KdiH

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90.0.7. St. Gallen, Kantonsbibliothek, VadSlg Ms. 454

Bearbeitet von Heidrun Stein-Kecks

KdiH-Band 9

Datierung:

6./7.4.1478 (109r); Ergänzungen 1. Viertel 16. Jahrhundert.

Lokalisierung:

St. Gallen.

Besitzgeschichte:

Erstbesitzer und Schreiber der ›Melusine‹ ist laut Kolophon (109r) Hans Wissach von St. Gallen (1466 nachgewiesen als Mitglied der Gesellschaft zum Notenstein: Günthart [2007] S. 247f.); weitere Besitzeinträge von hans widenhuͦber (109r, vgl. 21r Eintrag 15W27 WHuͦber) sowie von Ottmar Widenhuber (2r). In der bedeutenden St. Galler Familie sind drei mit dem Namen Hans im späten 15./16. Jahrhundert als Ratsherren und Zunftmeister nachgewiesen (Leu [1764] Bd. 19, S. 411); Ottmar war zwischen 1528 und 1533 Bildhauer in St. Gallen (Rott [1933] Bd. I, S. 243, Fn. 11, ohne Nachweis); vielleicht identisch mit einem 1531 gefangenen Othmar Widenhuber (Simler [1758] Bd. I/2, S. 436), für den sich der ihm verwandtschaftlich verbundene St. Galler Vogt verwendet (Strickler [1876] S. 1199, Nr. 11). 1863 über Dr. med. Hieronymus Wegelins Erben in die Vadianische Bibliothek.

Inhalt:
1. 2v–49v, 60r–109r Thüring von Ringoltingen, ›Melusine‹
Handschrift G (Schneider [1958] S. 10f.)
2. 109v–111v Hauschronik 1491–1516
3. 112v–115v Marquard von Lindau, ›Eucharistietraktat‹
Auszug, 3. Kapitel, um 1500
4. 115v–118v verschiedene Einträge zu häuslichen bzw. geschäftlichen Vorgängen
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, II + 116 Blätter, Bl. 1, 50–59 fehlen, Textverlust, 335 × 230 mm, Bastarda mit Schleifen, Hans Wissach (2v–49v, 60r–109r), einspaltig, 26–31 Zeilen; Zierinitialen meist über vier bis sechs, einmal acht Zeilen (69v), Buchstabenkörper in Rot, Binnenfeld mit längsgerichteten Ornamentfriesen, außen besetzt mit Spitzen- und Zickzackornamenten in Grün, Blau, Braun, Schwarz, nicht sehr feines Fleuronné in denselben Farben, Kolophon abwechselnd in Rot, Blau, Grün, Rubrizierung.

Schreibsprache:

alemannisch.

II. Bildausstattung:

59 im unvollständigen Bestand enthaltene Tituli verweisen auf eine entsprechende Anzahl von Illustrationen, für die überwiegend ganzseitige Freiräume zur Verfügung stehen. Ausgeführt wurden nur die Zierinitialen.

Format und Anordnung:

Die Einrichtung des Textes zielt (im erhaltenen Bestand) mit 46 Leerseiten überwiegend auf ganzseitige Miniaturen, deren Tituli auf der vorhergehenden Seite teilweise in sehr großzügigen Weißräumen (einmal nur zwei, einmal drei Textzeilen auf der Seite) platziert sind; davon werden einmal gleich zwei gegenüberliegende Seiten (37v, 38r) freigelassen für die Darstellung der im Titel ausführlich genannten Ereignisse der Schlacht der Poiteviner gegen die Sachsen, die mit der Gefangennahme des sächsischen Königs und der Flucht seiner Leute endet. Ob tatsächlich eine über eine Doppelseite ausgebreitete Illustration vorgesehen war, lässt sich mangels Vergleich nicht entscheiden. Zweimal wurde das Freihalten einer Seite nach dem Titel offenbar vergessen und die Leerseite erst nach einer weiteren Textseite eingeschoben (62r und 63r, 88r und 89r); viermal muss der Titulus aus Platzgründen oben auf der Leerseite stehen (39r, 69v, 72r, 107r); bei insgesamt sieben Tituli, die unter zwei bis elf, einmal sogar 14 Textzeilen etwa in der Mitte einer Seite zu stehen kommen, ohne dass eine Leerseite folgt, ist nicht zu entscheiden, ob dort weniger als halbseitige Miniaturen auf derselben Seite vorgesehen waren oder auf Miniaturen verzichtet werden sollte.

Bildthemen:

Die Rekonstruktion des ursprünglichen Bestandes an Illustrationen kann sich aufgrund der Übereinstimmung der erhaltenen Tituli, sowohl was die Formulierung betrifft als auch die Ikonografie (Bau des Schlosses Lusignan, Vollendung des Baus und Geburt des ersten Sohnes, keine Illustrierungen vorgesehen zum Empfang und zum Abschied der verbündeten Sachsen, keine zum Tod des unehrenhaften Gis im Sperberschloss), auf die Handschriften Nürnberg, Hs 4028 (Nr. 90.0.5.) und Karlsruhe (Nr. 90.0.2.) stützen, bei denen von 65 bzw. 67 Miniaturen auszugehen ist. Interessant ist die Version des Titulus zum Vollzug der Vermählung Melusines mit Reymond: Während Richel, 1473/74 (Nr. 90.0.a.) ebenso wie die beiden genannten Handschriften für die Segnung des Paares durch den Bischof explizit den Ort nennen, nämlich in dem bett, erwähnt Bämler, 1474 (Nr. 90.0.b.) stattdessen die vil gutten gebetten der Segnung. Die St. Galler Handschrift führt beide Lesarten zusammen: Wie Raymond vnd mellusina zuͦ samen wurdent gelait vnd sy der byschoff in dem bette gessegnet mit will guͦten gebetten (20v). Es bestätigt sich hier die in den Drucken beobachtete Tendenz zu kompilierender und korrigierender Textgestaltung, die auch das Verhältnis von Text und Tituli betrifft.

Literatur:

Scherer (1864) S. 130; von Scarpatetti 3 (1991) S. 19, Nr. 48. – Schneider (1958) S. 10f., Nr. 6; Backes (2004) S. 105f.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus; HAN;