55.0.1. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 464
Bearbeitet von Ute von Bloh
KdiH-Band 6
1487.
Franken.
Herkunft: Der Namenseintrag Ernst Albrecht (16. Jahrhundert, Vorsatzblatt) deutet nicht notwendig auf einen Vorbesitzer (
IIIr–XIIIv |
Nachtrag: Kapitelverzeichnis
fragmentarisch und fehlerhaft; beginnt mit Kap. 15 und endet mit Kap. 35. |
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1r–v, S. 2–790 | Elisabeth von Nassau-Saarbrücken, ›Herzog Herpin‹ | |
S. 798–806 |
Nachtrag: Fortsetzung des Kapitelverzeichnisses
Kap. 36–45 |
Papier, XV Blätter + 806 [906] (von späterer Hand) gezählte Seiten, dazu ein ungezähltes leeres Pergamentblatt am Schluss; die Zählung springt ab 708 um 100 Seiten zurück, so dass die Seiten 608 bis 707 doppelt gezählt sind (etliche für Bilder vorgesehene Seiten sind leer: eine Seite vor 74, 227, 378, drei Seiten vor 472, eine Seite vor 483, vier Seiten vor 500, vier Seiten vor 530, drei Seiten vor 564, eine Seite vor 584, vier Seiten vor 596, eine Seite vor 619, zwei Seiten vor 644, drei Seiten vor 667, eine Seite vor 682, drei Seiten vor 608 [708], zwei Seiten vor 624 [724], drei Seiten 637 [737], zwei Seiten vor 652 [752], drei Seiten vor 672 [772], zwei Seiten vor 690 [790], drei Seiten vor 707 [807], zwei Seiten vor 723 [823], drei Seiten vor 743 [843], vier Seiten vor 766 [866], eine Seite vor 779 [879], eine Seite vor 787 [887]; unbeschrieben ferner S. 791 [891]–797 [897]), 315 × 215 mm, einspaltig, ca. 35 Zeilen, fränkische Bastarda, ein Schreiber (das Inhaltsverzeichnis von anderer zeitgenössischer Hand); rubriziert (Strichelung; Unterstreichungen); mehrzeilige, oft mit Arabesken verzierte einfarbig rote oder zweifarbig rot-blaue Initialen, rote Lombarden und Überschriften. Ir Zeichnung eines Kopfes von späterer Hand; Iv–IIv: Federproben mit Namenseintrag Albrecht Ernst (siehe oben). Nach S. 806 (906) Bleistiftzeichnung einer Tiara von späterer Hand. Vorn und hinten Falzblätter (Pergament) aus einem lateinischen Antiphonar (14. Jahrhundert) mit Hufnagelnotation.
nordbairisch-fränkisch.
199 – bisweilen zweigeteilte – unkolorierte Federzeichnungen eines unbekannten fränkischen Künstlers auf 90 Seiten, oft in mehreren Registern; ab S. 439 bricht die Ausstattung der Handschrift ab; die für weitere Bilder vorgesehenen Seiten und Seitenfolgen bleiben leer (siehe unter I.); ungenutzte Bildräume bereits auf den Seiten 227 und 378, ferner auf S. 648 (748), 668 (768), 687 (787), 723 (823), 785 (885).
Wie auf dem Vorsatzblatt XIVr befinden sich oft mehrere Szenen auf eigens dafür vorgesehenen Seiten (47, 49, 72, 90f., 106f., 122–125, 170f., 180f., 194–197, 222–225, 238f., 244f., 266f., 280f., 290f., 313, 316f., 328f., 342f., 352f., 366f., 376f., 408–410, 424f.); locker mit Tinte gezogene Linien fassen die Zeichnungen ein, die häufig in zwei bis drei Bildstreifen auf einer Seite angeordnet sind. Mithilfe der Zweiteilung einzelner Bildstreifen können viele kleine Szenen auf einer Seite zu einer Gruppe zusammengefasst werden. Auf den Seiten 8, 10, 14, 16, 18, 27, 40, 48, 71, 85, 226, 237, 268, 275, 277, 278, 282, 307, 308, 327, 330, 361, 362, 415 und 417 nehmen die Federzeichnungen etwa die Hälfte einer Textseite ein, auf den Seiten 21, 30, 89, 103, 108, 121, 215, 246, 289, 315, 368, 422 und 426 zwei Drittel. Auf den Seiten 239 und 410 befinden sich jeweils ganzseitige Zeichnungen; auf Seite 377 ist oben rechts lediglich ein Kämpfer mit Schwert ausgeführt; der Rest der Darstellung fehlt.
Einfach gegliederte szenische Kompositionen; Nebeneinander von größeren weißen oder schraffierten Flächen und fein ausgearbeiteten Schattierungen im Faltenwerk; Gegenstände oder Tiere sind mit mehr oder weniger dichten Parallel- oder Kreuzschraffuren durchgearbeitet. Auffällig sind die Augen der Figuren, die überwiegend kreisrund sind, wobei der Zeichner die Pupillen an den oberen, inneren oder äußeren Rand gesetzt hat. Insbesondere auf den nur für Bilder vorgesehenen Seiten ist das Erzählte in viele Einzel-szenen zerlegt, wobei sich die Figurengruppen häufig in einem architektonischen Ambiente befinden; an Landschaftsdarstellungen besteht insgesamt wenig Interesse. Charakteristisch für den Künstler sind kugelförmige, schematisch hintereinander angelegte baumähnliche Gebilde, die Landschaft andeuten. Oberhalb der Darstellung S. 277 eine Notiz von einer Hand, die nicht mit dem Textschreiber identisch ist. Sie bezieht sich auf die Kapitelzählung im Inhaltsverzeichnis: xxvij ma(ter)ia; S. 278 neben der Darstellung: 27; am linken Bildrand S. 280: zu dem xxviij ca(pitulo). Die Zuordnung zum Werk des mittelrheinischen Monogrammisten WB wurde aufgegeben (
Der überwiegende Teil der Bilder befasst sich mit den spektakulären Ereignissen aus dem Leben der Protagonisten (Entführung des Säuglings durch eine Löwin S. 14; Kampf der als Mann verkleideten Herzogin von Burgus gegen einen Riesen S. 47; die entblößte Herzogin in der Kammer der begehrlichen Königstochter Florie S. 71 usw.); daneben dominieren Zweikampf- und Turnierszenen (etwa S. 48, 108, 170, 180, 343 usw.) sowie Belagerungen und Schlachten (etwa S. 90, 237f., 291), außerdem höfischer Zeitvertreib (Mahl S. 72, 124, 181, 194, 196 usw.; Jagd S. 18, S. 40; Schachspiel S. 215 usw.) und höfisches Zeremoniell (Ritterschlag S. 106; Herrschaftsübergabe S. 195f., Eheschließung S. 342 usw.).
Abb. 55.1: S. 47. Die als Mann verkleidete Herzogin kämpft mit einem Riesen.