49. Heinrich Steinhöwel, ›Griseldis‹
Bearbeitet von Kristina Domanski
KdiH-Band 6
Heinrich Steinhöwels Prosaversion der Erzählung von der armen Bauerntochter Griseldis, die von einem reichen Adeligen geheiratet, dann von ihm gedemütigt, verstoßen und schließlich wieder als Ehefrau aufgenommen wird, und die dies alles in großer Ergebenheit erträgt, ist in illustrierter Form nur in Drucken überliefert, zuerst in der Ausgabe Johann Zainers, Ulm 1474 (Nr. 49.0.a.), der bereits drei nicht illustrierte Drucke vorausgegangen waren. Zwar waren auch zwei der 12 erhaltenen handschriftlichen Textzeugen für eine Bebilderung konzipiert, diese ist allerdings in beiden Fällen nicht ausgeführt (München, Cgm 252: Nr. 49.0.1., Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 75.10 Aug. 2o: Nr. 49.0.2.). Beide Abschriften erstellte der Augsburger Schreiber Konrad Bollstatter, beide sind 1468 – deutlich vor Erscheinen der ersten illustrierten Ausgabe – datiert (München, 176r: 24. März 1468, Wolfenbüttel, 71rb: 6. Februar 1468). Sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Präsentation des Textes und der geplanten Text-Bild-Redaktion: Im Wolfenbütteler Exemplar ist die ›Griseldis‹ zweispaltig geschrieben, mit zahlreichen Zwischentiteln und Raum für vier Illustrationen. Die wenige Wochen jüngere, einspaltige Münchner Abschrift weist gleichfalls vier Freiräume auf, da sie jedoch nur das letzte Drittel des Textes umfasst, ist die Planung eines umfangreicheren Zyklus zu vermuten. In beiden Fällen stimmt die Anordnung der Freiräume im Text nicht mit jener der späteren Holzschnittserie überein.
Heinrich Steinhöwels Übersetzung, die 1461/62 abgeschlossen gewesen sein dürfte, beruht auf der lateinischen Fassung, die Francesco Petrarca als Tugendexempel von der Historie aus Giovanni Boccaccios ›Decamerone‹ (Decamerone X, 10) angefertigt hatte.
Für die ›Griseldis‹ Petrarcas führt
Im deutschen Sprachraum war der Griseldis-Stoff nicht nur in der lateinischen Version, sondern bereits auch in mehreren deutschen Bearbeitungen bekannt, als Steinhöwels Übersetzung erstmalig gedruckt wurde (Augsburg: Günther Zainer, 1471; GW M31580). Die Übersetzungen stammen von Erhart Groß, Albrecht von Eyb (innerhalb seines ›Ehebüchleins‹), einem anonymen mitteldeutschen Klostergeistlichen und einem unbekannten Verfasser aus Mittelfranken (
Johann Zainer gab allen vier Ausgaben einen Zyklus von zehn Textholzschnitten bei, in denen die Hauptfiguren Griseldis und Walther jeweils mit Namensbeischriften versehen sind:
1. Walther trifft bei der Jagd auf Griseldis.
2. Walther präsentiert Griseldis seiner Gefolgschaft als Ehefrau (vor der ärmlichen Hütte ihres Vaters).
3. Griseldis legt im Beisein Walthers und seiner Berater ihre ärmlichen Kleider ab.
4. Griseldis wird ihr erstes Kind genommen.
5. Griseldis wird ihr zweites Kind genommen (gewöhnlich als Wiederholung des Druckstockes von Bild 4).
6. Walther verliest vor Griseldis die päpstliche Bulle der Ehescheidung.
7. Griseldis legt ihre vornehmen Gewänder ab und verlässt den Hof.
8. Griseldis legt vor der Hütte ihres Vaters wieder ihr ärmliches Gewand an und melkt Schafe im Stall.
9. Griseldis begrüßt am Hof Walthers dessen neue Braut und deren Bruder (nicht wissend, dass es sich um ihre Kinder handelt).
10. Walther klärt Griseldis beim Festmahl über die Identität ihrer Kinder auf.
Die meisten nachfolgenden Drucke folgen Zainers Holzschnittserie in Anzahl, Szenenauswahl und Ikonographie; nur in wenigen Ausgaben wurde lediglich das Titelblatt mit einem Holzschnitt versehen (Nr. 49.0.k., 49.0.p., 49.0.s., 49.0.t.). Vor allem bei den Nachdrucken des 15. Jahrhunderts stimmen auch Formate und Einordnung in den Text mit Zainers Vorbild überein. Abweichungen beschränken sich auf wenige erzählerische Details und die vermehrte Wiederholung von Druckstöcken. Eine Ausnahme bietet der zweite Druck Johann Schaurs von 1497 (Nr. 49.0.l.), bei dem das Format reduziert, die Bilderzählung vereinfacht und die Holzschnitte in den Text eingerückt wurden.
Da von mehreren Drucken nur ein einziges Exemplar (Nr. 49.0.c., 49.0.f., Nr. 49.0.l.) oder kein einziges vollständiges Exemplar (Nr. 49.0.m.) erhalten, von anderen in der älteren Literatur genannten Ausgaben gar kein Exemplar (mehr) nachzuweisen ist (vgl.