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62a.2.5. Roma, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Reg. lat. 522 (früher Cod. Reg. lat. 122)

Bearbeitet von Kristina Freienhagen-Baumgardt

KdiH-Band 7

Datierung:

Um 1430.

Lokalisierung:

Bayern/Österreich (?).

Besitzgeschichte:

Faszikel mit den ›Visiones Georgii‹ undatiert, Wasserzeichen (Weitemeier [2006] S. 130) und Stilanalyse (s. u. II.) weisen auf einen ähnlichen Entstehungszeitraum wie für die datierten Teile der Handschrift hin: 1434 (41rb, 144ra, 205r, 212r), 1435 (178v per Johannem Saxonem de Nyemykch), Randeintrag 253r: 1536; 1r Eintrag aus dem 16. Jahrhundert: Ruprecht von Stotzing (Stolzing?), den Weitemeier (2006) S. 134 einer schwäbischen Adelsfamilie zuordnet. Ruprecht Freiherr von Stotzingen wurde um 1540 – wahrscheinlich im alten Familiensitz Stotzingen (Württemberg) – geboren, arbeitete seit 1569 als Jurist für die Habsburger in Wien und wurde 1592 in den niederösterreichischen Herrenstand aufgenommen. Auf nicht nachweisbarem Weg gelangte die Handschrift im 16. Jahrhundert in die Fürstlich Dietrichstein’sche Bibliothek auf Schloss Nikolsburg in Mähren (heute Mikoluv). Im April 1645 nach der Einnahme Nikolsburgs kam sie als Kriegsbeute in die Bibliothek der Königin Christina von Schweden (1626–1689) und erhielt die Nummer 286 (1r). Nach Christinas Tod im Jahr 1689 gelangte ihre Bibliothek in die Vaticana.

Inhalt:
1. 1ra–41rb Johannes von Hildesheim, ›Historia trium regum‹
2. 48ra–61rb Passion Christi nach dem Nikodemus-Evangelium, lateinisch
3. 73ra–144ra Johannes von St. Lambrecht OSB, Evangelienkonkordanz, lateinisch
4. 144rb–148ra Passion Christi nach den vier Evangelien, lateinisch
5. 156ra–178vb Nikolaus von Dinkelsbühl, ›De septem peccatis capitalibus‹ (Confessionale), lateinisch
6. 179r–197r Tractatus de arte moriendi
7. 197r–198r Sequitur bonum notabile et doctrina doctorum de diligencia facienda
8. 198v–205r Augustinus, ›Speculum peccatoris‹, Liber I
9. 205v–206r Sprüche und Gebete, lateinisch
10. 206r–208r Signa dampnacionis
11. 208r–212r ›Visio Philiberti‹, lateinisch
12. 215v–269v ›Visiones Georgii‹, deutsch
Übersetzung C, Sigle C 3
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, I + 275 + I Blätter (die später hinzugefügte Blattzählung 1–269 zählt das leere Blatt vor dem ersten Text und nach dem Vorsatzblatt nicht mit, auch nicht die fünf leeren Blätter nach den ›Visiones Georgii‹ vor dem Nachsatzblatt, Bl. 227 wurde nachträglich eingeklebt, beschnitten), 320 × 210 mm, Bastarda, Überschriften in humanistischer Minuskel, Konvolut aus sechs Faszikeln von drei Schreibern: I: 1–178, II: 179–213, III: 214–275, (dagegen Beda Dudik: Iter Romanum. Theil 1: Historische Forschungen. Wien 1855, S. 1: eine Hand), einspaltig, 34–36 Zeilen, fast regelmäßiger Wechsel von roten und blauen Initialen, einzelne Kapitelüberschriften in den ›Visiones Georgii‹ tragen lateinische Zusätze wie Jta jn rei veteri arte (237v, zum Kapitel: Der Teufel in Gestalt der Vertrauten), Jta vere (240v, zum Kapitel: Das Haus mit den siedenden Kesseln) oder auch einen längeren lateinischen Text in der Überschrift, der unmittelbar anschließend das Kapitel auf Deutsch einleitet: et sperauerunt de redempcione proxima ac certissima / quia audiuerunt angeli vocem dicentem Confortamini in domino et sustinete pacienter / quia Jesus Christus Marie filius / qui vere conceptus de spiritu sancto / et natus de uirgine Maria jn pusillo vobis miseretur etc. (251v zum Kapitel: Ein Engel spendet Trost).

