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54. Pangratz Bernhaubt, genannt Schwenter, ›Histori Herculis‹

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 6

Der Nürnberger Ratsbedienstete Pangratz Bernhaubt, genannt Schwenter (1487−1557), der sich selbst in gräzisierter Form auch Arctocephas nannte, unterhielt seit ca. 1504 enge Beziehungen zur Nürnberger Bildhauerfamilie Vischer, insbesondere zu dem gleich alten Peter Vischer dem Jüngeren (1487−1528). Ihn band Bernhaubt in zwei von ihm selbst konzipierte Handschriftenprojekte ein, zu denen Bernhaupt neben der Planung auch die literarischen Vorlagen und Vischer die Illustrationen lieferte: Zu der lateinischen ›Apologia poetarum‹, einer kommentierten Sammlung von Lobreden auf Dichter aus dem Munde vor allem deutscher Humanisten (Heinrich Bebel, Jakob Locher u. a.), das als Bernhaubts literarisches Erstlingswerk gilt, schuf Peter Vischer 19 Illustrationen (davon eine nach einem Holzschnitt aus der Umgebung Dürers zu Conrad Celtis’ ›Rhapsodia‹, Augsburg: Johann Otmar, 1505 [VD 16 C 1897], B1v: ›Insignia poetarum‹); zur deutschen ›Histori Herculis‹, einem Spiel in drei Bildern, nach Bernhaubts eigener Angabe die Übersetzung eines lateinischen Spiels, die er in seiner Widmungsvorrede allen drei Gebrüdern Vischer zueignet, steuerte Peter Vischer drei Zeichnungen bei.

Zu Pangratz Bernhaubt vgl. Dieter Wuttke: Bernhaubt, Pangratz genannt Schwenter. In: Literatur Lexikon. Hrsg. von Walther Killy. Bd. 1. Gütersloh 1988, S. 466f.; ders.: dass. In: Killy Literaturlexikon. Zweite, vollständig überarbeitete Auflage. Hrsg. von Wilhelm Kühlmann. Bd. 1. Berlin u. a. 2008, S. 489–491; Franz Josef Worstbrock: Bernhaubt, Pangratz. In: Deutscher Humanismus 1480−1520. Verfasserlexikon. Hrsg. von Franz Josef Worstbrock. Bd. 1. Berlin u. a. 2008, Sp. 176−183; zu Peter Vischer d. J. zuletzt Sven Hauschke, in: Nürnberger Künstlerlexikon. Hrsg. von Manfred H. Grieb. München 2007, Bd. 4, S. 1583−1585. – Auch jüngeren chronikalischen Aufzeichnungen Bernhaubts sind gelegentlich Federzeichnungen beigegeben, allerdings keine mehr von der Hand Peter Vischers: Zwei Zeichnungen in Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Cod. 4425, ca. 1542−52 (51v und 52r), sind vielleicht Peters Bruder Hans Vischer zuzuschreiben, eine eigenhändige Zeichnung Bernhaubts ist eventuell Nürnberg, Staatsarchiv, Cod. 179 Rep. 52a (1518−21), 147v.

Die lateinische Vorlage des Herkules-Spiels wie auch deren Autor sind nach wie vor nicht ermittelt. Bernhaubt nennt als Verfasser seiner Vorlage Gregorius Arvianotorfes, einen ›Poeta laureatus‹ aus Speyer. Mit Erwin Panofsky (Hercules am Scheidewege und andere antike Bildstoffe in der neuen Kunst. Berlin 1930, S. 96) und Wuttke (1964, S. 219-229) wurde hinter dem unklaren Autornamen ein Pseudonym Sebastian Brants vermutet. Von ihm war die Aufführung eines Herkules-Spiels im Jahr 1512 nachgewiesen; Brant selbst hatte zudem das Thema der Entscheidung des Herkules zwischen dem Weg der Tugend und dem Weg der Wollust bereits im ›Narrenschiff‹ in die deutsche Literatur eingeführt, Jakob Locher konturierte es in seiner ›Stultifera Navis‹ (Basel: Johann Bergmann, 1. August 1497 [GW 5061]) noch deutlicher in einem eigenen Kapitel (›Concertatio Virtutis cum Voluptate‹, mit drei Holzschnitten). Daraus könnte man die bereits lange bestehende Absicht Brants ablesen, ein Herkules-Spiel konzipieren zu wollen (Cora Dietl: Die Dramen Jacob Lochers und die frühe Humanistenbühne im süddeutschen Raum. Berlin u. a. 2005 [Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 37], S. 184f.). Inzwischen dürfte sich allerdings Brants Herkules-Spiel als das erst 1554 gedruckte ›Tugent Spyl‹ erwiesen haben, dessen Text mit Bernhaubts ›Histori‹ nichts zu tun hat. – Einem jüngeren Vorschlag Wuttkes zufolge wäre Bernhaubts Vorlage dem Straßburger Humanisten Georgius Schmerlin alias Gregorius Arvinianus Februarius Trebotis alias Publius Vigilantius zuzuschreiben (Dieter Wuttke: Ist Gregorius Arvinianus identisch mit Publius Vigilantius? In: Festschrift Otto Schäfer zum 75. Geburtstag. Hrsg. von Manfred von Arnim. Stuttgart 1987, S. 43−77, hier S. 66); gesichert ist diese Zuschreibung jedoch weiterhin nicht (vgl. Franz Josef Worstbrock: Vigilantius, Publius. In: Deutscher Humanismus 1480−1520. Verfasserlexikon. Hrsg. von Franz Josef Worstbrock. Bd. 2. Berlin u. a. 2013, Sp.1245−1254, bes. Sp. 1249f.); fraglich ist auch, ob es sich überhaupt um eine homogene lateinische Vorlage handelt (das letzte der drei Bilder des deutschen Herkules-Spiels [›Memento mori‹] etwa adaptiert Passagen aus Sebastian Brants ›Varia Carmina‹).

