KdiH

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37.1.10. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 794

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 4/1

Datierung:

Um 1415 (Wasserzeichendatierung Zimmermann [2009]).

Lokalisierung:

Schwaben (Schriftsprache)/Elsaß (Zeichenstil).

Besitzgeschichte:

Vielleicht (nach Wegener [1927] S. VII: sicher) aus der Bibliothek Kurfürst Ludwigs III. von der Pfalz. 1r unten Signatur des 17. Jahrhunderts: 794 P.

Inhalt:
1r–80v Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹

Hs. H4 (Bestandsklasse III), unvollständig

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 84 Blätter (maßgeblich ist die Zählung des 17. Jahrhunderts: 1–80, zählt je ein neueres Vorsatzblatt 1* und 81* vorn und hinten nicht mit, ebensowenig das bis auf einen kleinen Rest fehlende Blatt 7* und das nach 55 eingeschaltete Blatt 55*; vor Blatt 1 fehlt eine Lage bis auf ein Blatt, das als Blatt 80 falsch eingebunden wurde; weitere fehlende Blätter: je ein Blatt vor 1 und 33, zwei Blätter nach 9; 36 falsch vor 34 eingebunden; einige Blätter mit Fehlstellen, vor allem 36, 42, 46), 289–300 × 207 mm, einspaltig, 26–36 Zeilen, Verse abgesetzt, Bastarda, ein Schreiber, rote Lombarden über zwei bis drei Zeilen, Caputzeichen, Versanfänge rot gestrichelt.

Schreibsprache:

schwäbisch (nicht bairisch, wie fälschlich bei Blaser und Bodemann/Dicke).

II. Bildausstattung:

Von ca. 105 ursprünglich enthaltenen kolorierten Federzeichnungen sind wegen Blattverlusts nur 84 erhalten, darunter 36r, 41r, 42v, 46v beschädigt (Blattangaben siehe S. 200–205); von zwei weiteren lediglich minimale Spuren (42r, 46r).

Format und Anordnung:

halbseitig vor Beginn jeder Fabel bzw. im Text einer Fabel, ungerahmt, nur die Bildbasis ist linear angegeben (37r auch doppellinig, 13r ausnahmsweise umlaufend angedeutete Federstricheinfassung), der untere Bildrand grenzt unmittelbar an die folgende Textzeile, Überschriften sind nicht vorhanden bzw. vorgesehen. Bildbreite orientiert sich an der Schriftspiegeleinfassung (Grundmaß ca. 160 × 130–160 mm), doch werden Randstege oft als Bildraum mit genutzt, sowohl in seitlicher Erweiterung als auch neben dem Schriftraum nach oben oder unten (12r, 23r, 38v, 42v, 66r, 68v).

Bildaufbau und -ausführung:

freistehende, rahmenlose Bildszenen, dabei werden jedoch randständige Architekturen (20r, 25r u. ö.) oder Landschaftselemente (z. B. 10v) zur seitlichen, gelegentlich von gedachtem Rahmen beschnittenen Bildbegrenzung. Schlichte, aber klare und sichere Konturzeichnung in weicher, geschlossener Linienführung, die an Glasmalerei erinnert (auf klare Umrisse bedacht zeigt sich etwa auch die lineare Gesamteinfassung der aus Einzelblättern bestehenden Baumkronen 1v, 2v, 5r usw.); mehrfach abweichende Silberstiftvorzeichnungen erkennbar. Flächige, die Konturen sehr genau einhaltende Farblavierung in klaren, wenig ausgemischten Farben, die gerne kontrastreich gegeneinander gesetzt werden, gelegentlich aber auch dezente Muster bilden, z. B. hellgraue Kringel für das Fell des Apfelschimmels (19r u. ö.). Auffallend die Verwendung von Gold (für Krone und Zepter) und Silber (für Rüstung und Schwert).

