nr. 17 entsprechender Titel und Holzschnitt, die Geburt dreier Söhne, illustriert mit dem Abschied der bereits herangewachsenen Jünglinge von Melusine, im Text vorgezogen, der folgende Holzschnitt (entsprechend Richel Nr. 18, Ausfahrt von Uriens und Gyot) an die Stelle von Richels Nr. 17 gesetzt und ein zusätzlicher Fremdholzschnitt (aus ›Troja‹) an derselben Stelle von Richels Nr. 18 eingefügt, um damit den Beginn der Aventüren der Söhne gegenüber Richel weiter auszuschmücken. Gleich danach betonen zwei Holzschnitte unter einem einzigen Titel die Bedeutung der ersten prestigeträchtigen Vermählung eines Sohnes und die damit verbundene Erringung der Krone des Königreichs Zypern. Die nächste Gruppe der Veränderungen der Illustrationsfolge bezieht sich auf die lange Erzählung der Aventüren der Söhne Anthoni und Reinhart. Ein (wiederholter) Holzschnitt illustriert direkt, ohne Titel, den Empfang der Brüder aus Lusignan durch die Luxemburger Herzogin (e1r); die Wiederholung des Empfangs Reymonds durch Melusine (b7v) verstärkt an genau dieser Stelle die Losung und Willkommensrufe Lusinÿen. Die weiteren Empfangs- und Abschiedsszenen für Anthoni bzw. Reinhart werden im Unterschied zum Richel-Druck nicht bildlich hervorgehoben (Richel Nr. 29 und 30 fehlen). Die vertauschte Abfolge der ersten beiden Holzschnitte (Richel Nr. 42 und 43) zum emotionalen Drama der Enthüllung von Melusines Doppelnatur stellt sich bei genauer Betrachtung – ebenso wie im Fall der Holzschnitte zur Geburt der Söhne (Nr. 17, 18) – als bewusste Entscheidung Bämlers in Abweichung von Richel heraus mit dem Ziel einer besseren Passung zum Titulus und zum Textverlauf.

Der ikonografische Bezug zum Basler Richel-Druck (Nr. 90.0.a.) sowie über diesen Druck auch zur Basler Handschrift von 1471 (Nr. 90.0.1.) ist unverkennbar, ohne dass das Verhältnis beider Drucke abschließend zu klären ist. Auffallend sind zum einen die teilweise seitengleichen, teilweise seitenverkehrten, teilweise beides in einem Riss kombinierenden Kompositionen im Verhältnis zu Richel, zum anderen charakteristische Abweichungen, die einen eigenständigen Umgang mit der Ikonografie belegen. Beide Drucke unterscheiden sich in ihrer je eigenen Bildsprache und ihrer visuellen Interpretation des Textes voneinander, wie Hespers (2010, S. 146–163) grundlegend aufzeigte. Schließlich spricht auch die Tatsache, dass Bämler für andere Drucke aus seiner Offizin selbst ganzseitige Holzschnitte anfertigte, aber just für die ›Melusine‹ das den Richel-Druck kennzeichnende Format nicht verwendete, für eine unabhängige Aneignung einer beiden direkt zugänglichen oder indirekt vermittelten illustrierten Vorlage.

Digitalisat:

München, Bayerische Staatsbibliothek, 2 Inc.c.a. 295.

Faksimile:

Müller (1990) S. 9–176 (Teilfaksimile der Holzschnittfolge).

Literatur:

GW 12655, zwei Exx. nachgewiesen; ISTC im00475600; BSB-Ink C-687. – Butz (1987); Müller (1990) S. 1012–1087; Gotzkowsky (2002) S. 133–135, 138–142; Backes (2004) S. 177–181; Rautenberg (2006) S. 86–88; Bock (2008); Vöhringer (2008) S. 327–342; Schmidt (2009); Hespers (2010) S. 146–163; Stein-Kecks (2015); Knaeble (2017) S. 117–132.

Anmerkungen:

Diese Ausgabe begründet die Augsburger Inkunabelüberlieferung; veränderte Nachdrucke sind:

Weitere Materialien im Internet:

GW 12655

Abb. 120: München, BSB, 2 Inc.c.a. 295, a2r. Auftrag an Coudrette zur Abfassung des Buches.

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Abb. 120.