KdiH

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73.19.1. St. Paul im Lavanttal, Stiftsarchiv, Cod. 102/3 (olim Cod. 27.5.28)

Bearbeitet von Kristina Domanski und Isabel von Bredow-Klaus

KdiH-Band 8

Datierung:

Anfang 16. Jahrhundert.

Lokalisierung:

Augsburg.

Besitzgeschichte:

Geschrieben von Jörg Langenmantel, Augsburg. Später Spital am Pyhrn, wohin die Benediktiner des 1806 aufgelösten Klosters St. Blasien (Schwarzwald) mitsamt der Klosterbibliothek übergesiedelt waren, bevor sie 1809 das 1782 aufgelöste Stift in Sankt Paul neu besiedelten.

Inhalt:
1. 1r–78r ›Passionsbetrachtung‹
Anfang fehlt
2. 78v–95r Gebete
78v–84r an Gottvater und Christus, 84r–86v an Maria, 88r–95r mehrteiliges Gebet zum Leben Jesu und zur Passion
3. 95v–113v Tagzeiten zum Leiden Christi
Vgl. Nigel F. Palmer, in: 2VL 9 (1995), Sp. 586, Nr. 17
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 113 Blätter (Zahl der verlorenen Blätter zu Beginn unklar, mindestens ein Blatt nach 40, mindestens ein Blatt mit Illustration nach 100), 97 × 135 mm, Bastarda, eine Hand, Schreibernennungen 17v, 21r, 49v, 52v, 85r: Ich Jörg Langenmantel han dis geschriben, einspaltig, 14 Zeilen, zwei- bis dreizeilige Initialen in Grün, Blau, Gold mit wenig rotem oder blauem Fleuronné zu Beginn der Abschnitte, Überschriften in roter und grüner Tinte, Cadellen, sparsame Rubrizierung.

Schreibsprache:

schwäbisch.

II. Bildausstattung:

46 kolorierte Federzeichnungen mit Blattgold für Nimben von mindestens 48 Illustrationen erhalten, wohl ein Maler.

Format und Anordnung:

Quadratische Bildfelder, gerahmt mit schmaler grüner oder roter Leiste, jeweils zu Beginn eines Abschnittes. Einheitliche Gestaltung der Bilder über den gesamten Band.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Illustrationen sind zum Teil stark abgegriffen, das Gold weitgehend abgeplatzt, zudem wurde die Kolorierung teilweise nicht vollständig ausgeführt. Insgesamt fallen eine uneinheitliche Ausführung und ein gewisser Gegensatz zwischen der ungelenken Zeichnung und der anspruchsvollen und kostspieligen Ausstattung auf. So wurde zwar für die Nimben Pinselgold verwendet, die Binnenzeichnung der Figuren, insbesondere der Physiognomien, allerdings kaum ausgearbeitet. Die Kolorierung der Gewänder variiert zwischen einer sorgfältigen Ausgestaltung des Faltenwurfs in mehreren Arbeitsschritten mit differenzierten Farben, über eine schlichte, aber souveräne Gestaltung mit großzügigen Pinselstrichen bis hin zu einer nur leichten Lavierung, die den Blattgrund weitgehend durchscheinen lässt. Die Figuren agieren auf einer schmalen Bildbühne, vereinzelt werden altertümliche architektonische Kulissen eingesetzt, wenn Außenräume bezeichnet werden sollen. Schlanke, körperlose Figuren mit gelängten, schmalen Gesichtern, die wenigen Angaben lassen die Gesichtszügen kantig wirken.

Bildthemen:

1v Die Soldaten fallen im Garten Gethsemane vor Christus nieder, 3v Judaskuss und Gefangennahme, 5r Gefangennahme, Petrus und Malchus, 7r Christus vor Annas, 8v Verleugnung Petri, 11r Christus vor Kaiphas, 14r Verspottung Christi, 15v Christus vor Pilatus, 16v Pilatus spricht mit den Juden, 18r Pilatus verhört Christus ein zweites Mal, 19v Pilatus verkündet den Juden, er finde keine Schuld an Jesus, 20v Christus vor Herodes, 22v Die Juden verlangen die Freilassung des Barabas, 24r Geißelung, 25v Dornenkrönung, 27r Ecce Homo, 28r Pilatus verhört Christus nochmals, 29v Pilatus spricht nochmals zu den Juden, 31r Pilatus wäscht seine Hände, 33r Pilatus spricht das Urteil, 34v Entkleidung Christi, 35v Kreuztragung, 38r Christus in der Rast, 39r Entkleidung Christi, [Blatt nach 40 eventuell Kreuzannagelung], 46r Kreuzigung, 54v Kreuzigung, 56r Christus in der Vorhölle, 59r Lanzenstich mit Longinus und den beiden Schächern, 60v Kreuzabnahme, 62v Grablegung, 65r Auferstehung, 67v Die drei Marien am Grabe, 70r Noli me tangere, 73r Christus erscheint den Jüngern in Emmaus, 75r Himmelfahrt Christi, 76r Ausgießung des Hl. Geistes, 78r Gnadenstuhl, 82v Zwei Engel präsentieren eine Monstranz mit Hostie, Hostienbehälter, 88r Arma Christi, 93r Schmerzensmann, 95r Gefangennahme Christi, 97r Christus vor Pilatus, 98r Geißelung, Überschrift in Rot: Luͦg an dm̄ her, 99v Dornenkrönung, [Blatt nach 100 Kreuzigung], 102r Kreuzabnahme, 103v Grablegung.

Innerhalb der Bildfolge zur Passion erscheint die ausführliche Bebilderung der Verhöre Christi durch Pilatus und dessen wiederholte Verhandlung mit den Juden auffällig. Die Schilderung des mehrmaligen Verhörs durch Pilatus war zwar durch das Evangelium Nicodemi bekannt, doch ist eine Bebilderung der Einzelszenen nicht sehr geläufig. Bemerkenswert ist gleichfalls die Serie von Andachtsbildern zu den Gebeten: Gnadenstuhl (78r), die Präsentation der Monstranz mit Hostie (82v), Arma Christi (88r), Schmerzensmann (93r), die in diesem Umfang ungewöhnlich scheint.

Farben:

reiche Farbpalette, auch gebrochener Farben sowie Blattgold.

Literatur:

Eisler (1907) S. 112 (unvollständig); Cermann (2021) hier: 15v, 16v, 18r, 19v, 20v, 22v, 24r, 25v, 27r, 28r, 29v, 31r, 33r, 95r.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

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Abb. 62.