KdiH

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63.4.3. København, Det Kongelige Bibliotek, Thott 112 4º

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

Um 1420–1449.

Lokalisierung:

Vermutlich Zürich oder Umgebung.

Besitzgeschichte:

Die Einträge auf den inzwischen abgelösten Spiegelblättern des Einbands deuten nach Blosen/Lauridsen (1988, S. 14–23) darauf hin, dass sich die Handschrift früh im Raum Zürich befand und zumindest dort gebunden wurde. Viel später in der Sammlung Otto Thotts (1703–1785), der seine Handschriften und frühen Drucke der Königlichen Bibliothek vermachte.

Inhalt:
1r–24r ›Kopenhagener Weltgerichtsspiel‹
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier (Wasserzeichen siehe Blosen/Lauridsen [1988] S. 23f.), [I] + 24 + [I] Blätter (vorn und hinten als ungezählte Blätter die abgelösten Spiegelblätter, 24v leer), 215–217 × 148 mm, einspaltig, 29–39 Zeilen (abgesetzte Verse), Versbündel sind gelegentlich (1r, 2v) für links platzierte Illustrationen nach rechts eingerückt, Bastarda, ein Schreiber: Schreibervermerk 23r per me Johannem Schudin de Grüningen (d. i. vermutlich Grüningen bei Zürich), Versanfänge rot gestrichelt oder mit durchgehender roter Linie durchzogen, rote Überschriften (Rubriken), rote Zeilenfüller.

Schreibsprache:

niederalemannisch, »im Kontaktgebiet zum Hochalemannischen und Schwäbischen« (Blosen/Lauridsen [1988] S. 12).

II. Bildausstattung:

49 kolorierte Federzeichnungen auf 39 Bildseiten: 1r, 1v, 2r, 2v, 3r, 4v, 5r, 5v, 6r (2), 6v, 7r, 7v, 8v (2), 9v (2), 10r, 10v (2), 11v (2), 13r, 14r, 14v, 15v, 16r, 16v, 17r (2), 17v, 18r, 18v, 19r, 19v, 20r (2), 20v (2), 21r (2), 21v (2), 22r (2), 22v (2), 23v, 24r (im Hauptteil sind mehrfach separate Darstellungen szenisch aufeinander bezogen, so dass man von 37 Szenen sprechen kann), ohne Bild sind 3v–4r (Fünfzehn Zeichen, vgl. dagegen das ›Berliner Weltgerichtsspiel‹ Nr. 63.4.1.). Eine Hand.

Format und Anordnung:

Ungerahmt, unterschiedliche Formate und Positionen, teils auf dem rechten Randsteg neben dem fortlaufenden Text (1v–2r, 3r, 4v 5r, 6r, 8v [2], 9v, 10v [2], 11v, 13r, 14r, 15v, 17r, 18r, 20r–22v), ausnahmsweise (1r, 2v) links neben den nach rechts eingerückten Text in den Schriftspiegel eingefügt, teils als Streifenbild in freigelassenen Bildfreiräumen (6r, 7r, 9v, 11v, 13v, 16r, 16v, 17r, 19v), teils ganzseitig (6v, 7v, 10r, 14v, 17v, 18v, 19r, 23v, 24r). Zwei Darstellungen umfassen eine gesamte Doppelseite des geöffneten Buches (18v–19r, 23v–24r), mehrfach sind aufeinander bezogener Bildelemente auf voneinander entfernte Positionen einer Doppelseite platziert und durch Hilfskonstruktionen (Seil: 13v–14r, 16v–17r) oder gar nicht miteinander verknüpft. Bis auf die Altväter-, Engel- und Aposteldarstellungen nicht immer räumlich genau einem Bezugstext zugeordnet.

Bildaufbau und -ausführung:

Ungerahmte Darstellungen, Einzelfiguren nahezu freistehend, Standflächen sind lediglich durch karge Federstriche und mit dem Pinsel gezeichnete Gräser mit punktförmigen roten Blüten angegeben; vielfigurige Bilder in stilisierter Kulisse: die sich öffnenden Gräber 6r auf flächig grünem Grund, die Anbetenden 7r in zwei etagenartigen Rängen, Christus mit den Aposteln 10r in Draufsicht von erhobenem Standort, sie sitzen in Form eines unten abgeflachten Ovals um eine leere, als Tisch zu deutende Fläche herum, Bänke als Sitzmöbel sind knapp angedeutet. Stilisiert ist auch die Darstellung der Menschemenge 23v: Nur im Vordergrund sind ganze Figuren ausgeführt, dahinter staffeln sich Köpfe, im Hintergrund nur noch mit der Feder gezeichnete Bögen, die ein Meer von weiteren Köpfen andeuten. Figuren gedrungen, in manchen Positionen unproportioniert (16v die liegende Figur, auch der stets frontal sitzende Christus); flächige Kolorierung in wenigen kräftigen Farben, Inkarnat als freistehender Papiergrund; nur Luzifer ist mit Pinselstrichen lebhaft modelliert.

