KdiH

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80.8.1. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 552

Bearbeitet von Franziska Stephan

KdiH-Band 8

Datierung:

1492.

Lokalisierung:

Grünsfeld (Franken).

Besitzgeschichte:

Geschrieben von Heinrich Meise von Würzburg im Auftrag des Grafen Asmus von Wertheim-Freudenberg (um 1453–1509) in dessen Kanzlei in Grünsfeld bei Tauberbischofsheim (56v Kolophon, 15r Wappen der Grafen von Wertheim; Ehmer [1992] S. 160). In den Besitz der Palatina könnte die Handschrift entweder über den Kurfürsten Philipp den Aufrichtigen von der Pfalz oder über den Pfalzgrafen und späteren Kurfürsten Ottheinrich gelangt sein. Letzterer stand mit Graf Michael III. von Wertheim im April 1551 bezüglich des Erwerbs von Antiquitäten in Verbindung (Ehmer [1992] S. 179, Anm. 62). 1r Inhaltsangabe aus dem 20. Jahrhundert des Bibliothekars Herrmann Finke (benennt das Losbuch fälschlich als ›Buch über Nativität‹; Kalning/Miller/Zimmermann [2014] S. 133).

Inhalt: Astrologisch-mantische Sammelhandschrift
1. 1v–40v Losbuch (gereimt) II
Auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels sind Teile des Losmittels erhalten; 1v–2v 24 Fragen, ihnen zugeordnet je eine Kombination aus zwei Indexbuchstaben; 3r–4v Tabellen, je Seite sechs mal zwölf Kästchen, darin die 24 Indexbuchstaben von 1v bis 2v und die Namen der zwölf Apostel, jede Kombination verweist auf eine andere Seite der nächsten Etappe; 5r–26v 24 Ringe zu verschiedenen Sachbereichen mit Verweisen auf einen Losrichter; 27r–40v 24 Bücher unter dem Namen alttestamentlicher Personen als Losrichter, diese mit je zwölf Lossprüchen aus vier paargereimten Versen, jeweils einem der zwölf Apostel in den Mund gelegt
2. 41r–51v ›Sandkunst der 16 Richter‹
3. 52v–54r Lebensplaneten
4. 54v–55r Verworfene Tage
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 58 Blätter (1–56 Foliierung des 17. Jahrhunderts, 40a*–40b* mit moderner Zählung), 230 × 168 mm, Losbuch: kalligrafische Bastarda, ein Schreiber: Heinrich Meise von Würzburg (Kolophon 56v: Anno domini Tausent Vierhundert vnnd Inn dem zweyundneunczigisten ioren am freitag nach Sant pauls bekerung tag: hab ich heinricus Meise von wurtzpurgk dits buch zu Grunßfelt In des Wolgebornē herrn. Herren. Asmusen. Grauen zw Wertheims vnd Inn seiner gnaden Cantzellei vollenndt vnnd geschriben. In beywesen seiner gnadē Secretari Conradi kappels.), zweispaltig (2v–3v und 27r–40v die linke Spalte wesentlich schmaler als die rechte) und siebenspaltig (3r–4v Tabellen), 13–39 Zeilen, Lombarden in Rot und hellem Graubraun (1v–2v), Paragrafenzeichen in Rot und Blau (17r–40v), generell abwechslungsreiche Gestaltung des Textes in Rot, hellem Graubraun und Blau, Rubrizierung, Strichelung.

Schreibsprache:

ostschwäbisch mit ostfränkischen und nordbairischen Elementen (Malm [2015] S. 708).

II. Bildausstattung:

Bemalte Drehscheibe aus Messing im Buchdeckel, 24 Bildmedaillons, Federzeichnungen in Deckfarbenmalerei. Der Text ist abwechslungsreich mit verschiedenen Tintenfarben gestaltet (helles Graubraun, Rot, Blau) und durch Tabellen, Kreisschemata, Seitentitel, abgesetzte Strophen und Paragrafenzeichen gegliedert. Nach Wegener (1927, S. 102) alles von einem mit dem Schreiber identischen Zeichner. Das Losrad stammt möglicherweise von einer zweiten Hand. Hierfür sprechen die gegenüber dem restlichen Codex variierende Schriftart und die Verwendung von schwarzer Tinte. Jedoch ist durch die generelle Bandbreite an Schriftarten im Codex nicht auszuschließen, dass auch das Losrad von Heinrich Meise stammt (Heiles [2018] S. 60, Anm. 179).