Auf meist schmalen Grünstreifen, deren Gräserbewuchs durch vertikale Federstrichel angegeben ist, agieren die Figuren auf vorderster Bildebene. Das dem Text entsprechende Fabelpersonal steht immer im Zentrum der Darstellung (Ausnahme 49v zu Nr. 63 [Frau und Wolf]: Verzicht auf die Darstellung der Frau, die ihrem weinenden Kind mit dem Wolf droht). Figuren werden ohne perspektivische Ansprüche neben- oder hintereinander gestellt, dabei fehlen gelegentlich Körperteile (4r der Knecht hinter dem Esel ohne Beine, ähnlich 66r, 67v u. ö.), sind falsch angeordnet (26r die Augen des Frosches) oder unstimmig proportioniert. Tiere stets im Profil, wenig naturgetreu, aber punktuell auf Herausarbeitung einzelner anatomischer Detail bedacht (z. B. Kniescheibe als Kreis mit Kreuz beim Ochsen 3v, 26r, die mächtigen Sprungbeine der Heuschrecke 21r, die Euter der Geiß 24r, 74v, der Penis des Pferdes 33r); eher ornamental sind Gefieder (z. B. 9v) oder Geweihe (z. B. 14r) herausgearbeitet; Fellstruktur vielfach als rhythmisch aufeinanderfolgende Strichelreihen. Das dialogische Gegenüber wird mehrfach ganz besonders hervorgehoben, bei Tieren z. B. durch aus dem Maul hervorschauende Zungen (2v, 10v, 14r usw.), bei Menschen durch angestrengt bewegte, wenn auch dilettantisch ausgearbeitete Mimik (25r, 65r, 70v, 79r) und Überbetonung der Gestik (überlange Weisefinger und -hände 19r, 27r, 56v, 69v, 79r). Architekturkulissen in der Regel stereotyp (hell verputzte Spitzgiebelhäuser mit roten Schindeldächern, leeren Fenster- und Torbögen), wo eine genauere Ortsbestimmung notwendig ist, jedoch auch ausführlich geschilderte Architekturanlagen (29v Kloster, 41r Friedhof auf Kirchengelände, 60r Stadttor mit Zollbrücke). Innenräume werden durch (isoliert ins Gras gesetzte) gotische Ziergiebel (43r, 44r, 44v, 55r, 63r, 64r, 65r) nur angedeutet. Immer wieder scheint ein Hang zur Detailfreude auf: 46v (zu Nr. 61 [Jude und Schenk]) steht ein reich gedeckte Tisch, an dem die königliche Gesellschaft sitzt, im Blickpunkt; 60r (zu Nr. 76 [Buckliger und Zöllner]) ist der Bucklige zusätzlich mit einem Kropf versehen, 53r (zu Nr. 53 [Geschundener Esel]) wird die Frau beim eigenhändigen Häuten des Esels dargestellt (so nur noch in München, Cgm 3974, siehe Nr. 37.1.15.).

Hin und wieder ist das tierische Personal durch Attribute vermenschlicht: 14r (zu Nr. 35 [Wolf, Schaf und Hirsch]) Wolf als Richter sitzend, mit Stab und roter Sendelbinde, 33r (zu Nr. 50 [Löwe und Pferd]) der am Boden liegende Löwe mit leidvoll verzerrtem Gesicht und roter Sendelbinde; Löwe sonst stets heraldisch stilisiert.

Vor allem die Gestaltung der menschlichen Figuren spricht laut Stamm (1981) S. 210 f. für eine oberrheinische, genauer elsässische Stilprovenienz der Zeichnungen: hölzern wirkende Körperhaltungen, ohne Rücksicht auf stimmige Proportionen, Gesichter mit kräftigem, aus einem der geraden Augenbrauen hervorgehenden Nasenrücken und deutlich markiertem Nasenflügel, mit starren, mandelförmigen Augen, mit wie geschürzt wirkendem kleinen Mund. Dazu beidseits vom Kopf abstehende Haartrachten, bei denen jede Strähne durch wellenförmige Linien einzeln gezeichnet ist. Modische Miparti- oder Querstreifenkleidung (diese in heller abgetönten Farben: Hellblau, Violettrosa, Gelb, Weiß; z. B. 10v oder 13r), rhythmisierte Faltenanlagen von Gewändern, auch z. B. von Tisch- und Bettüchern (46r, 72r, 73r), sowie Architekturschachtelungen (29v, 41v) haben elsässische Parallelen (Wien, Cod. 2915, Elsaß, Ende 14. Jahrhundert; Heidelberg, Cod. Pal. germ. 359, Straßburg, um 1420). Auffällig herausgearbeitete modische Kleidungsdetails (Kruseler 43r–44v. 55v; Trompeten- oder Beutelärmel 4r, 34r–37r, 47v, 64r) sind so auch im Gebetbuch der Ursula Begerin (Bern, Burgerbibliothek, Cod. 801, siehe KdiH Nr. 43.1.30.) und der Bilderbibel (Lüttich, ms. Wittert 3, siehe KdiH Nr. 15.4.2.) zu finden (beide Straßburg bzw. Elsaß, um 1400).