Ausgeführt wurden die Bilder offenbar nach einer bebilderten Vorlage (Blosen/Lauridsen [1988] S. 31) in einem dem Abschreibvorgang folgenden Arbeitsschritt, aber möglicherweise vom Schreiber selbst. Hierfür spricht auch die stets betonte gestische und mimische Bezogenheit der einzelnen Figurenbilder aufeinander, Einzelfiguren sind, obwohl nicht in einen szenischen Zusammenhang positioniert, zu »Dialogbildern« kombiniert (Blosen/Lauridsen [1988] S. 30): z. B. 8v Christus, abwärts schauend; ein Erlöster, aufwärts schauend; 9v Christus, abwärts schauend; Maria aufwärts schauend. In einen Dialog mit dem Betrachter treten die Altväter 1r–3r, die mit der Hand auf ihren Redetext weisen, dabei zugleich dem Betrachter zugewandt sind, ähnlich die Apostel 20r–22v, die allerdings weniger auf den nebenstehenden Redetext als auf die Spruchbänder mit ihren Namen weisen. Mit Blosen/Lauridsen (1988, S. 31–34) sind die Figurenbilder als bildliche Darstellungen der Rubriken zu sehen, bzw. können dort, wo Rubriken fehlen, deren Funktion übernehmen, so insbesondere das mehrfach wiederholte Bild Christi (6v, 7v, 8v, 10r, 10v, 11v, 13r).

Bildthemen:

Siehe Blosen (1976) S. 110–118 sowie Blosen/Lauridsen (1988) passim (Textkommentar). Vgl. die verwandte Bildfolge im ›Berliner Weltgerichtsspiel‹ (Nr. 63.4.1.).

1r–3r Sechs Alt- und Kirchenväter: Joel, Sophonias, Gregorius Magnus, Hiob, Salomo, Hieronymus;

4v–6r Vier Engel mit Posaunen;

6r–20v 14 Szenen zum Weltgericht: 6r Auferstehung der Toten; 6v/7r Erscheinen Christi als Weltenrichter: 6v Der Auferstandene auf dem Regenbogen thronend, mit Schwert und Lilie, rechts und links Leidenswerkzeuge, unten geistliche und weltliche Würdenträger, 7r zwei weitere Menschengruppen (Blosen/Lauridsen [1988] S. 84 zufolge sind womöglich Christen, Juden und Heiden gemeint); 7v Scheidung von Guten und Bösen: Der Auferstandene, darunter: Zwei Engel scheiden die Menschen; 8v Gnadenurteil über die Guten: Der Auferstandene, darunter: ein Erlöster; 9v Berufung auf Maria: Der Auferstandene, darunter: Maria; 10r Berufung auf die Apostel: Der Auferstandene mit den zwölf Aposteln; 10v Auslieferung der Verdammten an Luzifer: Der Auferstandene, darunter: Teufel mit einem in ein Seil Gefangenen; 11v Teufel holt sich die Seele: Der Auferstandene, darunter Teufel, der auf dem Rücken eine Person wegträgt; 13r Übergabe an Luzifer: Der Auferstandene, darunter Luzifer; 13v/14r Abführung der Verdammten: 13v Teufel mit einer Gruppe in ein Seil Gefangener, 14r Teufel, der auf dem Rücken einen Mann trägt und ein Seil um den Hals trägt, das mit dem Seil auf 13v verbunden ist; 14v Marias und Johannes’ Bitte um Erbarmen: Der Auferstandene, darunter Maria und Johannes; 15v/16r Rede Christi an den Teufel: 15v Der Auferstandene, 16r Teufel; 17v/18r Teufel und Verdammte: 17v Teufel ziehen eine Gruppe in ein Seil gefangener Verdammter ins Höllenfeuer; 18r Kriechende weibliche Figur mit Teufel auf dem Rücken; 18v/19r Christus verschließt die Hölle: 18v Höllenschlund nach rechts gewandt, der Rachen durch eine Tür mit Schloss verschlossen, 19r Christus mit Schlüssel; 19v Christus im Himmel thronend mit Maria und Aposteln als Beisitzer;

20r–22v Lobpreisungen der Apostel: Petrus, Paulus, Johannes d. Ev., Andreas, Johannes d. T., Bartholomäus, Thomas, Jakobus d. J., Philippus, Matthäus, Simon, Matthias;

23v/24r Schlussrede Gottvaters: 23v Christus führt Maria (Königin) und Erlöste in den Himmel, 24r Gottvater empfängt die Erlösten am Himmelstor.

Farben:

Dreiklang aus Grün, Rot und Ockergelb, dazu selten Dunkelblau und Braun.

Literatur:

Hans Blosen: Illustrationerne i et københavnsk manuskript af det senmiddelalderlige tyske dommedagsspil. Convivium 1976, S. 108–133 (mit Abb. sämtlicher Blätter); Bergmann (1986) S. 177f., Nr. 73; Das Kopenhagener Weltgerichtsspiel. Hrsg. von Hans Blosen und Ole Lauridsen. Heidelberg 1988 (Germanische Bibliothek, N. F., Vierte Reihe: Texte); Blosen (1990) S. 207 u. ö.; Trauden (2000) S. 38–44; Linke (2002) Bd. I, S. 22f.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXI: 23v/24r. Christus führt Maria und Erlöste in den Himmel.

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Taf.XXI.