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79. Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, ›Loher und Maller‹

Bearbeitet von Ute von Bloh

KdiH-Band 8

Das Epos von ›Loher und Maller‹ entstand in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Umkreis der ursprünglich aus dem französischsprachigen Lothringen stammenden Gräfin Elisabeth von Lothringen und Nassau-Saarbrücken. Es gehört zu einer Gruppe von vier Chansons de geste, die in frühneuhochdeutsche Prosa übertragen wurden: ›Herzog Herpin‹ (siehe Stoffgruppe 55.), ›Königin Sibille‹ (siehe Stoffgruppe 69.), ›Loher und Maller‹ und ›Huge Scheppel‹ (siehe Stoffgruppe 116.). Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat Liepe (1920) die Zusammengehörigkeit der vier Prosaepen aufgrund sprachlich-stilistischer Kriterien nachgewiesen. Anspielungen innerhalb der vier Prosaepen und eine erkennbare dynastisch-genealogische Abfolge lassen annehmen, dass eine Lektüre in der Reihenfolge ›Herzog Herpin‹, ›Königin Sibille‹, ›Loher und Maller‹ und ›Huge Scheppel‹ intendiert war.

Wie in den vier Epen insgesamt werden auch im ›Loher und Maller‹ historische und politische Konstellationen sowie Personen aus der Geschichte Frankreichs narrativ umgedeutet, wobei verschiedene historische Personen und Ereignisse den Ausgangspunkt gebildet haben könnten: so der historische Kaiser Lothar (840–855), der nun aber Sohn anstatt Enkel Karls des Großen wird; vielleicht aber auch Lothars/Lohers historischer Vater Ludwig der Fromme (814–840), der hier dann zum Bruder geworden wäre; oder es sind die historischen Ereignisse nach dem Tod Ludwigs des Frommen, als die Königssöhne Ludwig der Deutsche, Lothar und Karl der Kahle einander in der Schlacht bei Fontenoy (841) gegenüberstanden und Lothar von seinem Bruder Ludwig besiegt wurde; vorstellbar ist aber auch Ludwig V. le Fainéant (gest. 987), der letzte Karolinger und Vorgänger des Hugues Capet (987–996), von dem in ›Huge Scheppel‹ erzählt wird. Dieser ist der Begründer der kapetingischen Dynastie, der die Karolinger vom französischen Thron verdrängte (von Bloh [2002] S. 104).

Im Zentrum des Erzählten und des Erzählens steht im Prosaepos von ›Loher und Maller‹ die triuwe, verstanden als Verpflichtung innerhalb familiärer und ständischer Verbände, die allerdings fortwährend unterlaufen wird: Ludwig, der jüngere Bruder Lohers, verweigert dem Bruder die Waffenhilfe; er lässt sich in Abwesenheit des älteren Bruders Loher krönen, und auf Anraten der verräterischen Vasallen veranlasst er die Kastration des Bruders, später die Vertreibung seines Neffen Isenbart. Erzählt wird die legitime Beanspruchung von Herrschaft zwar überwiegend als ein Rechtsproblem, das Gerichte zu lösen haben, doch ist das Geschehen zugleich von zahllosen Kriegen bestimmt. Den Rechtsbrüchen und Verlusten gegenüber steht die unverbrüchliche Freundestreue (Loher und Maller, Isenbart und Ludemann).

Die handschriftliche Überlieferung der Prosaepen ist auf das 15. Jahrhundert beschränkt. Erhalten ist ›Loher und Maller‹ in fünf Handschriften, von denen zwei (Hamburg und Wien) illustriert sind: Hamburg (Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 11 in scrin., Nr. 79.0.1.), Heidelberg (Universitätsbibliothek, Heid. Hs. 1012 [olim Ashburnham Place, Cod. 486, Nr. 56.1.1.], 24r–248v), Köln (Historisches Archiv, W 337, 1r–149r), Křivoklát (Pürglitz) (Burgbibliothek, I a 3) und Wien (Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2816, Nr. 79.0.2.) (zur Überlieferung Liepe [1920], auch Mölk [1988], der das einzige erhaltene Fragment einer Vorlage zum ›Loher und Maller‹ aus dem Französischen publizierte). Der Abschrift der Heidelberger Handschrift ist zu entnehmen, dass sich die Tochter Elisabeths, Margarethe von Rodemachern, im Jahr 1448 einen Codex von Johann von Binsfeld hat abschreiben lassen (249v), und die Handschrift in Köln trägt einen Provenienzhinweis auf die Bibliothek der Grafen von Manderscheid-Blankenheim, mit denen Elisabeth weitläufig verwandt war: Johann II. von Saarbrücken-Commercy (1342–1381) war der Großvater des Ehemannes der Elisabeth (Philipp I.), und Johanna, die Schwester Johanns II., war mit Graf Gerhard von Blankenheim verheiratet (Haubrichs [1991] S. 19, Anm. 75; zu weiteren Hinweisen auf Handschriften im Besitz von Elisabeths Verwandtschaft siehe Einleitung zu Stoffgruppe 55. Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, ›Herpin‹).