Bildthemen:

übliche Themenwahl, mit Ausnahme vereinzelter kontinuierender Darstellungen (z. B. 40r zu Nr. 55 [Fuchs und Wolf]: 1. der Hirte, begleitet vom Fuchs, ersticht den Wolf, 2. der Fuchs geht in die Falle) jeweils nur eine Handlungsszene pro Bild, jedoch mehrfach zwei oder mehr Bilder zu einer Fabel. Einzelgängerisch ist dabei die Gestaltung des zweiten Bildes zu Fabel Nr. 43 (Maus und ihre Kinder). Neben zwei Mäusen, die sich vorsichtig der am Feuer hockenden Katze nähern, ist in der rechten Bildhälfte groß ein Haus mit Wachtturm zu sehen: Der auf dem Turm stehende, in sein Horn stoßende Wächter untermalt die im Text angesprochene Mahnung zur Wachsamkeit in der richtigen Situation. Zu dieser den Text pointierenden Akzentuierung paßt, daß in manchen Bildern Inschriften (auf angedeuteten Schriftbändern, von Schreiberhand?) auf die vom Fabelpersonal verkörperte Eigenschaft hinweisen: 64r gitikeit, 69v Betrachtung dis zergangen leben, 70v gitikeit, Nid vnd hass, 78r unstaͤter sin. Auf eine reale Person dagegen dürfte der Eintrag 30v deuten, der die dargestellte Wäscherin als ålli sprengerin identifiziert.

Individuell ist die Wahl einer monumentalen Frauenbüste für das sonst stets Männer darstellende Bildnis in der Illustration zu Fabel Nr. 38 (Wolf und Bildnis).

Nicht zum Bildprogramm gehört 55ar (Fragment, auf ein neues Blatt montiert) mit der Darstellung einer Musikantengruppe: ein Fanfarenspieler, drei Bläser, ein Dudelsackspieler und ein Trommler. Stilistisch schlichter als die übrigen Illustrationen, diesen jedoch nahestehend (u. U. vom selben Zeichner).

Farben:

Grün, Rot, Grau, Blau, Hellbraun, Gelb, Violett, Schwarz; Blattsilber, Blattgold.

Literatur:

Bartsch (1887) S. 179; Karin Zimmermann: Vorläufige Neubeschreibung, online unter http://bilder.manuscripta-mediaevalia.de/hs//projekt_cpg.htm (Stand: 2017). – Wegener (1927) S. 10 f., Abb. 13 (19r); Goldschmidt (1947) S. 52. 60, Abb. 40 (18r). 60 (57r); Blaser (1949) S. 12, Abb. 16 (16r); Peil (1985) S. 152, Abb. 9 (45r); Mittler/Werner (1986), S. 78 f., Nr. 11, Abb. S. 79 (19r); Stamm (1981) S. 210 f., Abb. 129 (72r). 130 (44r); Bodemann/Dicke (1988) S. 431 u. ö.; Häussermann (2008) S. 31 f., Abb. 6 (1v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXIVb: 64r. Ulrich Boner, ›Der Edelstein‹: Ein unter einem Arkadenbogen sitzender Herr erschlägt eine Gans, die ein Ei hinter sich läßt (Fabel 80. Gans, die goldene Eier legt).

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Taf. XXIVb.