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90a.3.5. Ried im Innkreis, Museum Volkskundehaus / Stadtarchiv, Hs. 315

Bearbeitet von Kristina Freienhagen-Baumgardt und Caroline Horch

KdiH-Band 9

Datierung:

1503–1600 (letzter Eintrag).

Lokalisierung:

Ried im Innkreis.

Besitzgeschichte:

Die Rieder Bürgerschaft gründete die Bruderschaft am 6.12.1486 (IIIr: an sannd Niclastag). Die Bruderschaft wurde durch Papst Innozenz VIII. bestätigt und fand große Verbreitung, sie umfasste bis 1503 über 700 Mitglieder (Eder [1965] S. 263). Das Verzeichnis der Mitglieder wurde 1503 in die Handschrift übertragen. Heute befindet sie sich im Stadtarchiv Ried, das an das Museum Volkskundehaus angebunden ist.

Inhalt:
Iv–IVv, 2r–186r Bruderschaftsbuch der Sebastiansbruderschaft Ried im Innkreis
Stiftung und Satzungen (Bl. III–IV), Einträge der Mitglieder (1118 Männer und Frauen nach Ständen), Wappenbuch mit 445 Wappen (2r–186r)
I. Kodikologische Beschreibung:

III (Papier) + IV (Pergament) + 165 (Papier) erhaltene Blätter (ursprünglich 192 Blätter [so die alte Zählung], Bl. 1 fehlt, eine Vielzahl der Blätter unbeschrieben für etwaige Nachträge [so auch 186v–192v], die Vorsatzblätter und die Pergamentblätter sind ungezählt [die Pergamentblätter hier gezählt I–IV], bei der Neubindung im 17. Jahrhundert wurden 27 vermutlich unbeschriebene Blätter entfernt sowie einige falsch eingebunden: vier Blätter nach Bl. 187 [Zählung abgeschnitten], Bl. 183 und 184 nach 185 vgl. auch Berger [1907/1908] S. 5 mit zum Teil unrichtigen Angaben; die Wappenseiten wurden im Rahmen einer Restaurierung zu großen Teilen aufgeklebt), 270 × 204 mm, Bastarden und Kursiven, zahlreiche Hände, einspaltig (IIIr–IVv), zweispaltig und dreispaltig die Namenseinträge im Wappenteil (Bl. 2–186), je nach Anzahl der Einträge zwischen sechs Zeilen (ausschließlich Namenseinträge) und 23 Zeilen (IIIr–IVv).

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch.

II. Bildausstattung:

Zwei ganzseitige Illustrationen in Deckfarbenmalerei (Iv, IIr), ein Maler (Wolfgang Reiter? vgl. Berger [1947] S. 132, Schmidt [2005] Bd. 1, S. 143); 445 Wappen (2r–167r) unterschiedlicher Formate in Deckfarbenmalerei, zum Teil Bildlücken, verschiedene Maler.

Format und Anordnung:

Die beiden ganzseitigen Illustrationen leiten die Handschrift ein und bilden »eine Art Stifter-Diptychon« (Schmidt [2005] Bd. 1, S. 143, vgl. auch Egg [1969]). Sie sind mit feinem Strich gerahmt.

Bildaufbau und -ausführung:

Das linke Blatt ist dominiert von der mittig gesetzten Gnadenstuhl-Darstellung, die Figuren (Maria, Sebastian) sind symmetrisch zum Stuhl rechts und links platziert, die beiden Wappen liegen im Vordergrund, ebenfalls symmetrisch angeordnet. Das rechte Blatt zeigt eine dichtgedrängte Figurengruppe von Bruderschaftsmitgliedern verschiedener Stände, die zum Gnadenstuhl pilgert. Die Mehrzahl der Köpfe auf dem rechten Blatt wendet sich zur Trinität, die Hände der Bruderschaftsmitglieder in Gebetshaltung. Es entsteht damit der Eindruck einer zweiteiligen Gesamtkomposition. Die Blickrichtung einiger Figuren nach links aus dem Bild heraus suggeriert zudem, dass die Gruppe der Gläubigen noch weit größer ist, der oder die Betrachter*in also nur einen Ausschnitt sieht. Es weist damit den Habitus eines Tafelbildes auf. Gerhard Schmidt stellt fest, dass der Maler zwar »figürliche Vorlagen aus der zeitgenössischen Tafelmalerei nicht ungeschickt kopiert, doch fiel ihm offenbar schwer, die Größenverhältnisse der Figuren auf ihre Stellung im Bildraum abzustimmen« (Schmidt [2005] Bd. 1, S. 143). Vor blauem Hintergrund (auf der rechten Seite teilweise abgeblättert) werden die Figuren in sicher geführter Kontur differenziert ins Bild gesetzt. Durch die detaillierte Wiedergabe der Kleidung und die zum Teil porträthaften Züge der Gesichter konnten die Zeitgenossen wohl einige im Vordergrund kniende Personen identifizieren. Die Mehrheit der Kopfformen ist rund und gedrungen, Maria und Sebastian stimmen dahingehend völlig überein, unterscheiden sich nur bezüglich der Haare. Im Verhältnis zum Gnadenstuhl wirken sie »vergleichsweise zierlich [...]« (Schmidt [2005] Bd. 1, S. 123). Die Augen sind dunkel umrahmt, das darunter gesetzte weiße Schlaglicht verleiht eine markante Wirkung. Die Kleidung entspricht der Mode der Zeit, sie ist dem Geschlecht und dem Stand der jeweiligen Person angepasst. Der Faltenwurf der Gewänder ist weich fließend, die Stofffülle reich. Modelliert wird mit der kräftigen Kolorierung. Die Konturen und Falten sind mit dem Pinsel in Schattierung der Lokalfarbe gestaltet. Feine Strichel zur Gestaltung der Haare mit Weiß und Gelb auf der variierenden Grundfarbe der Haare. Der Pergamentgrund ist als helle Farbe an wenigen Stellen einbezogen. Berger (1947, S. 132) stellt fest, dass in Ried zur Zeit der Entstehung der Illustration nur ein gewisser Wolfgang Reiter († 1513) als Maler bekannt ist, nach Schmidt (2005, Bd. 1, S. 123) dürfte die Illustration im heimischen Umfeld entstanden sein, auch wenn die Identität des Illuminators nicht geklärt werden kann. Sieveking (1986, S. 143) weist die Illustrationen der sog. Augsburg-Salzburger Missalienwerkstatt zu (dagegen Roland [2003] S. 530).