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch (Text 12).

II. Bildausstattung:

Zyklus von 37 kolorierten Federzeichnungen, die jeweils ein Drittel bzw. die Hälfte des Blattes ausfüllen, ganzseitig nur 227r.

Format und Anordnung:

Illustrationen im Text jeweils am Beginn eines Kapitels unmittelbar nach der mit roter Tinte geschriebenen Kapitelüberschrift. Schriftraum der ›Visiones Georgii‹ von bis zum Rand durchgezogenen Tintenstrichen eingefasst, vor allem in der Umgebung der Federzeichnungen sind die sich kreuzenden Linien mit Blattornamenten verziert, die sich auf den Bildern wiederfinden (244r, 244v, 245v, 251v, 252r, 255v, 259v, 260r, 264v, 265v, 267v, 269r). Text und Bilder ragen häufig über den Rahmen hinaus. 251v wurde ein doppeltes Kapitel mit diagonalen, sich kreuzenden roten Linien ausgestrichen, die rote Farbe ist dieselbe, die auch zur Kolorierung verwendet wurde. Das nachträglich eingeklebte Blatt 227 ist oben beschnitten und nur auf der Vorderseite mit einer Zeichnung zu Kapitel 13 versehen. Ein Korrektor berichtigte 228r den Text nach dem Bild 227r: Das Bild zeigt eine Frau mit Löwenfüßen, während im Text Georg von einer Frau versucht wird, deren Ochsen- und Pferdefuß sie als Teufelin kennzeichnen. Der Korrektor ergänzt den Text am Rand mit Einfügungszeichen: lebenfüsz. Die Überschriften haben gleichzeitig die Funktion von Bildtiteln, was daraus hervorgeht, dass zweimal in der Überschrift auf das Bild verwiesen wird: das capitel sagt von der pen der geytigen / das nach her stet gemalt vnd auch geschriben (247r) und Das jst die pen der neydigen vnd der czornigen die hernach stet gemalt vnd auszgelegt in dem nachgeschriben capitel (248r). Die Titel geben nur Anweisungen, was gemalt werden soll, aber nicht wie. So gibt beispielsweise die Überschrift des 8. Kapitels zum ersten Bild Wie der Geori abhin staig in dy püczen nur eine grobe Information über das Thema. Das Bild selbst zeigt, dass der Illustrator den Text genau umsetzt, indem er die im Text genannten drei Steine abbildet, die auf der Eingangstür lagen, so wie auch der Illustrator der Wiener Handschrift 2878, 10r. Das Schlussbild zeigt Georgs Ankunft in der Kapelle. Der Schreiber vergaß offenbar nach der Überschrift zum Kapitel der Tröstung der Seelen im Fegefeuer, Raum für die dazugehörige Illustration zu lassen. Diesen Fehler korrigierte er nachträglich. Das direkt auf die Überschrift folgende Kapitel und die Überschrift sind rot ausgestrichen, darauf folgt das Bild zur englischen Tröstung und dann erst, ein zweites Mal angefertigt, das eigentliche Textkapitel und nochmals die Überschrift. Man kann daraus schließen, dass der Illustrator auch die roten Kapitelüberschriften schrieb.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Bilder sind mit sehr feiner Feder gezeichnet, mit zarten Farben koloriert. Teilweise sind die Illustrationen gerahmt und vollständig ausgemalt (255v, Szenen vorgemalt, später koloriert, 222r blieb unkoloriert). Die Bildszenen sind teilweise auf einer schmalen grünen Fläche platziert, die die einzige räumliche Begrenzung darstellt, oder auch frei in den Raum gesetzt, häufig unter Betonung symmetrischer Aufteilung (220v, 229r, 256v, 257v, 268v) bzw. in der Anordnung halbierend (258v, 265v, 257v). Der Illustrator zeichnet sorgfältig eine große Anzahl an Personen, so dass der Eindruck von Menge entsteht. Tiere sind in Sitzhaltung und Gesichtsausdruck vermenschlicht dargestellt (223v). Der Bildrand, der in der Regel der Schriftraumbegrenzung entspricht, schneidet oftmals die Szene ab (234r nur der halbe Kopf eines Chorherren, 236r fehlt der rechte Arm Georgs) und gibt dem Betrachter den Blick auf einen Ausschnitt frei. Georg ist dargestellt als Jüngling mit kinnlangem Lockenhaar, in der linken Hand das Kreuz, bekleidet mit langem, weißem Gewand, doppelte Ärmelenden (mehrere Alben übereinander? vgl. 236r, 246r). Auf den ersten drei Bildern ist er bartlos (220v, 222r, 223v), bei den übrigen trägt er einen zweigeteilten Kinnbart (Mode bis ca. 1430), auf fast allen Bildern ist er im Dreiviertelprofil nach rechts gewandt, die Hände in verschiedenen Gesten: Segensgeste als Abwehr gegen Bedrohung, vor der Brust verschränkte Arme als Unschuldsgeste (241r), beim Gang mit dem Engel die Zeigegeste auf die jeweilige Stätte, betende Hände. Michael ist ebenfalls bartlos, mit großen, außen grünen und innen roten Flügeln (244v) und zartgelber Krone, in der linken Hand ein langes Stabkreuz, grünes, knöchellanges Gewand.

