23.0.1. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 775
Bearbeitet von Ulrike Bodemann
KdiH-Band 3
1454.
Bayern.
Erster Besitzer war vielleicht ein (weibliches?) Mitglied der Familie Puechpeck von Puechpach (Schuldbriefe des Gilg Puechpeck sind als Spiegel und Fälze verwendet). Anfang des 16. Jahrhunderts im Franziskanerinnenkloster (Püterich-Haus) in München (1r: in die gemayn des regelhaus der pitterich), 1754 von Andreas Felix Oefele (1706–1780, Hofbibliothekar in München) erworben (Ir Kaufvermerk).
1. | 1r–160v |
Johannes von Indersdorf, Von dreierlei Wesen der Menschen
Handschrift m7
|
2. | 160v–165r |
Johannes von Indersdorf, Fürstenlehren (Auszüge)
Handschrift G
|
3. | 165r–171v | Spruchsammlung von Eigenbesitz und Gehorsam im Klosterleben |
4. | 172r–264v | Konrads ›Büchlein von der geistlichen Gemahelschaft‹, Prosafassung |
Papier, I + 270 Blätter (neue Blattzählung 1–265, nicht gezählt die fünf leeren Blätter zwischen 171 und 172, je ein Blatt fehlt nach 180 und nach 251), 210–215 × 145 mm, Bastarda, ein Schreiber (datiert 1r Anno domini Mo CCCCo LIIII), einspaltig, 23–26 Zeilen, rote Überschriften, Strichel, Lombarden und Initialen.
mittelbairisch.
Bildschmuck nur zu Text 4; 64 von ursprünglich 66 (Blattverluste siehe oben) kolorierten Federzeichnungen (172v, 173r, 173v, 174r, 175v, 176r, 178r, 178v, 179r, 179v, 182r, 182v, 184v, 185r, 186v, 187r, 188r, 188v, 189v, 190r, 191v, 192r, 193v, 194r, 195r, 195v, 197r, 197v, 199r, 199v, 202r, 202v, 206v, 207r, 212v, 213r, 214v, 215r, 217r, 217v, 218v, 219r, 221r, 221v, 228v, 229r, 232v, 233r, 235v, 236r, 237r, 237v, 239r, 239v, 242r, 242v, 247r, 247v, 249r, 249v, 254r, 254v, 264r, 264v), ein Zeichner.
Halb- bis ganzseitig (ca. 70–123 × 80–83 mm), ungerahmt, an drei Seiten bildet stets die Schriftspiegeleinfassung die Bildgrenze, an der vierten Seite stößt das Bild oben oder unten oft sehr eng auf die angrenzende Textzeile. Je zwei Bilder folgen auf zwei gegenüberliegenden Seiten bzw. zwei Seiten eines Blattes aufeinander, wobei im ersten Drittel des Zyklus kein Text zwischen den beiden Bildern steht, während später die direkte Folge der Bilder ohne Texteinschub nicht mehr konsequent gehandhabt wird. Die Bildpaare stehen nicht an Absatzgrenzen, sondern mitten im Text, jedoch nicht notwendig in enger räumlicher Nähe zur Textstelle, auf die sie sich beziehen. Text- und Bildprogramm sind in ihrem Fortgang nicht genau aufeinander abgestimmt, der Text schreitet schneller voran und schließt eher (263v) als die Bilderfolge (265v). Die Darstellungen des Bildpaars 21 (217v, 217v) sind irrtümlich gegeneinander vertauscht.
Lineare Zeichnungen, mit feiner Feder in lockerer Strichführung angelegt, 172v mit schwarzer, sonst mit schwarzbrauner Tinte. Auf ungestalteten, lediglich lavierten Bodenstücken stehende Figuren und Figurengruppen nehmen meist die volle Bildhöhe ein; Hintergrund freistehend bis auf die vom Text verlangte Ausstattung (Haus, Bett, Thronsitz; Ortsbestimmungen wie pey einer stat auf ein schöne hayde 173v), nur für den Himmel vielfach blaue Lavierung. Innen- und Außenräume werden nicht voneinander unterschieden.
Schlanke, hochaufragende Gestalten, in Paaren oder Gruppen im Viertelprofil aufeinander bezogen, mit etwas geneigtem Kopf und leicht s-förmig geschwungenem Körper. Gesichter klein, oval, mit stereotyp formulierter Mimik: Knopfaugen mit Brauenstrich, kräftige Hakennase, Mund aus einer längeren und einer kurzen Parallellinie gebildet. Frauen meist mit Flechten über den Ohren, oftmals mit Nackenschleier, Haartrachten ansonsten lockig, stirnfrei, durch kurze, gebogte Strichel gebildet. Fließende Gewänder, in langen Parallelfalten, die abknickend am Boden aufstoßen. Wenig Binnenzeichnung, gelegentlich Schraffuren zur Kennzeichnung von Schatten; modelliert wird mit sparsamen, sehr geschickt lavierenden Pinselstrichen entlang der Konturen und Faltenlinien. Die Braut ab Bild 10,1 (188r) als Nonne in grau laviertem Habit. Nur in den Darstellungen der Sakramente werden mehrere Szenen miteinander kombiniert.
Mehrfach sind Zeichnungen nachträglich am Rand mit unterschiedlichen Merkzeichen versehen, deren Funktion unklar ist (173v zwei untereinandergestellte Kreise, 175v ein von drei Schrägstrichen gekreuzter Längsstrich, 176r drei untereinandergestellte Kreisen, usw.: 178v, 179r, 179v, 188r, 188v, 221r, 221v, 228v, 239r; 239v Handweiser). Ebenfalls nachträglich wurde in den Bildern 174r und 190r der Teufel gelöscht.
(siehe Tabelle): Im ersten Teil (Werbung um die Braut) sind die Bildpaare inhaltlich wie räumlich stets eng aufeinander bezogen. Der Darstellung der Engel bei einer der sieben Jungfrauen folgt die Illustration zum Gleichnis, das den Grund und die Folge ihrer Ablehnung (bzw. Zustimmung) erläutert (Bildpaar 1–10; Bildpaar 6 fehlt wegen Blattverlustes). Im zweiten Teil (Vorbereitung auf die Hochzeit) funktioniert der Paarbezug nur noch räumlich (11–30). Dargestellt sind die allegorischen Frauengestalten mit ihren Attributen in ihren Gesprächen und Aktionen mit der Braut, die nun als Nonne gekennzeichnet ist. Deutlich ins klösterliche Milieu verweist auch die Verbildlichung des ›timor filialis‹ durch einen Novizen vor einem Mönch anstelle eines unverbindlicheren Sohn-Vater-Paars. Die Schlußsequenz (30–33) zeigt die Nonne von ihrer vorläufigen bis zur endgültigen Vereinigung mit dem Herrn (geistliche Hochzeit – Hochzeit in der Ewigkeit). Auffallend ist dabei das Bild von der Nonne und dem Hirsch (32,2: 254v). Mit ihm wird einer wenig markanten Textstelle eine besondere Betonung beigelegt: Die Braut antwortet auf den ersten Ruf des Herrn mit Ps. 42,2 (Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir).
Blau (laviert, gelegentlich auch deckend), Rosaviolett, Olivbraun, Grau, Ockergelb; selten deckendes Zinnoberrot (für Flammen und Blut); Inkarnat Rosaviolett.
München, Bayerische Staatsbibliothek, http://mdz10.bib-bvb.de/~db/bsb00009890/images/
Abb. 52: 221v. Rad der Verdammten.
Abb. 53: 254v. Nonne, auf Hirsch weisend, vor dem Herrn.