KdiH

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37.1.3. Bern, Burgerbibliothek, Mss.h.h.X.49

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 4/1

Datierung:

Um 1466–1473(?).

Lokalisierung:

Kanton Bern?

Besitzgeschichte:

Erstbesitzer Heimon Egli, in den Jahren 1466, 1469 und 1470–1473 (Blaser [1949] S. 10) als Vogt des Grafen Guillaume de Châlon († 1475) in der Herrschaft Erlach/Cerlier im Kanton Bern belegt (vgl. Eintrag S. 206: Das buͦch ist des wysen vnd fromen hemen eglis vogt zuͦ erlach von gottes gnaden); die Handschrift blieb im Umfeld der Familie von Erlach, die von 1516 bis 1875 auf Schloß Spiez residierte; S. 61 nennt sich als Besitzer des 16./17. Jahrhunderts ein Benedikt zu Laufen (das buoch ist bendicht zuo louf), ebenda Einträge von Jakob von Bollingen sowie Katharina Müller, beide aus Bern (ähnliche Einträge S. 121/122 sowie S. 209/210). Aus Schloß Spiez 1875 in den Besitz des Berner Sammlers Friedrich Bürki (1819–1880) übergegangen (Vorsatzblatt verso: Aus der Bibliothek von Spiez 1875 F. Bürki), aus dessen Nachlaß 1888 in die Berner Stadtbibliothek (seit 1951 Burgerbibliothek) gelangt.

Inhalt:
S. 1–206 Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹

Hs. Bn (Bestandsklasse Ia)

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, II + 105 Blätter (die Vorsatzblätter jünger [18. Jahrhundert], der alte Buchblock gezählt S. 1–210; umfangreiche Blattverluste, zu Beginn fehlen der alten Lagenzählung zufolge – z. B. S. 35 der virt sexter – ca. 29 Blätter, weitere Blattverluste vor S. 101 [zwischen 77 und 123 müssen insgesamt drei Blätter fehlen), vor S. 195; S. 45/46, 115/116 defekt, S. 61/62, 121/122 und S. 207–210 ursprünglich ungeschrieben, mit späteren Kritzeleien; vor allem 61/62 mit Nameneinträgen [siehe oben] und Zeichnung eines Dudelsackspielers), 282 × 205 mm, einspaltig, 27–30 Zeilen (S. 52–54: 38–39 Zeilen), abgesetzte Verse, breite Bastarda, ein Schreiber (Heimon Egli; Kolophon S. 206), an den Fabelanfängen rote Initialen über drei bis fünf Zeilen mit schlichtem Faden- und Perlfleuronné. Ab S. 64 beginnen die Verse mit roten Majuskeln.

Schreibsprache:

alemannisch.

II. Bildausstattung:

71 von ursprünglich wohl 96 kolorierten Federzeichnungen (Blattangaben siehe Einleitung zur Untergruppe 37.1.), ein Zeichner (mit Korrekturen und Überzeichnungen [S. 15 von zweiter Hand?]).

Format und Anordnung:

Streifenbilder, ca. 55–90 × 122–132 mm, jeweils vor Beginn der zugehörigen Fabel. Meist in den vorgezeichneten Schriftspiegel eingepaßt, wobei die Bilder beidseitig in der Regel ca. 5 mm schmaler sind als dieser (eine breitere Einfassung war offenbar vorgesehen). Überformat hat lediglich S. 44 (Nr. 44 [Streit der Tiere und Vögel]). Die Bilder sind meist über die rote Zeilenlinierung hinweg gezeichnet, diese sah an anderen Stellen Bildeinschübe vor (z. B. S. 4, S. 6/7, S. 8/9 etc.), d. h. Anlage und Ausführung stimmen nicht überein. Konzeptionelle Brüche gibt es auch anderswo: S. 52–55 schreibt der Schreiber über den vorlinierten Schriftspiegel hinaus, um ab S. 55 die Seiteneinrichtung besser einhalten zu können, stattdessen muß er jedoch S. 61/62 ganz leer lassen (dort nachträgliche Benutzereinträge).

Bildaufbau und -ausführung:

Vor meist hohem Horizont (Boden flächig olivbraun, Himmelszone nicht ausgefüllt) agieren die dargestellten Figuren auf vorderster Bildebene und nehmen die volle Bildhöhe ein. Lineare, holzschnittartige Konturzeichnung in unterschiedlich breiten Federstrichen, kaum Schraffen zur Schattierung. Menschliche Protagonisten haben runde Gesichter mit strichförmigem Mund, in Frontalansicht ebenfalls nur mit einem Strich markierter Nase und runde Punktaugen. Auffallend die durchscheinend grauen Lavierungen von lichtabgewandten Gegenständen oder Körpern. Nach der Kolorierung mit dem Lineal gezogene Randeinfassung, die sich an den Ecken kreuzt; Füße sind häufig vom Bildrand abgeschnitten, umgekehrt überschneiden Figuren oder Requisiten den Bildrand nie.