Bildthemen:

Die erste Illustration zeigt die Trinität in einer Gnadenstuhl-Darstellung mit dem sitzenden Gottvater auf einem einfachen Thron, vor sich den Gekreuzigten mit darüber fliegender Taube. Zur Rechten steht Maria, die Jesus eine Birne reicht, zur Linken der jugendliche, durch den Mantel teilweise verhüllte hl. Sebastian, der in der erhobenen rechten Hand zwei Pfeile hält – eine seltene ikonografische Darstellung, da Sebastian meist von Pfeilen durchbohrt dargestellt wird oder als römischer Soldat, der einen Pfeil in der Hand hält. Am Fuß des Thronsessels ist die Jahreszahl 1503 eingeschrieben, der vordere freie Platz ist mit dem bayerischen Wappen und dem Rieder Marktwappen ausgefüllt. Das zweite Bild zeigt die Vertreter der verschiedenen Stände, die der Bruderschaft angehörten. An den Insignien sind Kaiser Friedrich III. (mit Mitrenkrone, Zepter und Reichsapfel) und Maximilian I. (als deutscher König mit Zepter und Lilienkrone) zu erkennen, der Salzburger Erzbischof und Kardinal Matthäus Lang ist an der Kleidung zu identifizieren (Schmidt [2005] Bd. 1, S. 123), möglicherweise ist auch Herzog Albrecht von Sachsen (mit aufgerichtetem Schwert) gezeigt. Da diese oberste, repräsentative Reihe nicht mit Anbetung befasst ist, sondern geradeaus blickt, ebenso wie Gottvater auf der Gnadenbild-Seite, kann sie als Repräsentanz weltlicher Macht verstanden werden. Auch die Ähnlichkeit von Kaiser Friedrich III. und Gottvater dokumentiert den Aufbau als Ordnungsbild himmlischer und weltlicher Macht. Aus der Gruppe der übrigen Mitglieder ragen unter anderem ein Kardinal (wohl der oben erwähnte Matthäus Lang von Salzburg, vgl. Berger [1947] S. 132), ein Propst, Geistliche, Bürger, Bauern und zwei Frauen hervor. Auf einer niederen Stufe kniet der Verwalter der Bruderschaft (Hans Pernöder oder Leopold Perger, vgl. Berger [1947] S. 132). Rumpler (2002, S. 21) setzt die Illustration mit den zahlreichen Vertretern verschiedener Stände in den Kontext der politischen Entwicklung, denn »dem durch die vielen Kriege geschwächten Landesfürstentum traten im späten Mittelalter die Landstände als starke politische Macht gegenüber.« Durch die Hinwendung der Bruderschaftsmitglieder zum Altarbild stellen sie sich unter den Schutz der Trinität, des hl. Sebastian, des Landes Bayern (Wappen) und der Gemeinde Ried (Wappen).

Farben:

breite Farbpalette in kräftigen Farben, auch Gold.

Literatur:

Berger (1907/1908); Berger (1947); Eder (1965); Egg (1969); Maximilian I. (1969) S. 94f., Kat. 360, Farbtaf. II; Tausend Jahre Oberösterreich (1983) Bd. 2, S. 190f., Nr. 9.11. [Josef Mader, Siegfried Haider], S. 199, Nr. 10.11. [Georg Heilingsetzer]; Sieveking (1986) S. 142f.; Rumpler (2002) S. 20, Abb. 10 (IIr); Schmidt (2005) Bd. 1, S. 143 (IIr).

Weitere Materialien im Internet:

manuscripta.at

Abb. 137: Iv–IIr. Gnadenstuhl und Sebastiansbruderschaft Ried im Innkreis.

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Abb. 137.