Format und Anordnung, Bildaufbau und -ausführung:

Losrad: Mittig auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels befindet sich eine im Durchmesser fast seitenfüllende Scheibe mit systematischen Informationen für die Losermittlung. Diese ist in schwarzer Tinte gezeichnet und in drei konzentrische Ringe sowie zwölf gleichmäßige Segmente geteilt. Im äußeren Ring ist jedes Segment mit den Namen von einem Apostel beschriftet. Über den zentralen Kreisring ist eine drehbare Scheibe aus Messing gelegt, die an einem Metallstift befestigt ist, der durch den Vorderdeckel geführt ist. Das abgerundete Ende des Stiftes ist am Außendeckel sichtbar, darum gelagerte Farbreste lassen vermuten, dass hier eine kreisförmige Applikation als Drehhilfe angebracht war. Innen ist die Messingscheibe mit einer knienden, grün gewandeten Engelsfigur bemalt. Deren rechter Zeigefinger ist ausgestreckt und dient als Zeiger. Ihre geschlossenen Augen weisen auf das verdeckte oder blinde Drehen des Rades hin, um die Zufälligkeit des Losentscheids zu garantieren.

5r–26v Ringe: 24 mittig auf der Seite platzierte Kreisschemata mit farbiger Binnengliederung (vgl. Losrad), darin inhaltlich-systematische Informationen. Der äußere Ring ist in Blau, die konzentrischen und segmentierenden Linien in Rot, der Text alternierend in Rot und hellem Graubraun gehalten. Im Zentrum jeder Scheibe befindet sich ein Bildmedaillon (30 mm Durchmesser), das das im Seitentitel angekündigte Ringthema durch ein Objekt oder eine Figur mit Attributen symbolisch repräsentiert. Das jeweilige Symbol ist meist auf einer grünen Rasenbank dargestellt, der Hintergrund ist einheitlich blau oder in einem Farbverlauf von weiß nach blau gestaltet. Es handelt sich um sehr schlichte Darstellungen in gedeckten Farbtönen ohne Schattierungen oder Höhungen, die Modellierung erfolgt durch dicke Konturlinien in blassem Schwarz. So auch bei den drei figürlichen Darstellungen ohne klare Körperkonturierung oder expressive Gestik (Losrad mit Engel, 24r Saturn, 26v Geistlicher).

Bildthemen:

5r–26v Ringe: 5r Der wurcze Rinck: weißer Sack mit gelben Körnern; 5v Der Blumen Rinck: stilisierte Sonnenblume?; 6r Der visch Rinck: springender Fisch; 6v Der vogel. Rincke: Amsel?; 7r Der Stein ringk: mit Edelsteinen besetztes Schmuckstück; 7v Der kraut rinck: Kohlkopf?; 8r Der Berck rinck: Berggipfel; 8v Der wasser ringk: Meer mit seichten Wellen; 9r Der Bawm ringk: Laubbaum; 9v Der frucht Rinck: Getreide in Gelb; 10r Der Stett Rinck: typisierte Stadtansicht, nach Weiß Ansicht von Grünsfeld (Weiß [1981] S. 76), falls es sich um die Darstellung einer konkreten Stadt handelt, deuten die Befestigung und das Wappen auf 15r aber auf die größere Stadt Wertheim (Kalning/Miller/Zimmermann [2014] S. 133); 10v Der thier Rinck: Vierbeiner mit langem Schwanz in Braun; 11r Der geschmeide ringk: Kette mit Eichenblattanhänger; 11v Der waffenn Rinck: Hellebarde; 12r Der Samen Rinck: Hand, gelbe Körner auswerfend; 12v Der Chor Rinck: Rundbau mit drei Rundbogenfenstern (Engelschor?, im äußeren Ring werden Engelshierarchien genannt, z. B. Seraphin, Cherubin), 13r Der zeichen rinck: Stange mit sechs daran hängenden Objekten (Talismane?); 13v Der Monde Rinck: Halbmond; 14r Der planeten rinck: Saturn; 14v Der varbe Rinck: das Medaillon horizontal halbiert, Weiß, Blau, Rot, Gelb, Schwarz koloriert; 15r Der wappen rinck: Wappenschild von Wertheim; 15v Der zeit rinck: Ziffernblatt; 16r Der firmament rinck: übereinander dargestellt Erde, Wasser, Feuer und Luft (diese Abfolge weicht von der üblichen ab; in der mittelalterlichen Kosmologie ordnen sich die sublunaren Elementsphären nach ihrem Gewicht: Erde, Wasser, Luft und Feuer; Simek [1992] S. 35f.); 16v Der pfaffen Rinck: Stehfigur mit Tonsur und Kelch.

Farben:

insgesamt schmale Palette mit kräftigen, jedoch gedeckten Farben; Losrad: Moosgrün, Ocker, Braun, Braunrot, Graubraun, Schwarz; Bildmedaillons: vorrangig Grün, Blau, Gelb, blasses Schwarz sowie vereinzelt Rot, Rosé, Hell- und Dunkelbraun.

Literatur:

Bartsch (1887) S. 150f. (Nr. 275); Wegener (1927) S. 101f.; Kalning/Miller/Zimmermann (2014) S. 132–135. – Sotzmann (1851) S. 312–315 (Nr. 3); Bolte (1903) S. 315–317 (E); Ehmer (1992) S. 160–163; Schneider (2004) Sp. 931; Malm (2015); Heiles (2018) Nr. 11.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 155: Vorderspiegel. Losrad.

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Abb. 155.