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90a.3. Andere Bruderschaften

Bearbeitet von Caroline Horch und Kristina Freienhagen-Baumgardt

KdiH-Band 9

Bruderschaften, (con-) fraternitates, gab es seit dem frühen Mittelalter. Die überwiegend von geistlichen Kommunitäten gebildeten Gebetsbruderschaften des 8. Jahrhunderts dienten dem Gedächtnis der Verstorbenen und mitunter der Gebetshilfe für Lebende (Schmid/Wollasch [1967]; Wollasch [1984]; Schmid [1985]). Eine zentrale Rolle spielte das Totengedächtnis. Hier liegen die Wurzeln des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bruderschaftswesens. Eine exakte Abgrenzung von Bruderschaften, Einungen, Gilden, Zünften und anderen genossenschaftlich organisierten Gemeinschaften ist nicht immer möglich und wird in der Forschung anhaltend kontrovers diskutiert (Remling [1986]; Remling [1993]; Haverkamp [2006]). Nicht nur die unterschiedliche Gestaltung, sondern auch das breite Spektrum ihrer Funktionen lässt es kaum möglich erscheinen, Bruderschaften übergreifend zu definieren und eine allgemeingültige Terminologie zu etablieren. Zudem beschäftigen sich verschiedene Disziplinen mit ihren je eigenen Fragestellungen mit den fraternitates. Trotz aller Differenzen können wohl vier Merkmale als charakteristisch betrachtet werden: 1. Bruderschaften sind auf die Dauer, nicht für einen Zeitpunkt angelegt. 2. Es herrscht eine prinzipielle Gleichberechtigung der Mitglieder. 3. Bruderschaften entstanden nicht auf Anweisung einer übergeordneten Autorität, sondern auf Initiative der Mitglieder. 4. Den Aufgaben einer Bruderschaft und dem Handeln ihrer Mitglieder lag Reziprozität zugrunde. Diese Charakteristika gelten nicht exklusiv für Bruderschaften, sie prägten diese aber in unterschiedlicher Art und Weise.

Die Diversität, die die unterschiedlichen Bruderschaften kennzeichnet, findet sich ebenso bei ihren Aufgaben und Anliegen. Die sozialen, mitunter politischen und ökonomischen Funktionen lassen sich nicht eindeutig differenzieren. Gemeinsam ist den Bruderschaften das religiöse Fundament, das bereits in der »christlich konnotierten Bezeichnung Bruderschaft« zum Ausdruck kommt (Frank [2010] S. 319). So kann auch die memoria, das entscheidende Kriterium für diese Stoffgruppe, nicht als eine Funktion unter anderen betrachtet werden; vielmehr ist davon auszugehen, dass memoria als »totales soziales Phänomen« (Oexle [1995] S. 167) ein dominanter Faktor im Bruderschaftsleben war. Insbesondere seit dem 15. Jahrhundert nahm die Anzahl religiös orientierter Gemeinschaften zu. Der Sorge für das Seelenheil der Mitglieder wurde auf verschiedene Weise Ausdruck verliehen. An erster Stelle ist auf Gebete und Messen hinzuweisen, die obligaten und regulären Dienste der Lebenden für die Verstorbenen. Bei in einem gewissen Turnus stattfindenden gemeinsamen Mahlen bot sich den Angehörigen einer Bruderschaft die Möglichkeit eines sozialen Austauschs, der sowohl für den Zusammenhalt der lebenden Mitglieder untereinander als auch die Gemeinschaft mit den Verstorbenen konstitutiv war.

Die lokalen Bruderschaften resultierten aus bestimmten sozial-politischen Konstellationen ihrer jeweiligen Kommunen und rekurrierten darauf. Insofern waren sie tatsächlich »Instrumente der sozialen Inklusion« (Escher-Apsner [2009] S. 10). In einer Zeit, in der es noch keinen Staat nach heutigem Verständnis gab, der obrigkeitlich sozial-karitative Verpflichtungen kannte und übernahm, waren es unter anderem Bruderschaften, die solche pflegten. Nur am Rande sei hier auf das do-ut-des-Prinzip verwiesen, das dem Handeln zugrunde lag. Bei vielen Bruderschaften war es erforderlich, für die Aufnahme zu zahlen, was z. B. Arme ausschloss, auch Frauen war die Teilnahme häufig verwehrt. Die Rosenkranzbruderschaft in Köln, gegründet 1475 von dem Dominikaner Jakob Sprenger, forderte von ihren Mitgliedern ausschließlich Gebete und Fürbitten (Militzer [2002] S. 131f.; Dirmeier [1995]; Militzer [2013] S. 194). Zumeist jedoch waren es überregionale Bruderschaften, die sich den Ärmeren öffneten, ohne ein Beitrittsgeld zu fordern. Auch konnten Menschen in mehrere Bruderschaften aufgenommen werden. Den eher quantitativ orientierten Vorstellungen zufolge war die Erlangung des Seelenheils umso gesicherter, je mehr Gebete verrichtet oder Ablässe erlangt wurden. Ein gewisses pädagogisches Engagement ist bezüglich der Gebetsbruderschaften nicht von der Hand zu weisen: Durch das regelmäßige Gebet sollten Menschen zu einem gottgefälligen Leben und zur Einhaltung christlicher Normen angehalten werden.

