KdiH

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59.3.1. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2823

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

1463 (Kolophon und datierter Einband).

Lokalisierung:

Urach.

Besitzgeschichte:

Erster Besitzer, vermutlich auch Besteller, war wohl Werner Freiherr von Zimmern, vgl. die Zimmern’sche Signatur des 16. Jahrhunderts (22) auf dem Buchrücken (Holzdeckeleinband mit himbeerrotem Lederbezug, Streicheisenlinien), ebenso Ir (Histor.N. 22). 1576 als Schenkung von Wilhelm von Zimmern an Erzherzog Ferdinand II. in die Ambraser Sammlung gelangt (1r oben MS. Ambras 261), die 1665 in die Wiener Hofbibliothek kam (Altsignatur Vorderdeckel: XIV.C.23).

Inhalt: Historienbibel Ic
2r–404v Alte Ee
2r–6r Vorrede mit Engellehre Do got in siner maiestat vnd kraft schwebet vnd alle ding in siner wißhait hette …
mit Erweiterung (von der Seele, dem freien Willen und der Weisheit)
6r–404v Bearbeitung von Ia, Zuziehung weiterer Quellen (Weltchronik Heinrichs von München u. a.) In dem anfang beschuoff got himel vnd erde Aber die erde was ytel vnd laer vnd die finsternuß waren dem antlut des abgrundes …
bis zum Kapitel Darnauch starb gabinus …
darin: 248r–253v ›Hoheslied in Minneliedern‹ Ich kust ir mynnenglich kuß ainen mund der über gult ainen überfluß …
321r–322r Antichrist Daniel haut gewissaget vnd sprichet der end crist in babilony wirt geborn von dem aller bösten man vnd wib vnd wenn er enpfangen wirt …
322r–322v Jüngstes Gericht Daniel wissaget von dem Jüngsten tag vnd sprichet wan das fel oder die deckin des himels brint …
404v–412r Neutestamentlicher Anhang: Herodes bis Titus
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, III + 417 Blätter (Zählung des 18. Jahrhunderts; restauriert 1934, unbeschrieben: Ir–IIIv, 413r–414r), 286 × 208 mm, einspaltig, 27–30 Zeilen, Bastarda, ein Schreiber (datiert 412v: B 14 Deo gratias 63 S): bislang wurde die Handschrift Gabriel Sattler-Lindenast aus Pfullendorf zugeschrieben, stammt aber, so jüngst Otto Neudeck (2006), »definitiv von anderer Hand« (derselbe Schreiber auch in den Wiener Handschriften Cod. 2793, 2794, 2796, 3035, 3049 und in Karlsruhe, Cod. Donaueschingen 87); rote Bildbeischriften, Anfangsbuchstaben und Lombarden über zwei Zeilen, Strichel, Unterstreichungen (Namen); in der ersten Zeile einer Seite oft Cadellen. Sehr selten Kapitelüberschriften im Text (76v Hie weissaget Jacob sinen sünen, 95r Merck wz dz osterlam sye u. ä.), stattdessen mehrfach am Rand Bemerkungen vom Rubrikator (26r: wa der zehend ain vrsprung hab, Hie vieng dz gnaden rich jar an), dazu auch Handweiser. Blatt 417v Rechnungsaufstellung für Schreiber, Papier, Maler zu Urach, Buchbinder Reubold zu Urach, Leder von Kramer Hans Philippsen, Rubrikator (und Schreiber?) Stefan Sesselschreiber (der unter Umständen identisch ist mit dem Buchmaler Steffan Schriber von Urach, dessen Buchschmuck in anderen Handschriften aber wesentlich anspruchsvoller ist, vgl. Nr. 20.0.1.: Chantilly, Musée Condé, Ms. 680): Item der sextern sind xxxv geburt sich nu zu lonen von den xxx von einem v ß tut v gulden x ß / Item so wirdet des Bappirs viiij büch eins fur x dn tüt xiiij ß / Item dem Mauler zu vrach von den figuren zu malen der da ist Cxvi von einer j ß h tut v lb xvi ß / Item einem zu vrach genant Reubold dauon ynzubinden xvj ß / Item hans philipßen dem kramer vmb das rot losch daruber zuziehend xiiij dn / Summa x gulden xviij ß iiij h / Item dem steffan sesselschriber von den Buchstaben vnd anderm das er in dem buch gemacht hoit xiiij ß / Summa xij gulden iiij ß iiij h.

Schreibsprache:

schwäbisch.

II. Bildausstattung:

116 kolorierte Federzeichnungen, laut Rechnungsaufzeichnung dem mauler zu urach (417v) zuzuschreiben.

