KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

26A.17.2. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 436

Bearbeitet von Norbert H. Ott

KdiH-Band 3

Datierung:

Ende 15. Jahrhundert.

Lokalisierung:

Schwaben, wohl Ulm.

Besitzgeschichte:

Aus der Jesuitenbibliothek Molsheim im Elsaß (1r unten Coll. Soc. Jesu Molsh.) in die Mannheimer Bibliothek gekommen (Iv Bleistiftsignatur N 23r). Goldenes Supralibros des Kurfürsten Karl Theodor auf Vorder- und Rückendeckel, auf dem Vorsatz verso Eintrag Nº XI. 1919.

Inhalt:
1. 1r–66v

Thomas Lirer, ›Schwäbische Chronik‹

Inhaltsverzeichnis fehlt, 1r–66r Text der ›Schwäbischen Chronik‹

2. 67v–86v ›Gmünder Chronik‹ bis 1462
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, I + 92 Blätter, Ir und 87r–92v leer, 32, 37 und 79–84 verbunden (richtige Reihenfolge 31, 37, 33–36, 32 und 77, 79–84, 78, 85), je ein Blatt zwischen 24/25, 31/32, 55/56, 59/60 und vermutlich auch zwei Blätter vor 1 verloren, 205 × 140 mm, Bastarda, abwechselnd zwei sehr ähnliche Hände (I: 1r–32v, 35r–36v, 38r–39r, 44r–45r, 46r–57r, 61r–63r, 65r–68r, 83rv; II: 33r–34r, 37rv, 39r–43v, 45v, 57v–60v, 63r–64v, 68r–83r, 83v–86v); einspaltig, 21–29 Zeilen, rote Strichelung, rote Bildbeischriften, rote Lombarden in dünner Feder (dreizeilig zu Text 1, meist zweizeilig zu Text 2, 1r fünfzeilig, 4r nicht ausgeführt).

Schreibsprache:

schwäbisch.

II. Bildausstattung:

19 kolorierte Federzeichnungen zu Text 1 (3v, 4v, 5v, 7r, 9r, 10r, 12r, 13v, 15r, 17v, 19v, 24v, 25v, 29v, 32r, 34v, 38r, 42r, 48v), eine zu Text 2 (67r); zwei Illustrationen verloren durch Blattverlust zwischen 31/32 und 55/56; möglicherweise auch vor dem Textbeginn 1v einst zwei jetzt verlorene Blätter mit der ersten Illustration des Zyklus auf der Rückseite des zweiten Blattes; eine Hand.

Format und Anordnung:

15 ganz- bzw. nahezu ganzseitige Illustrationen (3v, 7r, 9r, 13v, 15r, 17v, 19v, 24v, 25v, 29v, 32v, 34v, 38r, 48v, 67r) in Schriftspiegelgröße (130–147 × 92–104 mm), davon drei (25v, 32r, 38r) mit drei bis fünf Textzeilen darüber; 4v, 5v, 19r halbseitig (65–88 × 100 mm); 12r ca. 2/3 (105 × 104 mm), 41r nur 1/3 (45 × 95 mm) des Schriftspiegels hoch; stets auf der unteren Blatthälfte. Gerahmt von dünner Federlinie, die oben häufiger fehlt oder auf 3v, 5v, 9r, 10r, 12r und 13v durch rote, in den Drucken nicht enthaltene Bildtituli ersetzt ist (wie sant lucius den beren zů dem ochsen zwang 3v, Das her kaiser kurio ain stat gewunnē hieß bolando vnd bawt ain kirch darin in der er vnser lieben frowen etc. 5v, hie zugē sy wider uff Vlm vnd zwungē es wider zů cristem [!] glauben etc 9r,hie bawt kaiser jurio [!] das schloß hen 10r, wie towenfelt wider zů dem glouben bracht ward etc 12r, hie gewan man tawenfeld 13v); Bildlegenden zu 7r und 15r auf der Gegenseite unten (von dem patriarchen wie er ain zell gebuwen hett in den tieffen see Da in der hertzog von schwaben vertriben von kirchberg vnd vlm wider zů dem vnglaubē gebracht 6v,hie můst der margraff uff den rechberg schwoͤren 14v), 4v Inschriften wie im Druck im Bildfeld (Hoͤwē, gůtenberg) ab 17v keine Beischriften. Die Handschrift versucht, das Layout eines der beiden Dinckmut-Drucke von 1486 nachzuahmen; da der für den Text vorgesehene Schriftraum jedoch nicht in allen Fällen ausreicht, reduziert sie die ganzseitigen Holzschnitt-Vorlagen dann auf ca. halbe Blattgröße, wenn die Textmenge auf eine im Druck einer Illustration vorbehaltene Seite überläuft.