Anders verhielt es sich bei lokalen Bruderschaften, die sich durch ihre Binnenorganisation und -struktur unterschieden. Die Aufgaben, zu denen sich eine Bruderschaft bekannte, waren sowohl Legitimierung als auch Distinktionsmerkmal (Frank [2010] S. 319). Neben den schon erwähnten gemeinsamen Mahlen muss die memoria als vorherrschendes Anliegen hervorgehoben werden. Die Totenwache, die Begleitung zum Grab, das Begehen der Seelmessen und die Abhaltung der Jahrtage gehörten zu den Verpflichtungen, die die Lebenden für die Verstorbenen übernahmen. Für die Regensburger Bruderschaften hat Hermann Heimpel konstatiert, »daß das Wort ›Bruderschaft‹ geradezu den Sinn ›Begleitung der Leiche mit den Kerzen der Bruderschaft‹ oder einfach den Sinn ›Bruderschaftskerze‹ bekam« (Heimpel [1926] S. 118; ähnlich Militzer [2013] S. 187). Die dazu erforderlichen Gegenstände wurden auf Kosten der Bruderschaft angeschafft und von ihr zur Verfügung gestellt. An erster Stelle waren dies die Kerzen, deren hoher Symbolgehalt (brennendes und verlöschendes Licht) sie bei den Exequien und Beisetzungen wie auch bei der Begehung der Jahrtage geradezu prädestinierte.

Im Begräbnisbuch von Raitenhaslach (München, Cgm 1823, Nr. 90a.1.2.) findet sich unter den Illustrationen, die die Gründungsgeschichte des Klosters darstellen, auf 18v die Schilderung der Totensorge: Es sind Lichter angezündet und Mönche lesen (Psalmen) für die Verstorbenen. Diese letzte Darstellung ist zugleich ein Versprechen an die Bruderschaftsmitglieder: Sehr ähnlich dem Gedächtnis der Mönche würde auch für die verstorbenen Angehörigen der Bruderschaft gesorgt werden.

Unerlässlich für Bruderschaften waren ihre Aufzeichnungen. Die Aufgabe der hier als Bruderschaftsbücher bezeichneten Handschriften war es, die Statuten schriftlich zu fixieren (Frank [2010] S. 313–318) und damit verbindlich zu formulieren. Dass sich in manchen Handschriften auch chronikalische Notizen befinden (z. B. im Bruderschaftsbuch der Regensburger Goldschmiede, 1r–v, Nr. 90a.3.3.), mag daher nicht weiter verwundern. Drucke gab es von Bruderschaftsbüchern kaum, denn ein Druck ist per se abgeschlossen, er eignet sich nur bedingt zur fortlaufenden Aktualisierung. Wichtiger waren die Mitgliederlisten. Sie informierten über die Teilhaber der Bruderschaft, aber auch, nicht minder relevant, über die verstorbenen Mitglieder: Ihren Namen wurde das obiit, abgekürzt ob, oder ein schlichtes Kreuz hinzugefügt. Aus der Memorialforschung ist bekannt, dass die Aufzeichnung beziehungsweise Nennung der Namen die Anwesenheit ihrer Träger evozierte. Die lebenden und die verstorbenen Mitglieder bildeten eine Gemeinschaft.

Die große Zahl der in deutscher Sprache verfassten Bruderschaftsbücher lässt den Schluss zu, dass sie intensiv genutzt wurden, ein Tatbestand, den das zumeist unscheinbare, abgegriffene Äußere vieler Bücher belegt: Es handelte sich nicht um Urkunden, die man an sicherer Stelle verwahren musste, sondern sie gingen von Hand zu Hand, waren oft über Jahrzehnte in Gebrauch und wurden immer wieder auf den aktuellen Stand gebracht. Auch enthielten sie keine religiösen, heiligen oder theologischen Texte, die ein deutlich aufwendigeres Format erfordert hätten und entsprechend verehrt worden wären. Anderseits besaßen die Statuten Vertragscharakter, das machte ihre Niederschriften zu Normen für die Mitglieder und zu Distinktionsmerkmalen gegenüber anderen Gemeinschaften.