Im 15. Jahrhundert ist mit zwei (oder mehr) Prosafassungen zu rechnen, denen sich die fünf ›Loher und Maller‹-Handschriften zuordnen lassen. Die Handschriften in Hamburg und Köln stimmen im Textbestand nahezu überein. Identische Tituli, Vorreden und Plusstellen gegenüber den Handschriften in Heidelberg, Křivoklát, und Wien erweisen den Codex in Köln (1486) als eine Abschrift der Handschrift in Hamburg (zwischen 1456 und 1462). Es handelt sich dabei um die textlich umfangreichsten Handschriften, die deswegen als Langfassungen bezeichnet worden sind (von Bloh [2002] S. 54–74). Die Handschriften in Heidelberg, Křivoklát und Wien schließen sich ebenfalls zu einer Gruppe zusammen, denn sie enthalten gegenüber den Langfassungen weniger und auch abweichende Textteile. Gleichwohl handelt es sich bei diesen Kurzfassungen um distinkte Fassungen, denn voneinander abhängig sind sie nicht.

Die illustrierten Handschriften bieten selbständige Bildausstattungen aus unterschiedlichen Regionen, was mit den unabhängig voneinander entstandenen Textfassungen kongruiert. Platziert sind die Bilder allerdings verschiedentlich an vergleichbaren Stellen im Text, wobei hin und wieder auch die ausgewählten Ereignisse übereinstimmen. Möglicherweise scheint hier eine mit beiden verwandte, nicht erhaltene Handschrift durch. Der Codex in Köln weist zwar nahezu vollständig die Bildtituli der Handschrift in Hamburg (siehe Nr. 79.0.1.) auf, ist aber nicht bebildert.

Die vier illustrierten Druckausgaben datieren zwischen 1514 und 1613/14 (Nr. 79.0.a. bis Nr. 79.0.d.). Mit den Textfassungen der Erst-und Zweitdrucke des ›Herzog Herpin‹ und des ›Loher und Maller‹ hat sich 1991 Konczak befasst. Ergebnis seiner Analysen ist, dass die Textfassung der Erstdrucke (Straßburg: Grüninger, 1514) noch mit der handschriftlichen Vorlage verbunden ist, während sich alle nachfolgenden Drucke von der handschriftlichen Überlieferung lösen (Konczak [1991] S. 66f., S. 69–135). Entsprechend nimmt der Erstdruck des ›Loher und Maller‹ zwar mit Blick auf das Bildprogramm eine eigene Schwerpunktsetzung vor, auch passt sich die Einrichtung den Erfordernissen des Druckzeitalters an, doch ist die Anlehnung an die handschriftliche Vorlage noch erkennbar. Verglichen mit dem Erstdruck, handelt es sich bei den späteren Drucken um durchgreifende Neubearbeitungen, wobei dies nicht nur den Text, sondern auch die äußere Gestaltung der Drucke betrifft.

Alle späteren Drucke orientieren sich am neu bearbeiteten Zweitdruck aus der Han’schen Offizin (Nr. 79.0.b.): Die Bildausstattung des dritten Drucks (Nr. 79.0.c.) ist ein Nachdruck des zweiten, von dem der vierte Druck (Nr. 79.0.d.) – auch im Fall des Textes – nur geringfügig abweicht. Im dritten und vierten Druck ist vor allem das Bildprogramm gegenüber dem Zweitdruck bereichert. Ein letzter Druck, der weder Bilder noch Schmuckelemente enthält, erschien 1805 (Frankfurt a. M.: Friedrich Wilmans); bei ihm handelt es sich um eine weitere, kürzende Neubearbeitung durch Dorothea Schlegel.

Literatur zu den Illustrationen:

von Bloh (2002) S. 407–433, Abb. 1 und 2, 13–30 im Anhang; Haubrichs (2009) S. 70–77; von Bloh/Bastert (2017) S. 247–282.

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