52.5.1. Mühldorf am Inn, Stadtarchiv, B 79
Bearbeitet von Nicola Zotz
KdiH-Band 6
Zwischen 1511 und 1515.
Salmanskirchen (bei Mühldorf am Inn).
Auftraggeber und erster Besitzer war Degenhart Pfeffinger (1471–1519), »als bayerischer Landrentmeister eine der zentralen Gestalten der kursächsischen Landesverwaltung unter Friedrich dem Weisen« (
S. 2–88 |
Heiltums- und Ablassbuch des Degenhart Pfeffinger
S. 2–50 Heiltumsbuch; S. 56–67 Ablassbuch
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Papier, 88 (nicht, wie immer wieder zu lesen, 92) Seiten (unbeschrieben: S. 1, 30, 51–55, 68–88; dazu je drei Vor- und Nachsatzblätter), von moderner Hand paginiert, 320 × 217 mm, zwei Teile. Teil 1: Heiltumsbuch: Textualis, eine Hand, je eine Bild- und Textspalte, je Seite sechs Absätze à ein bis drei (selten vier) Zeilen. Teil 2: Ablassbuch: eine Haupthand und drei zeitgleiche Nachtragshände, einspaltig, je Seite sechs Absätze.
bairisch.
Eine ganzseitige kolorierte Federzeichnung auf dem Titelblatt (S. 2), anschließend (S. 3–28, 31–50) 277 kolorierte Federzeichnungen, in der Regel sechs pro Seite. S. 56 wiederum ganzseitige Titelillustration, auf den folgenden neun Seiten je eine kolorierte Federzeichnung. Illustrator war der sog. Meister von Mühldorf, von
Heiltumsbuch: Mit Ausnahme der Titelseite, die unter einer dreizeiligen Überschrift eine fast die ganze Seite einnehmende Illustration präsentiert, sind alle Seiten gleich aufgebaut: Gleichsam tabellarisch werden sechs (S. 39 und 50: fünf) Reliquien unter einander präsentiert, wobei sich jeweils im linken Fünftel die zwei bis vier Zeilen hohe Illustration und rechts davon der dazugehörige Text befindet. – Ablassbuch: Titelillustration auf zwei Dritteln der Seite, darunter Einführungstext; auf den folgenden Seiten jeweils eine die obere Hälfte des Schriftspiegels (S. 57: den ganzen Schriftspiegel) umrahmende Illustration.
Die Titelillustration (S. 2) bietet das gevierte Wappen Pfeffingers: auf gelbem Grund ein halber brauner Rüde im ersten und vierten, auf rotem Grund ein weißer Löwe im zweiten und dritten Feld, zwei Helme als Bekrönung. Darüber finden sich – von links nach rechts – die Ritterordensinsignien des Aragonesischen Kannenordens, des Ordens vom Heiligen Grab und des Zyprischen Schwertordens. Die heiligen Gegenstände werden isoliert ohne Hintergrund, aber meist perspektivisch dargestellt; die Zeichnungen sind von geübter Hand mit unterschiedlich dicken Strichen ausgeführt und erhalten ihre Tiefe durch Schraffuren und Kolorierungen. Ähnliches gilt für die (wenigen) Abbildungen von einzelnen Knochen. Die heiligen Orte sind Ausschnitte aus der Landschaft, sind mitunter mit Gras und Gebüsch ausgestattet und zeigen, charakterisiert durch die dargestellten Figuren, kleinere Szenen. Die heiligen Personen schließlich, die den Großteil der Abbildungen ausmachen, gehorchen einem gleichförmigen Schema: sie sind einzeln oder (selten) in Gruppen als Halbfiguren abgebildet, die unten von einer Brüstung begrenzt werden; in der Regel sind sie mit ihren traditionellen Insignien ausgestattet. »Der Zeichner bevorzugt runde Gesichter mit hoher Stirn, weit auseinanderstehende runde Augen und kleine Nasen. Die Hände sind zwar recht flüchtig, doch kompakt und zupackend gegeben. Die Gewänder fallen in Parallelfalten ohne große Bauschungen.« (
Im Ablassbuch jeweils mittig auf der Seite platzierte Kardinalshüte. Darstellung auf Symmetrie bedacht, jeder Hut leicht anders gestaltet, mit einer offensichtlichen Freude an der Variation der ins Graphische spielenden Überschneidungen und Ausfransungen der herabhängenden Quasten.
Bei den Abbildungen der Reliquien geht dieses Heiltumsbuch einen eigenen Weg. Hier werden nicht wie sonst die gefassten Heiltümer, also die Reliquiare dargestellt. Entweder gelangten die Reliquien selbst zur Darstellung – so bei großen, kostbaren Stücken wie Schädeln (S. 8, 9, 12, 13, 20, 26) oder Armknochen (S. 8: Eyn ganntze Spyndel) – oder, und dies ist der weitaus häufigste Fall, der Illustrator hielt das fest, worauf die Reliquien verwiesen. Stammen sie von Heiligen, sind diese in ihrer gängigen Ikonographie dargestellt. Handelt es sich um Bruchstücke heiliger Dinge, so sind diese Gegenstände wiedergegeben, so zum Beispiel das Haar, der Gürtel, der Rock und das Hemd Mariens (S. 40). Meist wird diesen Dingen ein Kontext beigegeben: Fünf auf Gras liegende runde Brotlaibe illustrieren den Eintrag Ayn Stúck vonn den fúnf gyrstennpoot [sic] die vberplieben do got fúnff taúset menschenn gespeist hatt (S. 3); der Eintrag Ayn Stúck Holz ist geflossen aúß dem Heiligenn paradeiß ist begleitet von einer Illustration, die einen im Wasser schwimmenden Baumstamm zeigt; links ist eine Brücke (das Paradiestor?) angedeutet. Ähnliches gilt für Heiltümer von heiligen Stätten, wo, wenn möglich, charakteristische Szenen dargestellt sind, die man mit diesen Orten verbindet: Neben Von Dem perg Qúarentana genantt do got in der wústúng aúff ist gewest ist ein Hügel abgebildet, auf dem Christus und Satan stehen, wobei letzterer zum Sprung auffordernd in die Tiefe deutet (S. 5). Mitunter sind Orte aber auch ohne Figuren dargestellt: Ein Berg, auf den sich ein Weg schlängelt, illustriert den Eintrag Von dem Weg den Cristús gangen hot von Bethania gen Jerúsalem mit plossen fússen (S. 33). Zwei Darstellungen sind durch die Verwendung von Gold hervorgehoben: Gero (S. 29) ist in Hermelin und mit kursächsischem Wappen dargestellt, und dies verweist ebenso wie die Beischrift auf die Beziehungen Pfeffingers zum kursächsischen Hof (ein Herczog gewest von sachssenn); Johannes dem Täufer (S. 39) kommt als patron der kirchenn besondere Bedeutung zu.
Titelillustration des Ablassbuchs (S. 56): Tiara mit gekreuzten Schlüsseln; S. 57–65 je ein Kardinalshut, dessen Kordeln mit unterschiedlich vielen Fiocchi links und rechts vom Text herunterhängen.
überwiegend wässriges Braun, Grün, auch Hellblau, Rotbraun, Rot, selten Gold.
Taf. 52.VIa: S. 5. Szenische Darstellungen zu den jeweiligen Reliquiennennungen.
Taf. 52.VIb: S. 57. Kardinalshut mit Quasten als rahmendes Element.