In derartigen Schriften würde man kaum Bilder erwarten und die überwiegende Zahl der Bruderschaftsbücher sind auch reine Textzeugnisse. Darum lassen sich Fragen nach der Funktion der Bilder in Bruderschaftsbüchern und ihrer Integration in die Texte nicht pauschal beantworten. Eine evidente und unmittelbare Beziehung zwischen Bild und Text ist auf den ersten Blick kaum zu erkennen, sehr wohl jedoch mitunter ein Bezug zur entsprechenden Bruderschaft.

Die Regensburger Goldschmiede schmückten die I-Initiale auf 2v ihres Bruderschaftsbuches (Nr. 90a.3.3.) mit einer Abbildung ihres Patrons, des hl. Eligius, unter dessen Schutz sie ihre Bruderschaft damit stellten. Im Allgemeinen gehörten die Eligius-Bruderschaften zu den wohlhabenderen Gemeinschaften. Das kommt in der aufwendigen und sorgfältigen Ausstattung der Handschrift zum Ausdruck. Für Köln ist überliefert, dass die dortige Eligius-Bruderschaft drei Messen für ihre Angehörigen lesen lassen konnte. Zudem hatte sie im Domchor einen eigenen Kreuzbalken (Militzer [2013] S. 190). Auffallend ist die Tatsache, dass das Regensburger Bruderschaftsbuch keine Mitgliederliste enthält; sie muss an anderer Stelle geführt worden sein. Ein Andachtsbild am Ende der Handschrift ist nicht mehr vorhanden, für 1912 aber noch überliefert.

Die Bedeutung der Bilder in Bruderschaftsbüchern lag nicht in einer aktiven Rolle, sie reproduzierten oder transportierten keine auf die spezielle Gemeinschaft bezogene Botschaft. Bilder und Betrachter korrespondierten über ein Drittes, Übergeordnetes: Religion und Glaube. Und an dieser Stelle gibt es durchaus einen Text-Bild-Bezug. Ist das jeweilige Bruderschaftsbuch mit seinen Statuten und Mitgliederlisten »schriftliches Substrat« (Oexle [1982] S. 333) einer ganz bestimmten Gemeinschaft, so ist das hinzugefügte Bild ein Bekenntnis: zur Bruderschaft, deren Zielen und zum christlichen Glauben, d. h. einem entsprechenden Lebenswandel. Der gewählte Bildtypus ist das Andachtsbild (Appuhn [1978]). Buch und Bild befinden sich nicht in der Öffentlichkeit im Sinne einer allgemeinen Zugänglichkeit. Sie stehen einer Gruppe von Menschen zur Verfügung, für die sie legitimierende Bedeutung haben, und sind damit semi-öffentlich.

Ein Andachtsbild, wie man es für das Bruderschaftsbuch der Regensburger Goldschmiede vermuten darf, weist die Chronik von Gebroth (Nr. 90a.3.1.) auf: die Darstellung von Christi Gebet am Ölberg, von drei Evangelisten beschrieben. In den ab dem 15. Jahrhundert überlieferten Darstellungen sind die drei Jünger (Johannes, Petrus und Jacobus) im Bild. Ebenfalls seit dieser Zeit erscheint der von Lukas erwähnte Engel (Lc 22,39–46) anstelle der göttlichen Hand. Das Bild bringt Todesangst und Not zum Ausdruck, verheißt aber zugleich auch die Erlösung und eignete sich damit vorzüglich als Andachtsbild für Gemeinschaften, deren Absicht die Totenfürsorge und das Totengedenken war.

Die Wertigkeit einer Bruderschaft zeigt in besonderer Weise die Illustration zum Bruderschaftsbuch der Rieder Sebastiansbruderschaft (Nr. 90a.3.5.), die die Bruderschaft als Pilgergemeinschaft auf dem Weg zu Andacht am Gnadenaltar zeigt. Als Mitglieder der Bruderschaft sind dabei Vertreter aus Politik und Geistlichkeit zu erkennen wie Kaiser Friedrich III., der junge König Maximilian I. und auch Kardinal Matthäus Lang von Salzburg. Vor diesem Hintergrund wäre näher zu untersuchen, ob Bruderschaftsstatuten tatsächlich und pauschal »nur mit allergrößter Vorsicht als Selbstzeugnisse einer Gruppe eingestuft werden können« (Frank [2010] S. 324). Es scheint, als seien die Bilder im memorialen Kontext der Bruderschaftsbücher durchaus imstande gewesen, die Eigenart einer bestimmten Gemeinschaft zum Ausdruck zu bringen.