Bildaufbau und -ausführung:

Die kolorierten Federzeichnungen entsprechen z.T. genau, z.T. in fehlenden oder zusätzlichen kompositorischen Details, leicht abweichendem Bildaufbau und modifizierter Figurenanordnung der Holz- schnittfolge der beiden Dinckmut-Drucke von 1486. Die Forschungsmeinungen über das Verhältnis zwischen Handschrift und Druck variieren: Während Stadler (1913), Weil (1923) und Geldner (1957 und 1968) die Handschrift für die Vorlage des Drucks halten und ihre Entstehung in Augsburg annehmen, Baer (1903/1973), Lehmann-Haupt (1929), Fleischhauer (1929), Stange (1957) und Schneider (1973) für eine gemeinsame handschriftliche Vorlage von Codex und Druck und für Ulm als Entstehungsort plädieren, vermuten Pauli (1919) und Amelung (1972, 1979 und 1990) im Druck die Vorlage des Cgm 436. Vor allem die späte Datierung der Handschrift und die bis auf 25v bzw. c6b seitengleiche Entsprechung der Zeichnungen und Holzschnitte sprechen für die von Amelung mehrfach ausführlich begründete These der Abhängigkeit des älteren vom jüngeren Überlieferungsmedium.

Die ganzseitigen Zeichnungen übernehmen die Kompositionsschemata der Holzschnitte vielfach detailliert, variieren aber durch Weglassen oder Hinzufügen in Einzelheiten: Die Zeichnung 3v fügt gegenüber dem Holzschnitt dem vor einem Architektur- und Landschaftshintergrund pflügenden Gespann von Ochs und Bär (a5v) links hinter dem Ochsen den hl. Lucius mit Zeigegestus hinzu; auf 9r ist das Pferd springend statt wie im Holzschnitt schreitend dargestellt. 13v sind vorne weitere, möglicherweise aus anderen Bildquellen übernommene Figuren mit teilweise manirierten Bewegungen (kniend und in Rückansicht) hinzugefügt, Sachdetails (Belagerungsmaschinen, Schanzkörbe, Rüstungen) werden ausführlicher als im Holzschnitt geschildert. Die Zeichnung auf 15r, die der Druckillustration in der Anlage eng folgt, wird in Einzelheiten differenzierter ausgearbeitet: Die Kirche erhält gotische Maßwerkfenster, die Personen der beiden Figurengruppen vorne kommunizieren organischer miteinander, der Schwurgestus ist eindeutiger. Die Illustration 19v wird deutlicher als der entsprechende Holzschnitt c2r auf die Textstelle bezogen – statt der drei Figuren links ist nur eine Person mit Pilgertasche dargestellt (Konstantin bittet Helena, ins Hl. Land fahren zu können), Helena wird durch eine Krone identifiziert. Grundsätzlich sind die Handschriftenillustrationen von größerer Tiefenräumlichkeit als die Holzschnitte, häufig führen kurvige Wege vom Vorder- in den Hintergrund und unterstreichen die Raumtiefe, auf Architekturund Sachdetails wird größerer Wert gelegt, Körperhaltungen und Gesten sind bewegter, mitunter gar heftig, wiedergegeben. Besonders stark variiert – trotz Erkennbarkeit der Holzschnittvorlage c6v – die Zeichnung 25v: Das Bauwerk mit dem aus dem Fenster blickenden Mann wird vom Hinter- in den Mittelgrund gerückt, die beiden Personen im Vordergrund sprechen miteinander und sind mit der Handlung im Mittelgrund durch Zeigegesten verbunden. Figurenreicher, tiefenräumlicher und perspektivisch korrekter als auf den eher »flach« wirkenden Holzschnitten d3r, e3v und e1v sind die Kampfszenen in den Zeichnungen 29v, 32r und 34v dargestellt. Die stärkste Abweichung zeigt die Eingangsminiatur zur ›Gmünder Chronik‹ 67r, die anders als der je drei Kaiser und Päpste einander gegenüberstellende Holzschnitt i1v nur je einen Standesvertreter im braunlila gefärbten Brokatumhang repräsentativ unter blattwerkverziertem Bogen vorführt.

Die halbseitigen Zeichnungen 5v, 10r und 12r verwandeln unter Beibehaltung des Bildinhalts das Hochformat der Holzschnitte ins Querformat, indem sie Hinter- und Mittelgrund in eine Bildebene zusammenschieben sowie Architekturen und Figurengruppen leicht variieren: Auf 10r ist die belagerte Burg aus dem Holzschnitt-Hintergrund (b3r) auf gleiche Höhe neben die Zelte der Belagerer gerückt und die linke Figurengruppe entfernt; auf 12r wird die den Übergang zwischen Vorder- und Mittelgrund markierende Landschaft des Holzschnitts b4v durch einen Saum von Laub- und Nadelbäumen ersetzt. Die Illustrationen 4v und 41r übertragen – dies jedoch sehr getreu – nur den oberen Teil der Holzschnitte a6v und f1r ins Medium der kolorierten Federzeichnung.