Format und Anordnung:

ganzseitig mit Bildüberschrift (oder ausnahmsweise Bildunterschrift) zwischen dem Text; für die Bilder sind schematisch ohne Rücksicht auf Kapitel- oder Satzende und nicht immer in enger Nähe zur Bezugsstelle des Textes ganze Seiten freigelassen, wobei jedoch die anfangs vorgesehene paarweise Anordnung der Bilder jeweils auf der Recto- und Versoseite eines Blattes (1r/1v, 11r/11v) nicht fortgesetzt wird. Die Bildformate sind durch einen mit der Feder doppellinig vorgezeichneten Rahmen vorgegeben (ca. 170–175 × 150–158 mm), wobei dieser nicht mit dem ebenfalls vorgezeichneten Schriftspiegelformat (195–200 × 120–125 mm) übereinstimmt. Mit orangeroter Pinsellinie ist dann in der Regel nur die innere Federlinie als tatsächliche Bildeinfassung (180–187 × 142–152 mm) nachgezeichnet.

Bildaufbau und -ausführung:

sehr akkurate und ausführliche Zeichnung mit brauner Feder, mit der in feinen Parallel- oder Kreuzschraffen auch Schattenpartien angegeben werden. Plastisch modelliert wird durch fein abstufende Farblavierung, mit gelegentlicher Unter- oder Übermalung, die trotz der wenig umfangreichen Palette sehr abwechslungsreich ist.

Abgesehen von Simultanbildern (zwei Szenen in einem Bild 14v Opfer Kains und Abels + Brudermord) spielt die Handlung meist auf vorderster Bildebene, nur gelegentlich auch im Mittelgrund, wobei dann die Figuren hinter verkleinerten Vordergrundkulissen (Bäume 34r, 133v) unproportional groß sind. Der Hintergrund öffnet sich in eine Hügellandschaft, gelegentlich mit eingebetteten Dörfern oder Städten (leuchtend orangerote Dächer), charakteristisch sind die steinigen Wege, die sich vom Standort der Figuren im Vordergrund aus kurvig in den Hintergrund verlieren; sie schneiden sich mit kräftigen Bruchkanten in die sanften grünen Matten ein (letztere nur sehr selten mit gezeichneten, aber flächig grün übermalten Blumen oder Gräsern bestückt: 12v, 147v). Einzelbäume haben detailliert gezeichnete, knorrige Stämme und eine ausladende »verwischte« Krone, meist ohne Blätterdetails. Wegsäume kennzeichnend oder den Horizont belebend sind auch rhythmisch gegliederte Baum- und Strauchreihen. Darüber blauer, zum oberen Bildraum dunkler werdender Himmel. Selten spielt die Handlung in ganz geschlossenen Räumen, der Zeichner zieht – wie im Urteil Salomos (236r) – eine Kombination vor: Salomo sitzt in einem überdachten Thronraum, die Figurengruppe, bestehend aus den beiden Frauen und dem Henker mit Kind, steht im Freien; den Übergang markiert der Körper des toten Kindes, der gewissermaßen auf der Grenze zwischen Steinfußboden des Thronraumes und grüner Wiese liegt (ähnlich 26v, 42r, 69v, 243r, 345r u. ö.). Wo eine Innenraumdarstellung vonnöten ist, wird sie meist mit einem Architekturrahmen versehen (38v, 255r, 296v u. ö.). Besonders hier ist der Blickpunkt des Betrachters ein erhöhter, er schaut wie von schräg oben auf festlich gedeckte Tische u. a.

Hochgewachsene Figuren nehmen ca. 2/3 der Bildhöhe ein; umhüllt von Gewändern, deren kantige Faltungen der Körperbewegung folgen. Sehr detailreich gezeichnet, auch durch unterschiedliche Farbigkeit strukturiert die Plattenharnische (z. B. Goliats 181r). Kennzeichnend für die Gesichtszeichnung der Figuren sind harte Züge mit kräftiger Nase und breitem, in den Winkeln betontem Mund.

Bildthemen:

Die Bildauswahl ist, unter Umständen bewirkt durch die Unterschiedlichkeit der Vorlagen, diskontinuierlich. Ausgesprochen breit wird die (wie bei Heinrich von München) mitten in das Buch Genesis im Anschluss an die oder vielmehr anstelle der Aufzählung der Nachkommenschaft Esaus eingefügte Geschichte Ijobs (52r–64r) illustriert, dagegen gibt es keine Illustrationen zu den Nachfolgern Salomos nach Jerobeam und Rehabeam (1 Kg 16) ab Blatt 256v, erst das Buch Tobias (291r–301v) hat wieder Bilder. Des weiteren ähnlich: Daniel (und Susanna) mit ›Antichrist‹ und ›Jüngstem Gericht‹ (310r–329r) ohne Bilder, Judit (329v–348r) mit Bildern, Esra (348r–351r) ohne Bilder, Ester (351r– 360r) ohne Bilder, Alexander (360r–381r) mit Bildern, I Makkabäer (381r–399r) mit Bildern, II Makkabäer (399r–412v) ohne Bilder. Gelegentlich decken sich die Bildthemen nicht mit dem Bezugstext, so z. B. in der Darstellung der Opferung von Jiftachs Tochter (153r): Die Tochter wird enthauptet (im Text verbrannt), während dazu musiziert wird. Insgesamt erlangen die Darstellungen (auch aufgrund ihres vom Schriftspiegel abweichenden Formats) gegenüber dem Text eine auffallende Autonomie (Im Anfang war das Wort [2004] S. 259). Bildbeischriften sind – wie die Rubrizierung – erst nach Ausführung der Bilder eingefügt worden; gelegentlich fehlen sie (wenn der Rubrikator mit dem Bildthema nichts anzufangen wusste: 38v Sippe Abrahams, 173v Saul wird zum König gesalbt), gelegentlich sind sie von epischer Breite (107v), manchmal erläutern sie das Bildthema im Sinne einer zwischen Text und Bild vermittelnden Richtigstellung (295r zur Darstellung des Abschieds von Tobias und Rafael – in Engelgestalt – von Tobit: hie schickt Tobias sinen sun über feld vnd der engel Raphahel ging mit im in ains junglins gestal vnd nit in ains engels). Mehrfach missverstehen sie aber auch Bildthema bzw. Bezugstext: Diese Diskrepanzen reichen von Widersprüchen im Detail (39v zum Begräbnis Saras der Bildtitel hie begrebt man Isaac, 67r anstelle von Potifars Weib wird die Verführerin Josefs als des kuniges tochter bezeichnet, 246r zur Darstellung des Propheten Ahija, der vor Jerobeam seinen Mantel in zwölf Stücke schneidet, die Beischrift hie schnit achias Roboam den mantel zu zwölff stucken) bis hin zu völlig irrigen Interpretationen: Zum Bild vom Tod Elís (der hintenüber vom Stuhl fällt) 169r der Titel: Als die haiden die arch gewunnen do satzten sy sie czu irem abgot dagam vnd also mocht er nit besitzen vnd fiel hindersich vnd alz sy in zu dem dritten mal vf richten do fiel hopt hend vnd füß von Im.

Der neutestamentliche Anhang (entgegen von Bloh [1993] S. 278) ohne Bilder.

Farben:

Blau, Grün, Ockerbraun (auch für Gold), Umbra, Violettrosa, Orangerot, Grau, selten ein leuchtendes Gelb (78r, 155r).

Literatur:

Menhardt 1 (1960) S. 389; Unterkircher (1974) Bd. 1, S. 46, Bd. 2, Abb. 237 (412v). 238 (417v). – Merzdorf (1870) S. 36 (Hs. T); Vollmer (1912) S. 95–104, Nr. 33, Taf. XI (340v–341r); Friedrich Pfister: Studien zu spätmittelalterlichen deutschen Alexandergeschichten. ZfdA 79 (1942), S. 114–132, hier S. 128; Stedje (1968) S. 110–114 (Hs. T), Abb. 16 (102r); Ross (1971) S. 116–118, Abb. 164 (367r). 165 (369r). 166 (370v). 167 (373r); Marie und Heinz Roosen-Runge: Das spätgotische Musterbuch des Stephan Schriber in der Bayerischen Staatsbibliothek München, Cod. icon. 420. 3 Bde. Wiesbaden 1981, hier Bd. 2 (Kommentar), S. 186–190. 226, Abb. 216 (417v); von Bloh (1993) S. 278 f. u. ö., Abb. 85 (11r). 86 (11v); Natur und Kunst. Handschriften und Alben aus der Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands II. (1529–1595). [Ausst.Kat. Innsbruck, Schloss Ambras/Wien, Kunsthistorisches Museum 1995] Hrsg. von Alfred Auer und Eva Irblich. Wien 1995, S. 57–59, Nr. 9 (Andreas Fingernagel); Dorothea Klein: Die ›Weltchronik‹ Heinrichs von München. Ergebnisse der Forschung. In: Studien zur ›Weltchronik‹ Heinrichs von München I: Überlieferung, Forschungsbericht, Untersuchungen, Texte. Hrsg. von Horst Brunner. Redaktion: Dorothea Klein. Wiesbaden 1998 (Wissensliteratur im Mittelalter 29), S. 199–239, S. 238; Alpha & Omega. Geschichten vom Ende und Anfang der Welt. [Ausst.Kat. Wien, Österreichische Nationalbibliothek 2000] Hrsg. von Hans Petschar. Wien [u. a.] 2000, S. 240 f., 296 f., Abb. S. 296 (1r, 1v); Im Anfang war das Wort (2004) S. 256–269, Nr. IV.3, Abb. S. 241 (236r Ausschnitt). 256 (37r Ausschnitt). 257 (65v Ausschnitt). 258 (1r). 260 f. (1v–2r). 262 (18v). 263 (31v Ausschnitt). 264 (91r Ausschnitt). 267 f. (102v Ausschnitt). 268 (97v). 269 (181r); Otto Neudeck: Der ›verkehrte‹ Text. Zum grotesken Überlieferungsstil des Schreibers Gabriel Sattler. In: Wolfram-Studien 19 (2006), S. 425–447, hier S. 442, Anm. 52.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 10: 55r. Ijob auf dem Misthaufen und seine Freunde.

Abb. 11: 181r. Kampf Davids gegen Goliat.

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Abb. 10.
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Abb. 11.