Die Kleidung ist nicht einheitlich gestaltet und gibt möglicherweise Hinweise auf die Vorlage: 244v und 246r reichen die Ärmel des Kleides von Engel Michael von den Handgelenken bis auf den Boden, während sie zu den Schultern hin schmaler werden. Auf den restlichen Bildern hat der Engel eng anliegende Ärmel. Auf Bild 1 (220v) hat das Kleid des Priors enge Ärmel, auf dem Schlussbild sind sie jedoch bodenlang. Die weiten Tütenärmel (244v, 246r) waren bis ca. 1430 in Mode, danach trug man wieder enge Ärmel. Ebenso verweisen die Zaddeln an den Ärmeln (267v) und am Tappert (229r) sowie die gelben Bündchen an Georgs Gewand auf die burgundische Mode in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Roland (MeSch V [2012], Textbd. S. 213) nimmt an, dass das Bildprogramm schon vor 1400 entwickelt wurde, da die in der römischen Handschrift enthaltenen Modedetails wie der Kruseler (229r, Weitemeier [2006] S. 639, Abb. 6) um 1420/30 schon lange unmodern waren. Andere Indizien wie moderne Rüstungsformen (225v), der Faltenstil und die Wasserzeichen (Weitemeier [2006] S. 119) belegen, dass der vatikanische Codex selbst nicht vor dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts entstanden sein kann. Damit ist der ›Visiones‹-Teil der Handschrift wohl in den gleichen Zeitraum zu datieren wie die beiden ersten, datierten Teile des Codex.

Bildthemen:

siehe Bildthementabelle der Einleitung zur Untergruppe 62a.2. Der vollständige Zyklus, in dem auch der Abstieg Georgs in das Purgatorium enthalten ist, bietet zu den Versuchungen, den Tormenta und den Fegefeuerstrafen jeweils ein Bild und illustriert damit in einer Vollständigkeit, die sonst nur im Wiener Cod. 2878 (Nr. 62a.2.6.) vorhanden ist. Es fehlen lediglich die Illustrationen zur allgemeinen Fegefeuerstrafe, der Bestrafung der Geistlichen und der Höllenbrücke. Nur in diesem Codex gibt es eine Darstellung der Paradiesebene mit Altar.

Farben:

Grün, Rottöne (Orange, helles Rot bis Aubergine), helles Gelb, Braun, Ocker, Grau, Blau in Abstufungen.

Literatur:

Theben (2001) S. 14–16, 55–58; Weitemeier (2006) S. 129–134, 267–275; Henrike Manuwald: Das Jenseits in Szene gesetzt. Die Visiones Georgii in der vatikanischen Handschrift Cod. Regin. lat. 522. In: Imaginative Theatralität. Hrsg. von Manfred Kern. Heidelberg 2013, S. 387–407.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XIb: 252r Der Baumgarten.

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Taf. XIb.