85.4.5. Praha, Archiv Pražského hradu / Knihovna pražské metropolitní kapituly (Archiv der Prager Burg / Bibliothek des Metropolitankapitels), Cod. G 49
Bearbeitet von Isabel von Bredow-Klaus
KdiH-Band 9
2. Viertel 14. Jahrhundert (
Böhmen.
1. | 1r–63r |
Bruder Philipp, ›Marienleben‹
mit Einschüben und Ersetzungen aus den Evangelien (
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2. | 63r–65r | ›Böhmische Marienklage‹ |
3. | 66r–v | verschiedene Gebete, nachgetragen 1485 |
Pergament, I + 66 Blätter, 250 × 165 mm, Textualis, eine Hand, zweispaltig, 40 Zeilen, zweizeilige rote Lombarden, teilweise grün gefüllt, Wechsel von rubrizierten Majuskeln und eingerückten Minuskeln am Versanfang (böhmische Variante, vgl.
bairisch-ostmitteldeutsch (
Zwei kolorierte Federzeichnungen zu Text 1 (1r, 44r), zwei kolorierte Federzeichnungen zu Text 2 (64r, 66r) von einer Hand des böhmischen Kulturkreises.
Die Miniaturen haben einen blauen Hintergrund mit Sternen, der den nur locker mit etwas statischen Personen bestückten Bildraum füllt. Der Maler arbeitet mit Farbhöhungen, um die Plastizität herauszuarbeiten, der traditionelle Zackenstil des 13. Jahrhunderts ist aber trotz der weicheren Gestaltung mit Röhrenfalten, die in rund hochschlagenden Omegafalten enden und von zeittypischen Schüsselfalten ergänzt werden, nicht zu übersehen. Große Bedeutung legt der Maler auf die Gestaltung der zarten Gesichter und der einzelnen Strähnen der sorgfältig drapierten und gelockten oder glatten Haare.
Am aufwendigsten ist die erste Miniatur (1r) gestaltet, deren Ikonografie zudem ungewöhnlich ist. Die gekrönte Maria steht unter einem Torbogen, der von zwei Türmen flankiert wird. In verdrehter Haltung sitzt das Jesuskind auf ihrem Arm und greift nach einem dämonischen Tier, das auf einer Säule sitzt. Dieses Tier ähnelt dem aus dem etwa zeitgleichen Grazer Fragment Nr. 85.4.1., wo es bei der Zerstörung der Götzenbilder bei Jesu Einzug in Ägypten von einer Säule fällt. Diese Abbreviatur könnte somit eine Vorwegnahme der entsprechenden im ›Marienleben‹ geschilderten Textszene sein (
Ikonografisch traditionell zeigen sich die drei weiteren Miniaturen. Die Figuren sind etwas unsicher angelegt, besonders der Schmerzensmann (44r) ist in seiner Haltung ungeschickt gezeichnet und hat keinerlei Standfestigkeit. Er droht nach hinten umzukippen und scheint sich an dem unter seinen Arm geklemmten Rutenbündel festzuhalten. Mit gekreuzten Armen steht er in gedrehter Haltung mit leicht geneigtem Kopf und präsentiert seine Wundmale sowie einige Arma. Dekorativ ist das große Lendentuch geschlungen, das aber keine plastische Wirkung erzielt.
Maria mit dem Jesuskind (1r), Schmerzensmann (44r), Christus am Kreuz (64r) zu Beginn der Marienklage, hl. Katharina (66r). Unterhalb der Miniatur ist ein nicht mehr lesbarer, ausradierter Text zu erkennen, der eventuell eine Katharinenlegende gewesen sein kann (
Abb. 9: 64r. Kreuzigungsgruppe.