›Apologia‹ wie ›Histori Herculis‹ sind nur in den Originalen überliefert, dem jeweiligen Autograph Bernhaubts mit den Originalzeichnungen Vischers: die ›Apologia poetarum‹ im inzwischen faksimilierten Ms. lat. fol. 335 der Staatsbibliothek Berlin, das neben den 19 von Vischer ausgeführten Zeichnungen noch leere Bildräume für vier weitere Zeichnungen hat, die ›Histori Herculis‹ in der Nürnberger Handschrift (Nr. 54.0.1.), deren dritte Zeichnung unvollendet blieb und aus der die zwei vollendeten Zeichnungen bereits herausgeschnitten waren, bevor sie als Cod. Amb. 645 2o in die Stadtbibliothek gelangte. Die Nürnberger Handschrift ist 1515 datiert, für die Berliner Handschrift nimmt Dreher (2002, S. 184f.) mit Recht an, dass zumindest deren Zeichnungen etwa gleichzeitig mit der ›Histori‹, teilweise sogar später entstanden, wenn auch die Textredaktionen der einzelnen Lobreden von Bernhaubt früher datiert sind. Damit fällt Peter Vischers Arbeit an den Bernhaubt-Handschriften in die Phase, in der die gesamte Vischer-Werkstatt mit Hochdruck am Sebaldusschrein arbeitete, einem ihrer zentralen Werke, in dessen zwischen 1508 und 1519 mehrfach überarbeitetem Entwurf sich die Etablierung der Renaissancekunst in Nürnberg widerspiegelt. In seiner Widmungsvorrede zur ›Histori Herculis‹ nimmt Bernhaubt so deutlich auf den Schrein Bezug, dass man in der ›Histori‹ eine literarische Parallele sehen kann. Die Wiederentdeckung des antiken Helden Herkules durch Bernhaubt und Vischer findet auch im Schrein ihren Niederschlag (kniende Figur in der zweiten Ebene des Sockels), durch die Zeichnungen für die ›Histori Herculis‹ inspiriert und vorbereitet sind ferner jüngere Herkules-Bronzen aus der Vischer-Werkstatt, so z. B. die Herkulesfigur als zweiarmiger Kerzenhalter, von der mehrere Versionen belegt sind (vgl. zuletzt Joaneth Spicer: An ›Antique‹ Brass Candlestick in the Shape of Hercules by Peter Vischer the Younger and Workshop. Journal of the Walters Art Museum 63/2005 [Baltimore 2009], S. 149−157. Nicht Peter Vischer zuzuschreiben dagegen ist die Bronze des schlafenden Herkules [New York, Metropolitan Museum of Art, Inv.Nr. 68.141.18]; anders Yvonne Hackenbroch: The sleeping Hercules. Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 21 [1976] S. 43–54.).

Beide Handschriften Bernhaubts entstammen also ein und demselben, auch zeitlich identischen Entstehungszusammenhang, übereinstimmend ist ferner ihre Konzeption und Anlage als bibliophile Kostbarkeit: Wie für eine mittelalterliche Prachthandschrift wählt Bernhaubt für beide ein großes Folioformat − für Ms. lat. fol. 335 zudem Pergament als Beschreibstoff − , eine kalligraphische Buchschrift und die Ausstattung mit Initialen und Illustrationen. Gleichwohl werden beide Male umgekehrt auch Ausstattungsmerkmale sorgfältigen Drucklayouts kopiert, so etwa in der graphischen Gestaltung der Titelseiten und des Schriftspiegels anderer Absätze. Damit schafft Bernhaubt offenbar bewusst einen zwischen Handschrift und Druck oszillierenden Überlieferungstyp. Obwohl weder Auftraggeber noch weitere Kopien oder sonstige Rezeption bekannt sind, wird Bernhaubt sich die Handschriften kaum zum reinen Privatgebrauch angelegt haben, sie könnten zur Präsentation in humanistischen Zirkeln Nürnbergs gedient haben oder zumindest hierfür intendiert gewesen sein: Ein direkter Kontakt Bernhaupts zu diesen Zirkeln ist allerdings nicht belegt.

Warum beide Werke unvollendet blieben und ob diese Tatsache unter Umständen mit einem nicht vollends geglückten Ausgang des gemeinsamen Vorhabens zu tun hat, muss ebenfalls offen bleiben.

Editionen:

Dieter Wuttke: Die Histori Herculis des Nürnberger Humanisten und Freundes der Gebrüder Vischer, Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter. Materialien zur Erforschung des deutschen Humanismus um 1500. Köln / Graz 1964 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 7).

Literatur zu den Illustrationen:

Erwin Panofsky: Hercules am Scheideweg und andere antike Bildstoffe in der neueren Kunst. [1930] Neuauflage mit einem Nachwort von Dieter Wuttke. Berlin 1997 (Studien zur Bibliothek Warburg 18). − Dieter Wuttke: Die Histori Herculis des Nürnberger Humansiten und Freundes der Gebrüder Vischer, Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter. Materialien zur Erforschung des deutschen Humanismus um 1500. Köln / Graz 1964 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 7). − Apologia Poetarum. Die Schwenter-Handschrift Ms. lat. fol. 335 der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin mit den Illustrationen Peter Vischers des Jüngeren, eingeleitet und kommentiert von Franz Josef Worstbrock und Fedja Anzelewsky. 2 Bde. Wiesbaden 1987. − Derick F. W. Dreher: The drawings of Peter Vischer the Younger and the Vischer workshop of Renaissance Nuremberg. Diss. [masch.] Yale University 2002.