In einigen Illustrationen (S. 9, S. 12 und öfter) finden sich Umrißlinien, die wie geprägt aussehen und unter Umständen von einem Pausverfahren herrühren könnten.

Vorlage des Bildzyklus muß eine dem Basler Codex sehr ähnliche Handschrift (siehe unten: Bildthemen) gewesen sein, die sehr genau, bis hin zur Übernahme hier inzwischen altertümlich wirkender Kleidungsdetails (S. 151, S. 190 u. ö.), kopiert wurde. Selten fehlen Assistenzfiguren oder Requisiten (S. 21 fehlen die in der Kapuze des Wolfs gefangenen Gänse, die diesen als falschen Richter kennzeichnen, siehe Nr. 37.1.2.). Allerdings dürfte der Zeichner an manchen Stellen seine Vorlage mißverstanden bzw. sehr nachlässig wiedergegeben haben: S. 10 ist die Kennzeichnung der Person durch ihre Kleidung (männlich/weiblich?) unklar, S. 24 ist der Kahlkopf nicht als solcher markiert, S. 32 ist der Karren zu einem völlig unverständlichen Objekt geworden, dem Fuhrmann fehlt das zweite Bein, S. 51 fehlt der darzustellende Handlungskern, nämlich die Behandlung des Löwen durch den Hirten, S. 109 trägt nicht der Esel eine Löwenhaut, sondern der Esel ist überzeichnet mit der Figur eines Löwen. Gänzlich verzichtet wurde auf die Beigabe von Inskriptionen auf Schriftbändern.

Bildthemen:

Auswahl und Einzelmotive wie in der Basler Handschrift (Nr. 37.1.2.). Da zwei Illustrationen, die in der Basler Handschrift nicht ausgeführt wurden, hier vorhanden sind (Nr. 73 [Zwei Gesellen und Bär]: S. 154, Nr. 87 [Edelstein des Kaisers]: S. 190), ist davon auszugehen, daß der Berner Zeichner die Basler Handschrift nicht unmittelbar, sondern eine ihr äußerst ähnliche Vorlage benutzt hat. Die Berner Handschrift hat weniger Verluste als die Basler, läßt deshalb das Prinzip der 1:1–Illustration (eine Fabel – ein Bild), das in Handschriften dieser text-/bildgeschichtlichen Stufe offenbar konsequent angewandt, in anderen Überlieferungssträngen dagegen durch die Mehrfachbebilderung einer Fabel abgelöst wurde, noch klarer erkennen. So sind auch in dem in Basel A.N. III. 17 wegen Blattverlusts fehlenden Bild zu Fabel Nr. 52 [Mann, Sohn und Esel] zwei Handlungsschritte in eine Darstellung zusammengefügt worden (S. 73: 1. Junge und Mann gemeinsam auf dem Esel reitend, 2. Esel wird von beiden wie Wildbret getragen). Ebenso sind die in der Basler Handschrift fehlenden, allerdings auch in der übrigen Überlieferung nicht durch mehr als ein Bild illustrierten Fabeln Nr. 80 (Gans, die goldene Eier legt) und Nr. 84 (Vier Ochsen und Wolf) durch kontinuierende Darstellungen bebildert (Nr. 80, S. 175: 1. Gans brütet Eier aus, 2. Herr hält tote Gans im Arm; Nr. 84, S. 182: 1. Wolf springt drei zusammenstehenden Ochsen entgegen, 2. Wolf erlegt einen einzelnen Ochsen durch Genickbiß).

Farben:

blasse Erdtöne: Braun, Rotbraun, Gelb, Grau, Schwarz.

Literatur:

Emil Bloesch: Katalog der Handschriften zur Schweizergeschichte der Stadtbibliothek Bern. Bern 1895, S. 352. – Ferdinand Vetter: Kleine Mittheilungen I. Germania 27, NF 15 (1882) S. 219 f.; Blaser (1949) S. 9 f., Abb. 9 (S. 14–15). 10 (Textseite 206); Bodemann/Dicke (1988) S. 430 u. ö.; Peil (1990) pass., Abb. 55 (S. 9); Schachzabel, Edelstein und der Gral. Spätmittelalterliche Handschriftenschätze der Burgerbibliothek Bern. Bern 2009 (Passepartout 1), S. 40–44, Abb. S. 41 (S. 28). 43 (S. 4). 45 (S. 88).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXIVa: S. 154. Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹: Ein Mann liegt, von einem Bären überwältigt, am Boden, ein anderer klettert einen Baum hoch (Fabel 73. Zwei Gesellen und Bär).

Abb. 93: S. 190. Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹: König mit Edelstein in der erhobenen Hand, im Gespräch mit zwei Männern (Fabel 87. Edelstein des Kaisers).

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Taf. XXIVa.
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Abb. 93.