Kräftige Umrißlinien, dünnere, locker geführte Feder für Binnenzeichnung. Gerade und kurvige Parallel- und wenige Kreuzschraffen (in Schattenpartien), zuweilen in Pünktchen endend, Blätter der Bäume aus kurzen Kringeln und Strichelchen. Modellierung durch kurze, gekrümmte, den Körperformen und Felsformationen folgende Schraffen, durch verlaufende Farbflächen und freigelassenen Papiergrund. Reicher, oft knittriger Faltenwurf, vorzüglich ausgearbeitete Hände und Gesichter, gute Beherrschung der Perspektive (z. B. Belagerungsmaschine 10r) und der Raumtiefe. Reiche, detailliert durchgebildete, sehr »erzählerische« Landschaften mit weichen Hügelketten und zerklüfteten Felsen. Die warmen Aquarellfarben sind meist lavierend verarbeitet, z. T. auch mit anderen Farbtönen untermalt; der Himmel ist häufig nicht koloriert. Die in organischen Bewegungen einander zugeordneten Figuren sind mit hoher Plastizität gezeichnet, der Faltenwurf der Gewänder ist durch kurvige Strichel und fein abgestuften Farbauftrag modelliert. Fleischhauer (1929) erwägt den um 1455–1460 in Nördlingen geborenen Tafelmaler Bartholomäus Zeitblom (gestorben um 1518–1522 in Ulm), von dem eine Reihe von Altären überliefert ist, als Illustrator, während Stange (1957) die Entstehung dieser »bedeutendste[ n] Ulmer Handschrift dieser Jahrzehnte, [einer] Arbeit eines Meisters von Rang« (S. 38) in den Umkreis Zeitbloms ansiedelt.

Bildthemen:

Siehe Bildtabelle der Einleitung zur Untergruppe 26A.17. Die Bilderfolge entspricht dem Holzschnittzyklus der datierten Dinckmut-Drucke von 1489 (26A.17.b., 26A.17.c.), den sie mit – vor allem layout-bedingten – Variationen kopiert; lediglich die Titelillustration zur ›Gmünder Chronik‹ (67r) weicht stärker von der Vorlage ab.

Farben:

Leicht deckendes und laviertes Blaugrün, zuweilen gelb untermalt; Lilagrau, stumpfes Hellblau, Mattocker und Schwarzgrau laviert; mattes Braunlila, Zinnober und kreidiges Grün schwach deckend, laviertes Hellorange für Inkarnat; viel freistehender Papiergrund, Himmel nicht koloriert.

Literatur:

Schneider (1973) D. 254f., Taf. 1 (67r). 4 (7r). – Kautzsch (1894) S. 58; Baer (1903/1973) S. 144f., Nr. 308, Abb. XV (3v); Stadler (1913) S. 192–199. 204–212, Taf. 35 (12r). 36 (48v); G. Pauli: Repertorium für Kunstwissenschaft 41 (1919), S. 14ff.; Weil (1923) S. 74–76; Werner Fleischhauer: Zu Thomas Lirers Schwabenchronik und zur Ulmer Malerei der Spätgotik. Das Schwäbische Museum 5 (1929), S. 38–50, Abb. 3 (7r). 5 (4v). 14 (38r). 18 (13v); Lehmann-Haupt (1929) S. 174–176, Abb. 113 (3v). 114 (7r). 115 (15r); Stange 8 (1957) S. 30f. 38, Taf. 62 (24v); Ferdinand Geldner: Dinckmut. In: NDB 3 , Berlin 1957, S. 726f.; Geldner (1968) I S. 200; Amelung (1972), S. 38f. 54 Anm. 89; Kunze (1975) I S. 268; Amelung (1979) S. 216; KÖHN (1984) S. 57f., Abb. 2 (34v); Graf (1987) S. 42 und Anm. 54; Amelung (1990) S. 9f. u. Anm. 10; Ott (1995) S. 111f., Abb. S. 112 (10r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XX: 29v. Ermordung des Herrn Egid von Kellmünz.

Abb. 156: 9r. Der sagenhafte Rumulus von Schwaben reitet gen Ravensburg.

Abb. 157: 17v. Herzog Wendel von Bayern und Kaiser Konstantin führen ihre Heere zusammen.

Abb. 158: 5v. Kaiser Kurio mit seinem Sohn Wilpart und Gefolge vor Leutkirch.

26A.17.2._Taf._XX.jpg
Taf. XX.
26A.17.2._Abb._156.jpg
Abb. 156.
26A.17.2._Abb._157.jpg
Abb. 157.
26A.17.2._Abb._158.jpg
Abb. 158.